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Patentschutz für Corona-ImpfstoffeUSA befürworten Aufhebung

Lob von WHO und WTO, Kritik von der Pharmaindustrie. Was machen Deutschland und die anderen Sitzländer der großen Herstellerkonzerne?

Der Impfstoff von AstraZeneca ist Teil der ersten Ladung, die Ende April in Ghana angekommen ist Foto: Francis Kokoroko/reuters

Nach der innenpolitischen Kurskorrektur beim Umgang mit der Coronapandemie seit dem Machtwechsel von Präsident Donald Trump zu Joe Biden haben die USA jetzt auch eine wichtige außenpolitische Kehrtwende vollzogen: Washington stellt sich einer vorläufigen Aussetzung der Patentschutzrechte von Pharmakonzernen für Corona-Impstoffe nicht mehr in den Weg. Das verkündete die Handelsbeauftragte der Biden-Administration, Katherine Tai, am Mittwochabend.

Bereits seit September 2020 fordern über 100 Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf sowie viele Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen vergeblich eine Aussetzung des Patentschutzrechtes. Damit soll eine erhöhte Produktion und die global gerechte Verteilung von Corona-Impfstoffen erreicht werden.

Während die Generaldirektoren der WTO und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf ebenso wie Nichtregierungsorganisationen erfreut auf die Ankündigung der USA reagierten, stieß sie bei Vertretern von Pharmakonzernen auf Kritik. Bevor eine Aussetzung der Patentschutzrechte, die durch Handelsverträge der WTO geregelt sind, durch die erforderliche Konsensentscheidung der WTO-Mitgliedsstaaten erfolgt, müssten nach den USA allerdings auch die anderen Sitzländer großer Pharmakonzerne – Deutschland, Frankreich, Großbritannien, die Schweiz und Japan – ihren bisherigen Widerstand aufgeben.

Nach weiteren informellen Beratungen in den kommenden Wochen soll am 8. und 9. Juni eine offizielle Verhandlungsrunde stattfinden, bei der eine Entscheidung fallen könnte.

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6 Kommentare

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  • An den Impfstoffen hängen zahlreiche Patente, teilweise wird seit Jahrzehnten die daran geforscht. Warum soll man dafür nicht mehr bezahlen müssen? Wer wird dann noch innovative Impfstoffe oder Medikamente entwickeln, wenn danach Enteignung droht? Mit staatlicher Forschung hätten wir noch keinen oder keinen so guten Impfstoff.

    Wenn die Amerikaner keinen Anteil an den Impfstoffen haben, dann ist die Forderung billig.

  • Pfizer will schon seit Monaten in Indien produzieren. Die Unterlagen für den Biontech- Impfstoff wurden schon vor Monaten in Indien eingereicht. Trotzdem erhielt der Biontech-İmpfstoff bis heute keine Zulassung für Indien. Indien protegiert eindeutig die selbst entwickelten Impfstoffe. Neben Astrazeneca, das in Lizenz produziert, wird in Indien auch der selbst entwickelten Impfstoff Covaxin produziert. İn großen Mengen soll auch Sputnik V in Indien hergestellt werden. Auch erprobt man in Indien einen eigenen mRNA-İmpfstoff. Das mag der Grund sein, warum man es in Indien nicht eilig hatte mit der Produktion von Biontech. Indien ist die Apotheke der Welt und der größte İmpfstoffproduzent der Welt. Die indische Forderung nach Aufhebung der Patente ist genauso verlogen wie die entsprechende Forderung der USA jetzt, die nur davon ablenken soll, dass die USA den Export von Impfstoffen und von deren Grundstoffen verhindert. Indien hätte schon längst viel mehr Impfstoffe produzieren können. Lizenzen fehlten dafür nicht.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Ich bin dafür das die reichen Länder das Patent kaufen und dann kostenlos zur Verfügung stellen, so wird die Pharmaindustrie weniger attraktiv für Investoren was mittelfristig zu weniger Forschung etc. führt.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      DAS Patent ist sicher schon mal falsch. In der Regel werden um eine patenfähige IDEE ganze Patentfamilien aufgebaut. Neben Stoffpatenten, die den eigentlichen Impfstoff betreffen, gibt es noch verfahrenspatente, die die Produktion betreffen. Dann ist zu bedenken, dass diese Patente nicht nut für den COVID-Impfstoff gültigg sind, sondern für ganze Produktfamilien. Die mRNA-Technologie kommt z.B. aus der Krebsforschung.



      Wo sind die Grenzen?

  • Wenn es irgendwo auf der Welt noch Möglichkeiten gäbe, ähnlich wie in Marburg relativ zeitnah innerhalb von weniger als einem Jahr neue Produktionskapazitäten auszubauen, dann wären die Lizenzinhaber kaum abgeneigt, einer Lizenzproduktion durchzuführen. Astrazenica lässt in Indien und Brasilien in Lizenz produzieren, angeblich ohne Geld daran zu verdienen. Es liegt wirklich nicht an fehlenden Lizenzen, wenn nicht genügend Impfstoffe hergestellt werden. Durch die Freigabe der Patente wird kein Impfstoff mehr hergestellt , eher im Gegenteil.



    Es fehlen geeignete Produktionskapazitäten und Grundstoffe. Die Produktion von Curevac stockt derzeit weil die USA notwendige Grundprodukte nicht exportieren. Die USA wollen mit der Forderung nach Lizenzfreigabe nur von ihrem Impfstoffnationalismus, von ihren Exportbegrenzungen nach dem Motto "America First" ablenken.



    Indien als weltgrößter Hersteller von Impfstoffen fordert die Freigabe der Patente. Dann könnten sie ja mal mit der Freigabe der Patente des von Indien selbst entwickelten Impfstoffs Covaxin anfangen. Bisher wird der nur in Indien produziert. Warum nicht auch in Afrika oder Südamerika?

  • Wir wird dann noch 20 Jahre Arbeit und Milliarden für Produktentwicklung investieren?

    Viel Vergnügen in einer Welt ohne Pharmaforschung!