PKK-Gründer Abdullah Öcalan: Der Kult um den Ex-Terrorchef
Abdullah Öcalan ist kurdischer Volksheld und türkischer Staatsfeind. Seit 19 Jahren sitzt er wegen Hochverrat auf der Gefängnisinsel Imrali in Haft.
W uschige Brauen, dunkler Schnauzbart, das nicht mehr ganz so volle Haar an den Schläfen ergraut. Hasenzähne blitzen freundlich hervor, Lachfalten um die Augen lassen den Blick liebenswert erscheinen. Der Mann könnte der etwas bärige, aber sensible Onkel eines jeden Menschen mit Wurzeln in Anatolien sein. Einer, der einem bodenständigen Job nachgeht, bei dem er seine kräftigen Hände braucht, und in seiner Freizeit Gedichte von Pablo Neruda liest und Olivenbäume in Ölfarben malt.
Abdullah Öcalan, PKK-Mitbegründer, Ex-Terrorchef, kurdischer Volksheld und türkischer Staatsfeind seit 1984. So weit, so Wikipedia. Doch wer ist dieser Mann, der seit 19 Jahren wegen Hochverrats auf der Gefängnisinsel Imrali in Haft sitzt und das Herz kurdischer Frauen und Männer höher schlagen lässt?
Geboren 1949 in Şanlıurfa als Sprössling einer anatolischen Bauernfamilie, hat er laut eigenen Angaben eine turkmenische Mutter und einen kurdischen Vater. Wie viele andere Grundschulkinder, die in der Peripherie des Landes aufwachsen, läuft klein Apo täglich stundenlang zur Schule und ist ein fleißiger Schüler.
Bis in seine frühen Zwanziger flirtet er mit dem Lifestyle eines frommen Muslims, doch mit dem Politikstudium in Ankara packt ihn die Stimmung des revolutionären Aufbruchs. Als frischgebackener Linksrevoluzzer protestiert er 1972 gegen die Verhaftung des Studentenführers Deniz Gezmiş und wird festgenommen – der Beginn einer langjährigen On-Off-Beziehung mit dem türkischen Geheimdienst (MIT).
PKK-Gründung im Jahr 1978
Gerüchten türkisch-nationalistischer Internetforen zufolge wusste der weitsichtige MIT schon damals sofort: Dieser Kurde wird unbequem. Doch der Staat ignoriert die Warnungen. Öcalan radikalisiert sich in den kommenden Jahren, gründet 1978 mit anderen gewaltbereiten Hardcoresozen wie Kemal Pir (Märtyrer durch Todesfasten im Knast), Cemil Bayık (Deckname Cuma, aktuell Staatsfeind Nummer zwei) und Şahin Dönmez (Dissident, 1990 intern hingerichtet) die Partiya Karkerên Kurdistanê (PKK). Nach dem Militärputsch 1980 setzt sich „Serok“ (Führer), wie ihn seine Anhänger nennen, nach Syrien ab und organisiert unter dem Schutz des Assad-Clans den Guerillakampf, der Öffentlichkeit seither als „Kurdenkonflikt“ bekannt.
Der 21. März ist der Tag des kurdischen Neujahrsfestes Newroz. Die KurdInnen begreifen ihn als Symbol ihres Kampfes um Selbstbestimmung. Zu diesem gehört der Versuch, im Norden Syriens eine Autonomieregierung aufzubauen – viele Linke setzten große Hoffnungen in das Projekt „Rojava“. Doch jetzt ist die Türkei gemeinsam mit dschihadistischen Gruppen in die Offensive gegangen. Am diesjährigen Newroz-Tag eskaliert der mit deutschen Waffen geführte Krieg in Afrin, der Westen lässt es geschehen. Die taz spürt zu Newroz mit einem Dossier der Lage der KurdInnen nach. Hier die Artikel im Überblick.
Die Hybris ist eine wichtige Eigenschaft für autoritäre Führer. Der Kult um seinen Namen – Kurdistans Wohnzimmer sind geschmückt mit seinem Konterfei – mag Öcalans Megalomanie, den Befreiungskampf selbst aus der Isolationshaft über seine Anwälte zu befehligen, einen Schubs gegeben haben.
Nach diversen Verhandlungen mit der türkischen Regierung – besonders gut liefen diese unter Recep Tayyip Erdoğan – durfte in den Jahren 2013 bis 2015 zu Newroz in der kurdischen Hochburg Diyarbakir mit freundlicher Genehmigung der AKP Öcalans Friedensbotschaft verlesen werden. Für einen kurzen Moment schien die kurdische Emanzipation voranzukommen. Kurz darauf kippt die Stimmung aber, beidseitig wird die Waffenruhe beendet, es gibt Kämpfe in Cizre.
Kurden – Zwischen den Fronten
Es ist kein Geheimnis, dass die AKP-Regierung mit Öcalan versuchte, Druck auf die linke Oppositionspartei HDP auszuüben. Die Zerschlagung der prokurdischen HDP könnte Öcalan zum großen Comeback verhelfen.
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