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Outfit bei GrammysAre you ok?

Donata Künßberg
Kommentar von Donata Künßberg

Bianca Censori, Ehefrau des Rappers Kanye West, sorgte mit einem Outfit für Aufregung. Ist sie einfach selbstbestimmt – oder Opfer von Misshandlung?

Schon Cher hat „Naked Illusion“-Outfits getragen. Ihr Designer Bob Mackie hat sie allerdings nie so hilflos aussehen lassen Foto: Jordan Strauss/Invision/ap/dpa

Z ieh eine Feinstrumpfhose an, keine Unterwäsche, ein transparentes Top, High Heels, das war’s. Ungefähr so wenig hat Bianca Censori regelmäßig an, wenn sie in der Öffentlichkeit fotografiert wird. Was sie trägt, kann nur als Referenz an Kleidung verstanden werden, es schützt sie weder vor Blicken noch Kälte. Manchmal liegt ein Netz oder Schleier über ihr und es klebt etwas Tape auf ihrer Brust oder zwischen ihren Beinen. Sie ist oft so nackt, dass Aufnahmen von ihr verpixelt und zensiert veröffentlicht werden.

Die australische Architektin Bianca Censori spricht nicht öffentlich, obwohl sie nach rund drei Jahren als Muse und Ehefrau eines hyperprominenten Milliardärs selbst eine sogenannte öffentliche Figur ist. Sie erklärt ihre Nacktheit nie zum Ausdruck von Freiheit. Dadurch fehlt uns nicht nur der Zugang zu ihrer Intention. Es fehlt das beruhigende Gefühl, es mit einer selbstbestimmten Frau zu tun zu haben.

Aus Censoris Anblick versucht ein fremd gebliebenes Publikum ihre Lebenssituation zu entschlüsseln. Die Bildinterpretation ist ohne Alternativen. Bei den Grammys am Sonntagabend in Los Angeles stellten sie und ihr Partner, Hitler-Sympathisant, Antisemit, Rapper und Lizenzgeschäftemacher Ye, vormals Kanye West, das Cover seines jüngsten Albums nach: Sie steht mit dem Rücken zu uns, erst in einem gewaltigen schwarzen Pelzmantel, den sie dann fallen lässt. Die Kleidung darunter ist nur an den Nahtstellen zu erahnen. Sie wirkt völlig nackt. Er steht etwas weiter weg, aber auf uns gerichtet, verpackt in schwarze Kleidung, Sonnenbrille. Wir sehen zu ihr, er sieht zu uns. Es wirkt, als wolle er uns dabei ansehen, wie wir seine Frau ansehen. Voyeuristisch begaffen.

Außerhalb designierter Sphären (Aktzeichnenkurs, FKK) bedeutet zur Schau gestellte Nacktheit noch immer entweder Provokation (femen, Cher), Gleichgültigkeit gegenüber Konventionen (Kunst, Drogenrausch, Kinder) oder sie zeigt an, dass etwas nicht stimmt. Wenn Censori mit geweiteten Augen einen halben Schritt hinter ihrem Partner über den roten Teppich läuft, wenn sie am Flughafen zum Gate geht, wenn sie ein Restaurant verlässt: ständig ist sie die Nackteste unter Angezogenen. Das Internet macht sich Sorgen: „Girl, are you ok?“ „Blink twice if you need help.“

Frühere Partnerinnen von Ye benennen seine Kontrollsucht: Er habe all ihre Kleidung wegbringen lassen, weil ihm nichts gefallen habe, erzählte seine Ex-Frau Kim Kardashian. Sie sei nur eine Puppe gewesen, sagte Schauspielerin Julia Fox. Censori sagt gar nichts, das Publikum bleibt mit der Sorge um sie allein und versteigt sich in Deutungen des Bildes der nackten Frau.

Bilder der Frau, wie sie auf einem Boot in Venedig sexuelle Handlungen an ihrem Partner vorzunehmen scheint. Bilder, auf denen sie sich mit einer kleinen Handtasche vor den Kameras etwas zu bedecken versucht. Man kann nur hoffen, dass all das stinklangweiliges, aber konsensuelles Marketingkalkül ist, weil Kanye West wieder eine neue skelettale Badelatsche oder einen ungewöhnlichen Gummistiefel auf den Markt zu bringen plant. Denn sonst sähen wir schlicht der Misshandlung einer Frau zu, deren Anblick sich langsam normalisiert.

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Donata Künßberg
Online Redakteurin Verlag
taz Adels-Expertin und Social Media Redakteurin des Verlags. Brave Zwillingsschwester von Donata Kindesperk.
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16 Kommentare

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  • Vielleicht könnte der Veranstalter darauf drignen "angezogen" zu erscheinen und zu bleiben?



    Vielleicht könnten die Medien darauf verzichten sich darauf zu stürzen?



    Vielleicht könnten wir aufhöhren es toll zu finden, wenn ständig jedwede Erziehung fehlt udn die letzte Anstandhürde genommen wird?



    Vielleicht ist es eher scheinheilig die Frage "öffentlich" zu stellen, ob sie ggf. vorgeführt wird?

    Wir haben mal Regeln des Zusammenlebens aufgestellt, die ein solches Verhalten einfach als "unzumutbar" abstempelt.



    Ich weiß nicht, wie man auf die Idee kommen kann, seine(n) Partner(in) darin zu bestärken, einen solchen Auftritt hinzulegen?

    Die Frau könnte damit nicht von ihrem Mann vorgeführt werden, wir müssten nicht ungefragt zuschauen und im schlimmsten Fall können die beiden ja die Branche wechseln"?

  • "Sein Vermögen wurde 2020 von Bloomberg auf über drei Milliarden US-Dollar und von Forbes auf 1,8 Milliarden US-Dollar ..."

    "Im Jahr 2025 wird ihr Nettovermögen auf rund 2 Millionen US-Dollar geschätzt, das hauptsächlich aus ihrer Arbeit mit YEEZY und anderen Designprojekten stammt."

    Vielleicht steht im Ehevertrag der beiden bezüglich ihrer Bekleidung etwas.(Wer es noch nicht weiß,YEEZY ist ein Unternehmen von Kanye West,sodass hier evtl. gewisse Abhängigkeiten bestehen.)



    Grundsätzlich denke ich,dass "wir bürgerlichen" Menschen vielleicht auch manchmal unterschätzen,was andere Menschen bereit sind dafür zu tun,in den Medien präsent zu sein,Aufmerksamkeit zu erregen und beachtet zu werden.Sei es in positiver oder negativer Hinsicht.(Interessant finde ich in dem Zusammenhang auch "15 minutes of fame („15 Minuten Ruhm“) ist ein Ausdruck, der von dem US-amerikanischen Künstler Andy Warhol geprägt wurde."Quelle Wikipedia)



    Außerdem sind es Frauen gewohnt,dass die Zurschaustellung und Verfügbarkeit ihres Körpers honoriert wird.Warum das so ist,weiß ich nicht;das hat mich schon immer gewundert,weil es für mich so normal/gewöhnlich ist.(Ich werde seit Geburt weiblich gelesen.)

    • @*Sabine*:

      "Außerdem sind es Frauen gewohnt,dass die Zurschaustellung und Verfügbarkeit ihres Körpers honoriert wird." ???

      Wo leben Sie? Man kann das ganze Leben sehr gut auskommen, ohne sich zu verkaufen!!!

      • @Ansu:

        "Wo leben Sie?"

        In Deutschland.

        "Man kann das ganze Leben sehr gut auskommen, ohne sich zu verkaufen!!!"

        Ich verstehe Ihren Einwand nicht. Vielleicht liegt ein Missverständnis vor? Ich möchte hier keine Synonyme für "honorieren" aufführen, da mein Kommentar dann zu lang würde.

        Jedenfalls interessiert es mich enorm, wie Sie es geschafft haben, dass Ihr Körper, sofern Sie eine weiblich gelesene Person sind (männlich gelesene Personen lasse ich der Einfachheit halber im Moment weg), niemals "honoriert" wird/wurde. Meiner Meinung nach ist das etwas, dessen "man" ausgesetzt ist, mit und/oder ohne eigenes Zutun.

        • @*Sabine*:

          Vielleicht ein Mißverständnis: "Außerdem sind es Frauen gewohnt,dass die Zurschaustellung und Verfügbarkeit ihres Körpers honoriert wird."



          Da sage ich einfach nein!



          Das ist eine Reduktion auf reine Körperlichkeit, ohne Persönlichkeit oder Intellekt! Was heißt Verfügbarkeit? Weil ich (angezogen ;-)) auf dem roten Teppich stehe, ist mein Körper nicht verfügbar? Ohne ihn kommt mein Kopf etc. halt niergends hin?



          Honorieren = Honorar > Bezahlung...No!



          Wenn Sie fragen, ob ich Blicke auf mich gezogen habe? Ja. Ob ich Komplimente bekommen habe: Ja.



          Ob es charmante u. intelligente Gespräche gab: Ja.



          Ich finde es auch nicht schmlimm, wenn man die Blicke auf sich zieht und vor allem, wenn man nicht zu weit schauen lässt. Kommt ja darauf an, was man damit anfängt oder eben auch nicht.



          Nie aber hätte es eine solche Szene gegeben. Der Verlust des eigenen Jobs als auch der des Partners sowie Imageverlust wäre die Folge gewesen?



          Ich wüsste auch nicht, was man damit bewirken möchte bzw. warum man sich so verhalten muss/sollte?

  • Habe den Namen Bianca Censori gerade zum ersten mal gelesen. Bei "Ye" war das wegen seiner Ausflüge ins Politische nicht möglich. Wäre es doch bloß anders... Ignorance IS bliss!

  • Die dritte Erklärung wäre, dass die Auftritte was mit Sex und/oder Fetisch zu tun haben.



    Von mir aus können alle Menschen nackt rumlaufen. Das interessiert mich, wenn überhaupt, nur kurz bis gar nicht. Aber ungefragt immer wieder Protagonist von nem „Sexfilm“ zu sein, den die vermutlich in der Öffentlichkeit abziehen, ist mir manchmal irgendwie unangenehm. Und die beiden machen’s ja so, dass man sich dem nicht immer entziehen kann. Ich würde's jetzt nicht verbieten wollen, aber unangenehm finde ich’s trotzdem. Aber wenn sie es brauchen…

  • Wenn die Frau selbstbestimmt ist, tut sie aber wirklich alles dafür, als gehirngewaschenes Missbrauchsopfer und stummes Sexspielzeug von Kanye rüberzukommen.

    Im übrigen kann man auch ganz selbstbestimmt Scheiße bauen.

  • Superreiche schaden der Welt. Ob angezogen oder fast nackt.



    Zuviel CO2 Emissionen, sinnloser Überkonsum, keine moralischen Werte. Und Interesse für die normale Gesellschaft? Ha.

  • Ja wie? Is doch keine eine Frage mehr! Gell

    Jedenfalls für unser aller le petit cheflereporter



    Peter vande 🌑fahrt! Gellewelle



    “Kolumne Die eine Frage



    Es gibt ein richtiges Leben: deines



    Peter Unfried



    Kolumne Die eine Frage







    taz.de/Kolumne-Die...Frage/!5242762/Was macht Kim Kardashian, den US-Reality-Star, so großartig, was können Adorno-Leser von ihr lernen? Kleiner Tipp: Es ist kein Körperteil.“



    Hier irrt der Autor - nach allermeister Meinung.



    …anschließe mich



    & er



    Von Kim Kardashian kann man lernen: Es gibt kein richtiges Leben, außer dem Leben, das wir führen. Führen wir es richtig, also konsistent, besteht sogar die Chance, auf das große Falsche einzuwirken. Oder trotzdem viel davon zu haben. Führen wir es mit Adorno im Nacken, geht gar nichts. Dann kriegen wir weder das Shoppen richtig hin noch die sozialökologische Transformation (damit das auch gesagt ist). Dann ist unser einziger Trost, dass wir nicht so schlimm wie andere sind.

    Nicht das Kim-Kardashian-Leben ist das Falsche, sondern das Leben als Kim-Kardashian-Hasser. Oder Prenzlauer-Berg-Hasser. Oder CSU-Hasser.

    Es führt zu nichts. Es holt nur das Schlechteste aus uns heraus.“

    Ach was! Loriot

  • Vielleich sollten sie demnächst noch ein halb verhungertes Kind aus Afrika mit auf die Bühne bringen, und dann behaupten, sie wollten die Welt retten. Ziemlich strange das Paar!

  • Dass in den USA jede Menge Menschen nicht alle Tassen im Schrank haben, sieht man am Wahlergebnis. Ist das jetzt eine Steigerung des Wahnsinns? Eher nicht. Es ist das, was die Amis sind und es muss einem nicht gefallen, also wende ich mich ab und kümmere mich um unseren Hund.

  • Sex Sell! Das ist die einfache Komponente bei all dem. Neu ist seit einigen Jahren allerdings, dass Frauen - mal freiwillig, mal nicht - behaupten, gerade dieser Exhibitionismus stände auch noch gerade für Feminismus. Ich habe nichts dagegen, dass Frauen feminin sind und auch sein wollen. Es sollte natürlich kein Rollenschema für alle sein. Aber wenn es um Dinge wie Pop oder Film geht, reden wir von nichts anderem als kommerzielle Auswertung des Körpers. Da hoffe ich zumindest stark, dass es freiwillig gemeint ist.



    Da an der unterkomplexen Musik in der Regel nichts originelles oder spannendes ist, verkauft man halt das Outfit. Sollen sie machen, soviel Freiheit muss sein. Zwang geht natürlich gar nicht.

    • @Jalella:

      Es mag ja sein, dass Kayne West zu solchen "Hilfsmitteln" greifen muss, um "im Gespräch" zu bleiben, wenn seine Musik nichts taugt.

      Wobei es eigentlich an der Zeit wäre, ihn in die Geschlossene einzuweisen. Normal ist der nicht, wohl nie gewesen.

      Aber Bianca Censori ist Architektin. Warum hat sie so etwas nötig, sich so zu benutzen und erniedrigen zu lassen?

      • @ PeWi:

        „(…) wenn seine Musik nichts taugt.“

        Tut sie aber. Man kann über Kanye West sagen was man will, aber der Mann gehört zu den Besten seiner Branche.

  • Kayne West, was für ein Trumpscher Kotzbrocken mit psychopathologischen Verwirrungen.