Oper „Nixon in China“ in Hannover: Trottel wie wir
Die Staatsoper Hannover inszeniert John Adams’ „Nixon in China“. Das Geschichtsbücherseiten füllende Personal kommt dabei ziemlich schlecht weg.
Man könnte von den ersten Malen sprechen: „Nixon in China“, erstmals aufgeführt 1987, war die erste Oper eines heute weltbekannten Komponisten – noch dazu eines bekennenden Verschmähers, ja: Hassers der Gattung, das erzählt John Adams zumindest manchmal; heute freilich stellen seine Stücke einen beträchtlichen Anteil an den überhaupt in den USA aufgeführten Opern. Innerhalb seines Werkkorpus war es notwendigerweise auch das erste Mal, dass er einen aus den Nachrichten bekannten Stoff verarbeitete. Folgen sollte etwa 1991 „The Death of Klinghoffer“ über einen antisemitischen Terrorakt.
Es war die Interpreten zufolge erste Oper, geschrieben „für ein Publikum, das im Fernsehzeitalter aufwuchs“. Anderen Stimmen nach war „Nixon …“ das erste Musiktheaterstück, das von noch lebenden, realen Personen handelte, im Unterschied zu toten Monarchen oder gleich göttlichem Personal. Und auch die Inspiration stiftende Handlung war ja ein gern als „historisch“ bezeichnetes erstes Mal gewesen: der Staatsbesuch des konservativen US-Präsidenten Richard Nixon in der Volksrepublik China im Jahr 1972. Von einem Moment so einzigartig „wie die Mondlandung“ soll Nixon selbst gesprochen haben. Außenpolitische Erfolgsbilder brauchte der Mann da aber auch dringend.
Erklären solche Hinweise die Popularität des nicht arg erfolgreich gestarteten Stücks? Die Inszenierung in Hannover ist allein in Deutschland nur eine von mehreren in diesem Jahr: Es gab eine in Dortmund, in Koblenz wurde das Stück gar in einer Mehrzweckarena aufgeführt; Anfang 2024 steht es in Stuttgart wieder auf dem Spielplan, in rund einem Jahr in Berlin. Auch in Paris und Madrid kam es im Frühjahr auf die Bühnen.
Adams, Jahrgang 1947 und allgemein unter die großen Vier der Minimal Music gezählt, spricht von einer „heroischen Oper“ – was sich aber nicht erst als trügerisch herausstellt, wenn man ihn mal darüber reden hört, dass der echte Nixon Leute wie ihn ja nach Vietnam schicken wollte. Nein, es ist einfach wenig Heldenhaftes zu sehen auf der Bühne: Die großen, Geschichtsbücherseiten füllenden Figuren – Nixon (Mark Stone), Mao (Daniel Norman), Kissinger (Michael Kupfer-Radecky) – kommen als ziemliche Trottel daher.
Weitere Vorstellungen: 22., 25. + 28. 6.; 2., 5. + 7. 7., Staatsoper Hannover
Das Heroische tritt hier vor allem als Fassade auf, den Gesetzmäßigkeiten des (noch geradezu unschuldig wirkenden) Zeitalters der elektronischen Massenmedien folgend: „Just now, the world was listening“, das ist eine von Nixons ersten Zeilen, noch bei der Ankunft in Peking.
„Die Inszenierung hat wenig zu tun mit der Realität des Staatsbesuchs 1972“, lässt nun Regisseur Daniel Kramer im Programmheft wissen. „Mein Interesse als Regisseur ist es, den heutigen Kontext, die Bezüge zu unserer heutigen Realität zu suchen.“
Erst mal setzen Bühne (Lizzie Clachan) und Kostüm (Esther Bialas) aber sehr wohl darauf, alte Bilder in Erinnerung zu rufen – denn das ist ja auch so ein Effekt von Stoff und Alter des Stücks: Es können im Publikum noch Menschen sitzen, die all das demonstrative Händeschütteln damals gesehen haben. Das giftige Grün, das das Produktionsdesign dominiert, verweist just auf 1972: Da wurde der Farbton festgelegt, der bis heute für den Greenscreen genutzt wird – eine Möglichkeit, ganze Weltreisen im TV-Studio zu behaupten.
Ein Weg aus der sachte drohenden Retrofalle? Ausdrücklich anzuspielen aufs heutige, immer noch komplizierte Verhältnis zwischen Washington und Peking (und, im Hintergrund, auch Russland beziehungsweise der Sowjetunion). Zumal bei einem respektlos bis clownesk angelegten US-Präsidenten als Hauptfigur muss post 2016 die Versuchung groß sein, irgendwas mit Trump reinzurühren. Beides geschieht nicht – zum Glück.
Am Ende ist das Stück (Libretto: Alice Goodman) keine politische Analyse, auch wenn wir danach nie wieder solche Erörterungen über den wahren Marxismus oder das Links-Rechts-Schema vorgesungen bekommen haben dürften. So wie Adams’ Musik die reine Minimalismus-Lehre aufweicht in mehrere Richtungen – neben beinahe wagnereskem Dröhnen auch zum Jazz etwa –, so gerät die Weltpolitik zunehmend zum Klamauk, grundiert von ganz privater Befindlichkeit.
Kommt man historisch belehrt aus diesen ereignisreichen, auch lauten, überzeugenden knapp drei Stunden? Hat man etwas gelernt übers Politische an sich? Nur vielleicht – aber das ist kein Nachteil.
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