Olaf Scholz zu Besuch in Moskau: Zeichen der Entspannung?
Die Lage an der russisch-ukrainischen Grenze sei nicht aussichtslos, sagte Kanzler Scholz am Dienstag im Kreml. Auch Putin möchte „keinen Krieg“.
Der nächste Besucher aus Europa, der herausfinden will, was der Kreml vorhat mit seinen Truppen. Die Türen dafür, da wird Moskau gar nicht müde, es zu betonen, sie stünden stets weit offen – für einen „Dialog auf Augenhöhe“. „Die diplomatischen Möglichkeiten sind bei Weitem nicht ausgeschöpft“, sagt Scholz bei der Pressekonferenz nach knapp drei Stunden Gespräch. Er greift damit die Aussage des russischen Außenministers Sergei Lawrow bei seinem Treffen mit Putin am Tag zuvor auf.
Russland will gehört werden, will wertgeschätzt werden in der Welt – und reagiert aggressiv, weil es nicht genug Respekt bekommt von seinen „westlichen Partnern“. Sich diesen Respekt verschaffen, indem die russische Führung Angst schürt, ist eine alte sowjetische Formel. Die Truppen stünden schließlich auf eigenem Territorium, es fänden Übungen statt, Russland bedrohe niemanden, es sei der Westen, der in eine „Massenpsychose“ verfalle und „Hysterie“ verbreite. Ein Narrativ, das sich in Russland seit Monaten hält. „Informationsterrorismus“, nennt es Lawrow.
Scholz macht eine müde Figur neben Putin. Er verweist nochmals darauf, dass der Westen den Truppenaufmarsch an der russisch-ukrainischen Grenze als Bedrohung sehe und besorgt sei. Einen vernünftigen Grund für diese Aufstellung sehe er nicht. Putin spricht derweil von „Völkermord“ im Donbass. „Wir wollen keinen Krieg und sind ebenso besorgt wie Sie“, meint er und betont die „Schlüsselpunkte“ der von Russland geforderten Sicherheitsgarantien. Scholz nennt die Lage „nicht aussichtslos“.
Während Putin seinen Gast aus Deutschland an einen mindestens sechs Meter langen Tisch im Kreml bat, wie bereits den französischen Präsidenten Emmanuel Macron einige Tage zuvor, traf sich Lawrow in seinem Gästehaus im Zentrum Moskaus derweil mit seinem polnischen Amtskollegen Zbigniew Rau, der in seiner Funktion als OSZE-Vorsitzender zur selben Zeit wie Scholz in Moskau war. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz sagte Lawrow einen bemerkenswerten Satz: „Wenn sie ernsthaft bedrängt werden, geben sie positive Antworten darauf, was sie lange Zeit abgelehnt haben.“ „Sie“, das sind die Amerikaner, die Europäer, das ist der Westen.
Russland beharrt auf Ende der Osterweiterung
Lawrows Satz ist das Eingeständnis der russischen Eskalationspolitik, um den Westen an den Verhandlungstisch zu zwingen und für die russischen Belange so viel herauszuholen wie nur möglich. Moskau wusste von Anfang an, dass die Sicherheitsgarantien, die es den USA und der Nato abpressen will, in dieser Form unvereinbar sind mit den Grundsätzen der Politik der offenen Türen der Nato. Dennoch beharrt Russland darauf, dass die Nato ihre Osterweiterung stoppt, die Waffen zurückzieht und letztlich die Lage wieder wie im Jahr 1997 herstellt.
Die Sicherheit eines Landes dürfe die Sicherheit eines anderen Landes nicht beschädigen, sagt Lawrow immer wieder und betont, sollte die Ukraine in die Nato aufgenommen werden, sei die Sicherheit Russlands eben dahin. Für Kiew aber, das sagte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski beim Besuch von Scholz einen Tag zuvor, sei der Nato-Beitritt ein ferner Traum. In der ukrainischen Verfassung sei dieser zwar fest verankert, doch über den Beitritt entscheide nicht die Ukraine, so Selenski in Kiew.
Derweil übt sich Moskau in einer Art Entspannungspolitik. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums sind die Soldaten im Westen und Süden des Landes in ihre Heimatgarnisonen zurückbeordert worden. Die Übungen seien vorbei, mit dem Verladen der Militärtechnik sei begonnen worden, sagte ein Sprecher am Dienstag. Um wie viele Soldaten es sich handelt, erklärte er nicht. „Russland wird nach Plan handeln“, sagt Putin später im Katharinensaal des Kremls. Wie dieser Plan aussieht, konnte ihm auch Scholz nicht entlocken.
Putin wird entscheiden
Einige Stunden vor dem gemeinsamen Auftritt des Kanzlers und des Präsidenten hat die russische Staatsduma für eine Vorlage gestimmt, die abtrünnigen Separatistengebiete Donezk und Luhansk anzuerkennen. Das ukrainische Außenministerium verwies im Vorfeld darauf, dass eine Anerkennung gegen die Minsker Vereinbarungen spreche. Der Kreml teilte mit, die Entscheidung der Duma spiegele den Willen der Mehrheit des russischen Volkes wider. Putin werde entscheiden.
Die Anerkennung würde Moskau, ähnlich wie auf der Krim, die Möglichkeit verschaffen, doch in der Ukraine einzugreifen mit der Begründung, man rette das eigene Volk. Im Donbass verteilt Russland seit Jahren russische Pässe. „Die Geschichte ist noch nicht zu Ende“, sagte bereits Lawrow bei seinem Treffen mit Rau.
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