Frankreichs Präsident Macron in Moskau: Dialog ohne Zugeständnisse
Mehr als fünf Stunden spricht Macron mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin über die Ukraine. Zu sagen haben sie lediglich Bekanntes.
Mehr als fünf Stunden „sinnvoller und nützlicher Gespräche“ in „geschäftlicher Atmosphäre“ haben sie hinter sich. Gespräche, die beide als Meinungsaustausch bezeichnen. Macron spricht dabei von „fundamentalen Unstimmigkeiten, aber auch einigen Übereinstimmungen“. Putin lobt den „Dialog“, zu Zugeständnissen aber ist er nicht bereit.
Im Fokus der engen Kontakte – Macron und Putin hatten vor ihrem Treffen drei Mal innerhalb einer Woche telefoniert – steht die Deeskalation der Ukrainekrise. Russland hat nach Erkenntnissen von westlichen Geheimdiensten und anhand von Satellitenbildern rund 70 Prozent seiner Streitkräfte an der russisch-ukrainischen Grenze zusammengezogen. Der Nato und den Amerikanern wirft Moskau vor, die Ukraine mit Waffen „vollzustopfen“ und Russlands Sorgen um seine Sicherheit zu ignorieren. „Ihr hört uns nicht, aber ich kann das nochmals erklären“, sagt Putin im Verlauf der nächtlichen Pressekonferenz mehrmals.
Frankreich hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. Macron nutzt diese Gelegenheit, um die europäische Diplomatie energisch voranzutreiben. Er wagt den Spagat, Verständnis für die russischen Sorgen und „die Traumata dieser großen Nation“ zu zeigen, Moskau aber auch unmissverständlich die Grundprinzipien des Westens zu erklären.
Einziger gemeinsamer Nenner
Der einzige gemeinsame Nenner, auf den sich die Präsidenten offenbar einigen können, ist die Fortsetzung der Gespräche, in Absprache mit der Ukraine. „Die nächsten Tage sind entscheidend“, sagte Macron. Der 44-Jährige trifft an diesem Dienstag den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski. Sicherheit in Europa gebe es nur, wenn sich auch Russland sicher fühle, sagt Macron im Kreml-Saal. Allerdings: Das in den vergangenen Jahrzehnten Erreichte dürfe nicht missachtet werden.
Putin zeigt sich fest und unbeweglich in den drei Punkten der von der Nato und den USA eingeforderten Sicherheitsgarantien: der Verzicht auf eine weitere Osterweiterung der Nato, die Begrenzung der Stationierung von Raketen und den Rückzug der Nato-Truppen auf ihre Positionen wie im Jahr 1997 (vor dem Beitritt der osteuropäischen Länder).
„Das sind unsere zentralen Anliegen“, so Putin. Minutenlang wiederholt er immer wieder die bekannten Positionen Russlands in dieser Frage. In den russischen Dokumenten sehe er keinen Punkt, der nicht zu erfüllen sei. Für Brüssel und Washington dürfte diese Aussage ein Affront sein.
Erneut spricht der russische Präsident der Krim eine entscheidende Rolle zu. Für Russland ist die Halbinsel „russisches Territorium, die Frage ist abgeschlossen“. Die Ukraine würde die Krim – die sie wie auch der Westen als von Russland annektiert betrachtet – auch mit militärischen Mitteln zurückerobern.
Wenn Kiew aber in der Nato sei, müsste Russland somit Krieg mit der Nato führen. Diese Ausführungen breitete Putin bereits bei seinem Treffen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban vor einer Woche aus. Wie ein neuer Leitspruch kommen sie daher. „Wollen Sie mit Russland kämpfen“, fragt Putin und schaut die französischen Journalist*innen im Kreml scharf an. „So wird es kommen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!