Olaf Scholz’ Rede zur Corona-Lage: Kein Mut, kein Aufbruch
Mit einer geschäftsmäßig abgespulten Rede präsentiert sich Olaf Scholz im Bundestag als künftiger Kanzler. Aufbruchstimmung kommt keine auf.
A ch, der ist auch noch da? In den vergangenen Wochen schien die Vorfreude auf das Kanzleramt Olaf Scholz derartig in Beschlag genommen zu haben, dass der Noch-Vizekanzler keine Zeit fand, sich wahrnehmbar mit der Coronapandemie zu beschäftigen.
Nun hat er endlich das Wort ergriffen. Angesichts der galoppierenden Infektionszahlen und der sich zuspitzenden Lage in den Krankenhäusern blieb ihm auch gar nichts anderes mehr übrig. Aber seine geschäftsmäßig runtergespulte Rede im Bundestag am Donnerstag war genauso kraft- und mutlos, wie es der Gesetzentwurf von SPD, Grünen und FDP ist, der die noch bis zum 25. November geltende epidemische Lage von nationaler Tragweite ablösen soll.
Mutig wäre es gewesen, wenn es die potenziellen Ampelkoalitionäre gewagt hätten, klare bundesweit geltende Regeln aufzustellen, in welcher Situation welche Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung ergriffen werden müssen. Denn es ist nicht einsehbar, warum bei gleichen Voraussetzungen in einem Bundesland Schüler:innen eine Maske tragen müssen, im anderen jedoch nicht.
Aber dafür hätten sich SPD, Grüne und FDP untereinander erst mal einig sein müssen, was sie unter welchen Umständen für nötig halten. Doch schon die Frage, ob 2G- oder 3G-Regeln besser sind, entzweit die Ampelparteien. Soll das etwa der von Scholz propagierte „Aufbruch“ sein?
Zur richtigen Zeit das Richtige zu tun
Immer noch ist die deutsche Politik nicht in der Lage, zur richtigen Zeit das Richtige zu tun. Daran haben die Bundestagswahl und die gewandelten Mehrheitsverhältnisse offenkundig nichts geändert. Das Land müsse „winterfest“ gemacht werden, verkündet Scholz.
Das hätte schon längst geschehen müssen. Stattdessen haben die Bundesregierung und die Länderregierungen wertvolle Zeit verschwendet, weil sie die Warnungen der Wissenschaftler:innen nicht ernst genug genommen haben.
Wenn über 80-Jährige, die Anfang des Jahres geimpft wurden, am Niederrhein von ihren Hausärzt:innen einen Termin für ihre Auffrischungsimpfung nicht ein halbes Jahr nach ihrer Zweitimpfung erhalten, sondern erst im Dezember oder gar im Februar nächsten Jahres, dann läuft etwas verdammt schief.
Gefährlich späte Erkenntnis
Es ist zwar erfreulich, wenn sich Scholz nun dafür ausspricht, die Impfzentren wieder flächendeckend zu öffnen. Doch die Erkenntnis, dass sie nötig sind, um möglichst schnell Millionen von Menschen ihre Auffrischungsimpfungen zu ermöglichen, kommt gefährlich spät.
Übrigens: In Frankreich gelten Menschen über 65 aus gutem Grund ab Mitte Dezember nur noch als geimpft, wenn sie eine Boosterimpfung nachweisen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml