Ökoreform der EU-Agrarsubventionen: Özdemir ist Naturschützern zu langsam
Der grüne Agrarminister müsse früher als angekündigt die Subventionen für die Landwirtschaft umverteilen. Das fordert der Umweltverband BUND.
Berlin taz | Umweltschützer fordern von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, die geplanten Regeln für die Verteilung der EU-Agrarsubventionen in Deutschland noch einmal zu ändern. Der Strategieplan, den die Vorgängerregierung beschlossen hat und den der Grünen-Politiker demnächst in Brüssel einreichen will, werde zu wenig Geld zur Verfügung stellen, um Bauern für mehr Naturschutz zu bezahlen, sagte Olaf Bandt, Vorsitzender des Umweltverbands BUND, am Donnerstag bei der Vorstellung des „Kritischen Agrarberichts“. Es sei „bitter“, dass die von den Grünen immer monierte Ausschüttung von Subventionen vor allem nach Flächenbesitz auch unter Özdemir fortgeführt werde. „Das ist nicht zu akzeptieren“, so Bandt.
Der Strategieplan legt fest, wie die jährlich rund 6 Milliarden Euro Subventionen aus Brüssel für die deutsche Landwirtschaft ab 2023 verwendet werden. Ihre Umweltwirkung ist groß, denn die Bauern nutzen die Hälfte der Landfläche und sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben. 13 Prozent der Treibhausgase kommen laut Umweltbundesamt aus der Landwirtschaft.
BUND-Chef Bandt verlangte deshalb von Özdemir, den Strategieplan so anzupassen, dass die Bauern 10 Prozent der Agrarlandschaft aus der Produktion nehmen. Nach dem bisherigen Plan sollen nur 4 Prozent der Ackerflächen brachliegen oder von Landschaftselementen wie Bäumen, Hecken oder Tümpeln besetzt sein müssen, wenn die Landwirte Subventionen erhalten wollen. Dieser Wert sollte Bandt zufolge erhöht werden. Außerdem will er, dass die Landwirte mehr Geld als bisher vorgesehen bekommen, wenn sie im Rahmen einer „Öko-Regelung“ freiwillig weitere naturnahe Flächen zur Verfügung stellen.
Höhere Beträge sollte es laut BUND auch für Ökolandbau und Klimaschutz geben. Der Bonus für den Verzicht auf Pestizide müsse auch bei vergleichsweise intensiv bespritzten Winterkulturen wie Weizen gezahlt werden. Pestizide und Dünger sollten nicht nur in den ersten 5, sondern 10 Meter an Gewässerufern verboten sein. Auch wer weniger Dünger benutzt, soll dafür belohnt werden, so Bandt.
Der Tierschutzbund will eine Tierwohlabgabe auf Fleisch, damit Vieh besser gehalten wird
Er riet der EU-Kommission, den deutschen Strategieplan in seiner jetzigen Form abzulehnen. Dann könnte Özdemir ihn nachbessern. Der Grünen-Politiker hatte zuletzt argumentiert, er habe die Reform nicht blockiert, weil die Bauern Planungssicherheit erwarteten. Die Regeln sollen ja bereits im kommenden Jahr in Kraft treten. Özdemir will die Reform erst 2024 überprüfen und anpassen.
Elisabeth Fresen, Ko-Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, verlangte zudem, dass Özdemir eine Tierwohlabgabe etwa auf Fleisch einführt. Mit den Einnahmen sollen Bauern ihre Tiere artgerechter halten können. 4 Milliarden Euro pro Jahr benötigen die Landwirte für den Umbau der Tierhaltung, sagte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, auf einer anderen Pressekonferenz.
Der Chef des Tierschutzbundes, Thomas Schröder, forderte Özdemir auf, zunächst spezielle Regeln für die Haltung zum Beispiel von Rindern, Puten, Schafe und Wassergeflügel zu erlassen. Dann sei eine staatliche, verpflichtende Kennzeichnung beispielsweise von Fleisch nötig, die zeigt, wie ein Tier gehalten worden ist.
Leser*innenkommentare
Gabriel Renoir
Ob man jetzt gleich vegan leben muss? Zwei Drittel der Männer (67 %) und die Hälfte der Frauen (53 %) in Deutschland sind übergewichtig. Da könnte man denn Verbrauch schon erheblich zurückfahren. Schmeckt vegan jedem? Dann das Problem mit den essentiellen Aminosäuren bei den Kindern. Weniger Fleisch ok, aber muss jetzt jede Wiese zu Wald werden? Es gibt nun mal steile oder steinige Lagen, wo nur Wiesen wachsen und wer frissst das? Bestimmt nicht die Hühner und die Menschen.
Moonlight
Der Markt würde sich von alleine regeln wenn er dürfte.
Einfach mit den bisherigen Subventionen aufhören und gezielt kleine Betriebe stärker fördern als die Industrie.
Es gibt in den großen Betrieben Überproduktionen, die sich nur wegen der Subventionen und Vermarktung in der dritten Welt überhaupt noch lohnen.
Dort vernichten die Billigstpreise für Gemüse und Fleisch die lokalen Anbieter.
Hier ist im Gegenzug der Preis für Bioprodukte so pervers überhöht, das 5kg Biolende im Handel dem Wert eines ganzen 120kg Bio Schwein entsprechen.
Schauen wir mal was der grüne Minister daran ändert.
Gruß vom Mondlicht
Günter Witte
Genau das ist die Lösung !! 10% der Fläche stilllegen, höhere Anforderungen an die Tierhaltung ( Stallneubauten ), geringerer Ertrag ( weniger Düngen, weniger Pflanzenschutz ) bei steigenden Kosten ( Energie, Mehrwertsteuer Kürzung ) aber wenn die Verbraucherpreise steigen geht das Abendland unter. Also müssen die Landwirte die ganzen Kosten tragen um dann mit ein paar Almosen mehr aus der EU Kasse abgespeist zu werden. Solange sich unsere Politiker von Tierschutz- und Umweltverbänden den Weg diktieren lassen, sind die Landwirte die Verlierer.
Rudolf Fissner
Der Rückgang an Brachflächen ist eine direkte Folge der Politik der Energiewende.
Der NABU schreibt: "Viele Landwirte schaffen sich durch den Anbau von Energiepflanzen wie Mais ein zweites Standbein. Da sie seit 2008 nicht mehr gesetzlich verpflichtet sind zehn Prozent ihrer Fläche stillzulegen, nutzen sie dazu nun unter anderem diese Brachen. Die Folge: Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes halbierte sich der Anteil der Brachen innerhalb nur eines Jahres." www.nabu.de/natur-...sterben/10366.html
Hinzu kommt, dass in DE 50% des Obsts und Gemüse aus dem Ausland kommen.
Welche Bereiche will man da eingedampft sehen und wie stellt man sich den Umbau vor ohne dass Belastungen der Umwelt einfach nur ins Ausland verlagert werden?
47202 (Profil gelöscht)
Gast
Keine Massentierhaltung, schon gar nicht für den Export!!!!!
Wer Unmengen an Gülle produziert, der sollte eine Sonderabgabe bezahlen, so wie bei gefährlichem Sondermüll.
Ich habe es selbst erlebt, wie einzelne Bauern bereits in den 90er Jahren den ersten Grundwasserleiter in Deutschland versaut haben.
Ist der Dreck, v.a. Industrieabfälle, erstmal im Aquifer, dauert es Jahrzehnte, bis diese Giftstoffe nicht mehr nachweisbar ist.
Uranus
@47202 (Profil gelöscht) Schließe mich da an. Desweiteren sollten Pestizideinsatz massiv eingeschränkt werden. Das Massensterben der Tiere schreitet voran. Mensch denke daran, dass bereits 75 Prozent der Insekten seit Anfang 1980er "verschwunden" sind! Auch andere ganze Tiergruppen wie Säugetiere, Amphibien, Gliedertiere sind bedroht.
47202 (Profil gelöscht)
Gast
@Uranus So ist es. Das Artensterben ist ein Hauptgrund mit der Umweltvergiftung aufzuhören.
Extinction Rebellion haben meinen Respekt.
Warum ist der Mensch so dämlich?
Uranus
@47202 (Profil gelöscht) "Warum ist der Mensch so dämlich?"
Mich ernüchtern Umgang mit Klimakrise, Massensterben und Corona auch zusehends. Mag er bei letzterem sich noch besinnen können, fürchte ich zumindest bezüglich ersteren beiden, dass der Mensch nicht mehr die Zeit haben wird, die systematische Selbstsucht und Dummheiten zu korrigieren.
Ich bin da zwar nicht wirklich ein "Kuba-Fan", muss aufgrund Ihres Namens und des hiesigen Themas an eine sehenswerte Doku denken:
Cuba documentary: The Organic Isle l Organic Farming Cuba I ARTE Documentary
www.youtube.com/watch?v=BEHCRnWUQ_4
47202 (Profil gelöscht)
Gast
@Uranus Ja schöne Doku.
Auch nett: What Cuba can teach America about organic farming
www.youtube.com/watch?v=8MsnXTMC1-E
noevil
Ganz unabhängig von der Frage, welche Anordnungen der neue deutsche Landwirtschaftsminister in Eigenregie erlassen kann, stellt sich mir dabei auch eine vermutlich nicht ganz unerhebliche Frage:
Wieviel politische Flexibilität zeigt das Personal des Ministeriums und nachgeordneter Behörden, um die geänderte Richtung mit- und nach- zu vollziehen?
Wieviel länder-, behördliche oder womöglich persönlich (nach Ermessen) dienstliche Entscheidungsfreiheiten könnten eine neue Ausrichtung ausbremsen oder gar blockieren?
Unsere Behörden sind bekanntermaßen in etwa so wendig wie Ozeanriesen in Wendemanövern.
Gabriel Renoir
@noevil Die Landwirtschaft produziert Lebensmittel und soll die Landschaft mit ihren Tieren schützen. Weltweit steigen die Lebensmittelpreise. Wenn man jetzt das Spritzen einstellt, fällt die Produktion und die Preise steigen weiter. Da muss man die richtige Balance finden.
47202 (Profil gelöscht)
Gast
@Gabriel Renoir Die richtige Balance beim Krebs und beim Artensterben?
Ein bisschen Krebs ist ok, ein paar seltene Arten können ruhig verrecken?
Wenn es keine Bienen mehr gibt, wird`s verdammt eng mit der Nahrungsmittelproduktion.
Das Hauptproblem wird permanent irgnoriert - die Überbevölkerung.
Uranus
@Gabriel Renoir Ein wichtiger Punkt neben der massiven Anhebung der Ökologischen Landwirtschaft ist der Flächenverbrauch von Lebensmitteln und Ernährungsweisen. So bedingt die Erzeugung von Tierprodukten und somit omnivore tierprodukthaltige Ernährungsweise wesentlich mehr Fläche. Mensch kann sowohl Flächenverbrauch als auch Pestizideinsatz durch massive Reduzierung der Tierproduktion erreichen. Eine vegane Landwirtschaft kann auf weniger Fläche (so es nicht Steppe, Alm o.ä. ist) mehr Lebensmittel erzeugen. Angesichts des Ökozids sollte mensch das so schnell wie möglich umsetzen und freiwerdende Flächen renaturieren/in Ruhe lassen. Persönlich kann mensch selbst ein Zeichen setzen, indem mensch vegan lebt und wenn mensch mehr als HartzIV kriegt vegane Bio-Nahrungsmittel kaufen. Vegan ist der beste Tierschutz, da Tiere, die anhand Haltung und Tötung gequält würden, erst gar nicht gezüchtet werden.
Axel Donning
@Gabriel Renoir "Die Landwirtschaft produziert Lebensmittel und soll die Landschaft mit ihren Tieren schützen." Ja, dieser Satz ist richtig - man kann aber noch ergänzen, dass man die "Landschaft mit ihren Tieren" nicht zuletzt unserer selbst willen schützen muss.
shantivanille
Der BUND hat völlig Recht.
Özdemir hat einen sehr veerantwortungsvollen Job da. Hoffentlich kommt er klar damit.
Wie wäre es denn mit dem Ziel, dass in vielleicht 20 Jahren wieder so viel Vögelin Deutschland zu Hause sind wie 1980?
Übrigens: Wunderbar wäre es auch wenn die Kühe in Zukunft wieder Hörner taregn dürften.
SWR: "Warum Kühe Hörner brauchen"
www.swr.de/swr2/wi...020-08-11-102.html
Rudolf Fissner
@shantivanille Möchte der BUND eine Wiedereinsetzung der Brachenregelung, die beim Wegfall 2008 zum Boom der Energiepflanzen führte?
Günter Witte
@shantivanille Sie haben vollkommen recht das Kühe wieder Hörner brauchen, bei der ausufernden Wolfspopulation brauchen sie ihre Hörner um ihr Leben zu verteidigen.
Ria Sauter
Gast
Wenn ein Oberleutnant, noch dazu ein Grüner, Landwirtschaftspolitik machen soll, ja dann....
Bernhard Hellweg
Nahrungsmittel Produktion wird auch vollkommen überbewertet.