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Ökonomen warnen vor RechtsextremismusRechtsextremismus frisst Wohlstand

Robert Misik
Kommentar von Robert Misik

Wirtschaftssorgen stärken Ultrarechte – doch die Ultrarechten schaden auch der Wirtschaft. Das Ergebnis: eine Giftmischung für die Konjunktur.

Rechtsextremismus und Polarisierung sind Gift für die Konjunktur Foto: Sebastian Gollnow/dpa

E ine keineswegs falsche, aber etwas zu simple Diagnose lautet so: Trudelt die Wirtschaft, frisst sich Unsicherheit ins Leben vieler Menschen. Hat die Mittelschicht Abstiegsängste, so wächst der Rechtsextremismus. Weniger gängig, aber ebenso richtig ist: Wächst der Rechtsextremismus, dann geht es auch mit der Wirtschaft bergab.

Zwei Studien machen das sehr deutlich: Harte rechtsextreme Weltbilder verbreiten sich immer mehr in der gesellschaftlichen Mitte, so eine aktuelle Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung. Waren vor einigen Jahren noch 2 bis 3 Prozent der Bevölkerung von autoritären und eth­no­na­tio­na­lis­ti­schen Ansichten befallen, so sind es heute rund 8 Prozent. Und 20 Prozent werden einem Graubereich zugeordnet, der zumindest Teile der Weltbilder der „harten Rechten“ unterstützt.

Heute werden ultrarechte Ansichten selbstbewusst vertreten, nicht nur hierzulande: In den USA etwa hat sich in den höheren Einkommensklassen der Anteil jener, die eine „Militärherrschaft“ für eine gute Sache halten, innerhalb von zwei Jahrzehnten auf 16 Prozent verdreifacht.

Die führenden Wirtschaftsforschungs­institute haben in ihrer Gemeinschafts­prognose dieser Tage nicht nur auf Inflation, eine schmerzhafte Rezession von 0,6 Prozent, Auswirkungen staatlicher Sparpolitik und unklarer Regierungspolitik als Risikofaktoren hingewiesen, sondern auch auf „das gesellschaftliche Klima“.

Klima des Geschreis

Rechtsextremismus und Polarisierung sind Gift für die Konjunktur. In den nächsten Jahren geht die Boomergeneration in Rente, und die Medizin sorgt für steigende Lebenserwartung. Um das Verhältnis der arbeitenden zu den Rentnerkohorten stabil zu halten, bräuchte Europa 2050 1,2 Milliarden Einwohner. Das ist völlig unmöglich, doch jede Regierung bräuchte heute eine vernünftige Migrationsstrategie. Die wird aber durch eine xenophobe Stimmung verunmöglicht.

Vernünftige Wirtschaftspolitik verlangt auch: Problemanalyse, ambitionierte Ziele, schlaue Kompromisse. Der sachliche Kompromiss ist im Klima des Geschreis jedoch beinahe unmöglich. Die fossilen Energien werden nie mehr so billig wie früher, massive Investitionen in billige Erneuerbare sind auch ein ökonomischer Imperativ. Aber jeder Regierungsplan gerät sofort in den Strudel wahnhaft ideologischen Haders.

Wer den „Verbrennermotor“ aus dogmatischer Verbohrtheit bewahren will, verteidigt „unsere deutsche Autoindustrie“ nicht – er ruiniert sie. Man wünschte sich auf manchen politischen und medialen Angsterzeugungsprodukten Warnhinweise wie auf Kippenpäckchen: Rechtsextremismus und ideologische Paranoia gefährden Ihren Wohlstand.

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Robert Misik
Geboren 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Ausstellungskurator, Theatermacher, Universaldilettant. taz-Kolumnist am Wochenende ("Der rote Faden"), als loser Autor der taz schon irgendwie ein Urgestein. Schreibt seit 1992 immer wieder für das Blatt. Buchveröffentlichungen wie "Genial dagegen", "Marx für Eilige" usw. Jüngste Veröffentlichungen: "Liebe in Zeiten des Kapitalismus" (2018) und zuletzt "Herrschaft der Niedertracht" (2019). Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2009, Preis der John Maynard Keynes Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2019.
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9 Kommentare

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  • Eine Ursache dafür, dass Menschen überhaupt Rechten auf den Leim gehen könnten, liegt doch in der Tatsache, dass Vermögensverhältnisse und Wohlstand ungleich verteilt sind und es bürgerlichen Politiker nicht gelingt, eine zunehmende Spaltung zu verhindern, insbesondere dort, wo es mit einer 'Wiedervereinigung' Erwartungshaltungen erweckt wurden, die sich nicht erfüllen liessen. Im Gegenteil: Immer weitere Automatisierung hat für einen Teil der Gesellschaft die Arbeitsplatzsituation verändert und damit die Chancen der Teilhabe verschlechtert. Darauf bauen rechte Demagogen auf: 'Globalisten nehmen Euch Eure Existenz' und das lässt sich ja auch nicht leugnen. Gleichzeitig führt die Deprivilegisierung zu geringerer Binnennachfrage, was wiederum den (insbesondere kleineren) Kapitalisten schadet. Dieser Widerspruch lässt sich in diesem System nicht auflösen! Ein Recht auf Arbeit und Teilhabe wird im Kapitalismus nur da eingeräumt, wo es sich für die Couponschneider auch lohnt...

    • @Dietmar Rauter:

      Ich halte diese Argumentation in mehrfacher Hinsicht für problematisch. Zum Einen weil sie die AfD-Wählenden von Tätern zu Opfern umdefinieren, die eben keine informierte und eigenverantwortlichen Wahlentscheidung treffen, etwa weil sie eine rechtsradikale und anti-demokratische Politik wollen, sondern weil sie den "Rechten auf den Leim gehen", also lediglich manipulierte Opfer sind. Wenn aber dem Elektorat keine mündige Entscheidung zuzutrauen ist, kann man eigentlich nur zu dem Schluss gelangen die Demokratie als politisches System zu verwerfen.



      Zum Anderen weil eine Aussagen wie "Globalisten nehmen Euch Eure Existenz' und das lässt sich ja auch nicht leugnen." unmittelbar und affirmativ rechtsradikale und antisemitische Propagandacodes aufgreift, statt Kapitalismuskritik auf struktureller Ebene zu üben.



      Daneben



      www.gra.ch/bildung/glossar/globalist/



      www.bpb.de/themen/...t-gemeinsam-haben/

  • Finde ich ein bisschen undifferenziert. Wer oder was ist "die Wirtschaft"?

    Gibt es eine einheitliche Definition von "Wohlstand"? (Für manche sind es der SUV und Langstreckenflüge, für andere vielleicht Biogemüse aus dem eigenen Garten und Zeit zur freien Verfügung ("Zeitwohlstand") usw.)

    Dann das Verhältnis zwischen Erwerbsarbeitern und Rentnern. Warum sollte es überhaupt stabil bleiben bei steigender Produktivität und steigender Sättigung (=Wohlstand, siehe 2. Punkt)?

    Es dürfte auch nicht die "trudelnde Wirtschaft" zu sozialer Unsicherheit führen, sondern die schlechte, extrem ungleiche Verteilung.

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @Eric Manneschmidt:

      Wie kommt es zu der ungleichen Verteilung? Durch die Folgewirkung ungleicher Verteilung. Finanztechnisch: Zineszins.

  • Wenn ich mich am Wochenende auf dem Parkplatz vom Getränkemarkt die Sprüche der (sehr gut bezahlten) Montagearbeiter aus dem VW-Werk anhöre, komme ich immer mehr zu der Überzeugung, dass es ein fatales Zusammenspiel aus mangelhafter Bildung und einer ungesteuerten Überflutung mit unverifizierten und verfälschten "Informationen" über "soziale" Medien und auch Boulevard* Medien ist, dass diese massive Rechtsverschiebung erzeugt und weiter befördert.

    *) Privatfernsehen und die Klassiker wie Bild und Konsorten.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Ist denn Rechtsextremismus nicht schon ideologische Paranoia?

  • "Hat die Mittelschicht Abstiegsängste, so wächst der Rechtsextremismus. "



    Nehmen wir mal an, sie haben mit dieser Aussage recht. Warum nimmt man dann der Mittelschicht immer noch mehr und noch mehr von ihrem Status und verteilt nur noch nach unten und ganz oben?



    Die Mittelschicht ist die tragende Säule unseres Sozialstaates, nicht die Lidls und Co.



    Sie finanziert einen Staat, indem jedes Jahr über 1/3 für Arbeit und Soziales ausgegeben werden, nicht Familie Schwarz oder Quandt.



    Also nehmt doch der Mittelschicht ihre Ängste und melkt sie nicht noch mehr und schon schrumpft der Rechtsextremismus - wenn denn ihre Aussage stimmt, was ich bezweifle.

  • 6G
    676595 (Profil gelöscht)

    Wenig elegante Umschiffung der Hauptprobleme für Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt-Kooperation: aktuelle Kriege und drohende Kriege.

  • Es gibt Menschen, Künstler, die aktuell aufbegehren GEGEN RECHTS. Zum Beispiel mit dem Theaterstück "Gier, Weimar - die erhitzte Republik", Teil einer Trilologie über die Weimarer Republik.

    www.youtube.com/wa...PxJHKcJejg&index=2 in der taz.

    www.youtube.com/wa...PxJHKcJejg&index=1