Oberbürgermeisterwahl in Hannover: „Es braucht Räume, die nicht kommerzialisiert sind“
Die SPD will sich das Rathaus zurückholen. Axel von der Ohe tritt gegen seinen Chef an, den grünen Oberbürgermeister Belit Onay – mit grünen Themen.

taz: Ist Kämmerer eigentlich eine gute Ausgangsposition, wenn man Oberbürgermeister werden will? Oder ist das in der SPD Hannover einfach der Standard, weil Ex-Ministerpräsident Stephan Weil das erfolgreich so vorgemacht hat?
Axel von der Ohe: Das ist sicher kein Muss. Aber auch nicht von Nachteil. Man lernt nicht nur die Stadtverwaltung sehr gründlich und in allen Bereichen kennen, sondern auch die Stadt selbst. Jedenfalls, wenn man den Anspruch hat – und den habe ich immer gehabt – auch Verantwortung für eine gute Entwicklung in der Stadt insgesamt zu übernehmen und nicht nur dafür, dass die Zahlen stimmen.
taz: Sie sind nun schon sehr lange Teil der Verwaltungsspitze. Wie wollen Sie sich da von Oberbürgermeister Belit Onay abgrenzen?
Von der Ohe: Das werde ich oft gefragt. Aber ich definiere mich nicht in erster Linie in Abgrenzung zu irgendwem. Ich möchte zusammen mit meiner Partei ein eigenständiges Politikangebot formulieren, erklären, wofür wir stehen und dann werden sich die Leute schon selbst ein Bild machen.
taz: Trotzdem müssen sie bis zur Wahl ja jetzt noch 15 Monate zusammen arbeiten. Wie soll das denn gehen?
Von der Ohe: Wir sind doch nicht die erste Kommune, in der es so eine Konstellation gibt. Mal ehrlich, das ist ein normaler demokratischer Prozess. Ich habe den Eindruck, dass sowohl Belit Onay als auch ich genug demokratische Reife und Professionalität haben, um das vernünftig miteinander auszutragen und trotzdem unseren Ämtern gerecht zu werden.
taz: Der spektakuläre Bruch der grün-roten Koalition im Rathaus hat viele verschreckt, für die dieses Bündnis selbstverständlicher Teil des politischen Inventars war – als einzige realistische Machtoption für progressive Politik.
48, in Wolfsburg geboren, der Politikwissenschaftler ist seit 2017 Dezernent bei der Stadtverwaltung Hannover und seit Juli 2021 Erster Stadtrat, Kämmerer und hauptamtlicher Stellvertreter des Oberbürgermeisters von Hannover. Er ist Mitglied der SPD und tritt als Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Hannover bei der Kommunalwahl 2026 an.
Von der Ohe: Auch das sehe ich weniger dramatisch. Da ist eine Koalition gescheitert. Dennoch haben Rot und Grün auch seither einige Vorhaben gemeinsam verabschiedet. Bei anderen Fragen hat die SPD Mehrheiten mit CDU und FDP gefunden. Man nennt das wechselnde Mehrheiten.
taz: Woran ist es denn dann gescheitert? Wirklich an der autofreien Innenstadt oder eher daran, dass ihre SPD nicht Juniorpartner sein mag?
Von der Ohe: Nein, in meinen Augen hat es da ganz offensichtlich einen längeren Entfremdungsprozess gegeben. Da war irgendwann nicht mehr genug Vertrauen zwischen den Akteuren. Und wenn das fehlt, schaffen sie es auch nicht mehr, inhaltliche Differenzen zu überbrücken und miteinander Kompromisse auszuhandeln.
taz: Also ging es überhaupt nicht um die autofreie Innenstadt und die Parkplätze?
Von der Ohe: Also, ich bin ja jetzt nicht der Sprecher der SPD-Ratsfraktion. Offenbar hatten viele den Eindruck: Da werden die Dinge in der falschen Reihenfolge angegangen. Man muss kein großer Revoluzzer sein, um zu verstehen, dass Innenstädte von morgen weniger Autos bedeuten werden. Ich teile dieses Ziel. Aber es ist kein Selbstzweck. Als erstes müssen wir über die Alternativen reden. Darüber wie man die Innenstadt belebt, attraktiv und erreichbar macht. Und nicht als erstes darüber, was nicht mehr geht. Vielleicht verbeißen sich einige da in eine Frage, die am Ende gar nicht die entscheidende ist.
taz: Was wäre denn die wichtigere?
Von der Ohe: Als erstes: ganz Hannover in den Blick nehmen. Hannover ist mehr als die City. Aber natürlich bleibt die Innenstadt ein wichtiger Ort. Ich stelle mir die Innenstadt von morgen als einen Ort des Handels vor. Genauso aber als einen Ort, der sich stärker für Gewerbe, Büros, Wohnen, Kultur und Events öffnet. Dafür braucht es vor allem mehr Aufenthaltsqualität, aber auch Räume, die nicht kommerzialisiert sind – gerade für Familien. Und wir müssen noch konsequenter daran arbeiten, dass sich die Menschen sicher fühlen in der Innenstadt.
Axel von der Ohe
taz: Sehen Sie da größere Schnittmengen mit der CDU als mit den Grünen?
Von der Ohe: Ich habe den Anspruch, gesprächsfähig in Richtung aller demokratischer Fraktionen zu sein. Aber ich denke – wie gesagt – nicht als erstes in Koalitionen. Beim Thema Sicherheit brauchen wir Prävention, aber eben auch repressive Maßnahmen. Da reden wir über eine Ausweitung der Waffenverbotszonen, über mehr Videoüberwachung, mehr Präsenz von Ordnungskräften und Polizei, mehr Sauberkeit.
taz: Und Sie glauben, das hilft?
Von der Ohe: Das hat zum Teil schon geholfen. Aber natürlich geht es um mehr. Als Sozialdemokrat habe ich einen Sicherheitsbegriff, der mehr ist als Law and Order. Da geht es eben auch um Teilhabe und soziale Sicherheit. Und damit meine ich nicht nur mehr Sozialarbeit – die brauchen wir auch –, sondern auch solche Fragen wie: Wie sichern wir bezahlbaren Wohnraum? Wie sichern wir Arbeitsplätze? Wie eine gute Gesundheitsversorgung vor Ort?
taz: Kann man das als Kommune überhaupt?
Von der Ohe: Das muss der Anspruch sein. Was ich erlebe und was mich wirklich umtreibt, ist, dass viele Leute das Vertrauen verloren haben. Das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit dieser Art von demokratischem Gemeinwesen, das Vertrauen in die Art und Weise, wie wir unser Gemeinwesen organisiert haben. Da unterscheiden viele nicht zwischen Kommune oder Land oder Bund. Diese Vertrauenslücke müssen wir schließen.
taz: Und wie soll das gehen?
Von der Ohe: Wir müssen ein politisches Angebot machen, dass den Leuten zeigt, dass ihr Alltag im Mittelpunkt steht. Und dass die öffentliche Hand in der Lage ist, das zu leisten, was man von ihr erwartet. Und da, wo das möglicherweise nicht sofort klappt, müssen wir umso intensiver in den Dialog gehen. Ein zentrales Thema bei alledem ist für mich, dass wir massiv in die kommunale Infrastruktur, vor allem in Kitas und Schulen, investieren müssen.
taz: Also setzen Sie jetzt auf den Geldsegen, den die Bundesregierung mit ihrem Sondervermögen zugesagt hat?
Von der Ohe: Die Entscheidung für das Sondervermögen war richtig. Und überfällig. Was die Verteilung der Mittel angeht, ist manches noch unklar. Aber klar ist: Das Programm ist eine große Chance für Hannover.
taz: Klingt sehr nach der Marschrichtung, die Ihr Parteivorsitzender Lars Klingbeil ausgegeben hat: zurück zur Mitte und zum starken Staat.
Von der Ohe: Absolut. Da liege ich mit ihm auf einer Linie. Ich habe keine Berührungsängste bei dem Wort „Mitte“. Im Gegenteil: Genau da müssen wir hin – in die Mitte unserer Stadt. Und ich glaube, dass es nicht zuletzt auch darum geht, handwerklich gute Politik zu machen, um die Demokratie stark zu machen und die Rechten zurückzudrängen.
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