Nur Minderheiten hassen Klimaschutz: Wer sagt’s der Union?
CDU und CSU zeigten zuletzt so wenig Willen wie die FDP, Verantwortung fürs Klima zu übernehmen. Dabei kommt es doch auf die Konservativen an.
N eulich wollte ich herausfinden, was die Grünen eigentlich dafür bekommen haben, dass sie das Klimaschutzgesetz preisgegeben haben. Was hatten sie in der Koalition für sich herausgeschlagen dafür, dass das Klimaschutzgesetz aus einem Forderungskatalog an jedes einzelne Ministerium in eine Absichtserklärung eines regierenden Gesamtverbands verwandelt wurde?
Die Klimaschutzpflichten gehen damit vom einzelnen Minister – das Maskulinum kann hier stehen bleiben, denn die Neuregelung soll ja vor allem Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) schützen – auf das Kollektiv über. Das ist, als würde man den WG-Küchenputzplan mit Datum und Namensnennung durch ein Gruppenbekenntnis ersetzen: „Jetzt wollen wir alle gemeinsam schauen, dass die Küche aber auch wirklich sauber bleibt!“
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Jedenfalls erbrachte meine Recherche kein Ergebnis. Es war nicht herauszufinden, welches Zugeständnis die Grünen der FDP dafür abgerungen haben, dass der Verkehr vom Klimaschutz jetzt ausgenommen wird. „Es ist eigentlich unfair, derzeit überhaupt danach zu fragen“, hörte ich stattdessen. Wir hätten bekanntermaßen seit einem Jahr einen Backlash. Soll heißen: Mit der Forderung nach Klimaschutz braucht derzeit niemand den Kopf zu heben – die brüllenden Kohlenstoff-Verbrenner-Truppen rücken sonst direkt wieder mit schwerem Gerät aus.
Ja, da kann man dann wohl nichts machen, da muss man den Planeten halt einer irren Minderheit opfern. Denn es ist ja weiterhin nur eine Minderheit, die Klimaschutz für verzichtbar hält. Das gilt auch Richtung Europawahl. Eine schöne Studie der Universität Oxford, der Berliner Humboldt-Uni und der Hertie School in Berlin hat das vor wenigen Wochen herausgearbeitet.
Auf die Konservativen kommt es an
In Deutschland befürworten demnach 53 Prozent, Frankreich 57 Prozent und in Polen 51 Prozent von insgesamt 15.000 Befragten einen ehrgeizigeren Klimaschutz. Gegen mehr Klimaschutz sind in Deutschland und Polen 30 Prozent und in Frankreich 23 Prozent. Unschwer zu erkennen ist, dass die Dürre der vergangenen Jahre in Frankreich weit mehr Menschen bewegt hat als weiter östlich.
Unterm Strich fanden die Wissenschaftler Folgendes heraus: Die Leute befürworten Klimaschutz, der mit staatlichen Investitionen in Infrastruktur und Wirtschaft arbeitet, aber die meisten bestehen darauf, weiter ein Verbrenner-Auto zu fahren, ob in Frankreich, Polen oder Deutschland. Kaum jemand glaubt, dass Klimaschutz seinen Job oder die Wirtschaft gefährde – Klimaschutz ist vor allem eine ideologische Sache, wie es aussieht. Weshalb, sagt Nils Redeker, einer der Autoren der Studie, „es sehr stark darauf ankommt, wie insbesondere die konservativen und Mitte-Parteien jetzt ihre Haltung zum Klima darstellen. Denn die Leute orientieren sich da an den Parteien, die sie eh unterstützen.“
Okay, das ist natürlich nur eine mittelgute Nachricht. CDU und CSU zeigten zuletzt ebenso wenig Willen wie die FDP, Verantwortung für planetare Angelegenheiten zu übernehmen. Stattdessen stänkert jetzt auch Friedrich Merz gegen das Verbrenner-Aus ab 2035. Der Green Deal der eigenen „Spitzenkandidatin“ Ursula von der Leyen wird von Unionstruppen seit Monaten nach Kräften desavouiert.
Es ist komplett unbefriedigend, dass CDU und CSU ausgerechnet in dem Augenblick, da sowohl Demokratie als auch Klima ernsthaften Prüfungen ausgesetzt sind, von Männern gelenkt werden, denen man alles Mögliche nachsagen kann, nicht aber seriöse und nachhaltige Urteilsbildung. Kann die nicht irgendwer in die Pflicht nehmen, dem die auch zuhören? Wolfgang Schäuble ist tot. Ich bin mir nicht sicher, ob kluge Thinktanks und PolitstudienautorInnen ihn ersetzen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?