Nukleare Aufrüstung in Deutschland: Die permanente Drohkulisse
Wer die atomare Aufrüstung ablehnt, ist nicht „naiv“ oder „Putins Sprachrohr“. Abschreckung schafft zwar kurzfristige Stabilität, verhindert aber Friedensordnungen.

S eit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 hat sich in Deutschland der Ton in Sachen Sicherheitspolitik verändert. Abschreckung, Aufrüstung und nukleare Teilhabe werden heute weitgehend als verantwortungsvoll, realistisch und alternativlos dargestellt. Was als neue Ernsthaftigkeit gefeiert wird, ist jedoch auch eine beunruhigende Normalisierung von Gewaltpotenzial – nicht zuletzt durch die Wiederbelebung der nuklearen Abschreckung. Während frühere Debatten um Abrüstung, Zivilklauseln und Rüstungsexporte kontrovers geführt wurden, gelten friedenspolitische Positionen heute oft als weltfremd, moralisch überhöht oder gar gefährlich.
Besonders deutlich zeigt sich dieser Wandel in der Debatte um die Modernisierung der US-Atombomben in Büchel und den Ankauf von F35-Kampfflugzeugen. Die deutsche Beteiligung an der nuklearen Teilhabe wird inzwischen kaum noch hinterfragt. Stattdessen dominieren Begriffe wie „Verantwortung“, „Führungsrolle“ oder „Sicherheit durch Stärke“. Dass nukleare Abschreckung letztlich auf der Drohung massiver Vernichtung beruht, scheint in der öffentlichen Debatte kaum noch eine Rolle zu spielen.
Es ist also eine Art „Frieden im Alarmzustand“: Abschreckung schafft zwar kurzfristige Stabilität, verhindert aber langfristige Friedensordnungen. Wer sich für atomare Abrüstung oder alternative Sicherheitskonzepte ausspricht, wird oft diskursiv ausgegrenzt – nicht durch Argumente, sondern durch Etiketten: Man sei „naiv“, „realitätsfern“, oder gar „Putins Sprachrohr“, heißt es dann häufig.
Dabei braucht es gerade jetzt eine Rückbesinnung auf die ethischen Grundlagen politischer Verantwortung. Sicherheitspolitik darf nicht allein von militärischer Logik bestimmt werden – sie ist gestaltbar, verhandelbar, demokratisch kritisierbar. Atomwaffen sind keine moralisch neutralen Schutzschilde, sondern permanente Drohkulissen. Wer das aussprechen will, sollte nicht als Gefahr gelten – sondern als Stimme der Vernunft.
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