piwik no script img

Nordkorea beendet Kontakt mit SüdkoreaPjöngjang setzt auf Funkstille

Das nordkoreanische Regime hat seine Kommunikationsverbindungen mit dem Süden gekappt. Der offizielle Grund ist wohl nur vorgeschoben.

Setzt wieder auf den Konflikt: Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un Foto: Kin Cheung/ap

PEKING taz | Eigentlich bietet der Juni genügend Jubiläen zum Feiern der Politik der Annäherung mit Nordkorea: Vor 20 Jahren trafen sich erstmals die Staatsoberhäupter der zwei Koreas zu Gesprächen, vor zwei Jahren dann kamen sogar US-Präsident Donald Trump und Machthaber Kim Jong Un zum historischen Gipfel in Singapur zusammen. Doch stellten sich die Friedenshoffnungen seitdem als Wunschdenken heraus. Mehr noch: „In den kommenden Wochen und Monaten wird erwartet, dass Pjöngjang sein Möglichstes tut, um die Spannungen mit Seoul zu erhöhen“, heißt es in einem Briefing der „Korea Risk Group“.

Denn das Regime in Pjöngjang hat am Dienstag alle Kommunikationskanäle zum südlichen Nachbarn gekappt. Zudem droht es, ein Militärabkommen zur Reduzierung der Spannungen von 2018 für null und nichtig zu erklären.

Über die staatliche Nachrichtenagentur KCNA ließ das Regime die Entscheidung begründen: Die Regierung in Seoul habe Aktivisten nicht daran gehindert, Ballons mit Flugblättern über die Grenze nach Norden zu schicken. In der Stellungnahme wurde Südkorea gar zum „Feind“ erklärt.

Welche Intentionen genau hinter Nordkoreas Entscheidung stehen, ist unklar. Unter den meisten Analysten herrscht jedoch Konsens, dass die offizielle Erklärung nur ein Vorwand ist oder zumindest zu kurz greift: Seit Jahren bereits treffen sich nordkoreanische Flüchtlingsaktivisten an der entmilitarisierten Zone, um Schmähblätter gegen die Kim-Dynastie mit speziellen Ballons in ihre einstige Heimat zu schicken.

Kommunikationsstopp wohl schon länger geplant

Südkoreas Regierung schickt meist Polizisten zu diesen hochsymbolischen Aktionen, vermeidet jedoch, unter dem Vorbehalt der Pressefreiheit diese vollständig zu verbieten.

Das Kappen aller Verbindungen war wohl vom Norden schon länger geplant. Die schlechte Stimmung zwischen Seoul und Pjöngjang geht auf das Gipfeltreffen zwischen Kim und Trump in Hanoi vom letzten Jahr zurück, das auf ganzer Linie gescheitert ist und mit gegenseitigen Schuldzuweisungen über mangelnde Kompromissbereitschaft endete.

Eine indirekte Verantwortung muss aber auch Südkoreas Präsident Moon schultern. Schließlich gilt er als Vermittler der US-nordkoreanischen Annäherung. Seither zeigte Pjöngjang seinem südlichen Nachbarn die kalte Schulter und schlägt nun einen offen feindlichen Kurs ein.

Doch wieso verprellt die Kim-Dynastie eine offensichtlich freundlich gesinnte Regierung in Seoul? In der Vergangenheit hat Nordkorea immer wieder probiert, mit einer wachsenden Drohkulisse den Gewinn bei künftigen Verhandlungen zu erhöhen.

Druck gegen Wirtschaftssanktionen?

Jetzt geht es dem Regime wohl vor allem, Südkorea dazu zu bringen, seine Wirtschaftssanktionen zu lockern. An der Grenze steht die seit 2016 geschlossene Sonderwirtschaftszone Kaesong, in der in südkoreanischen Fabriken nordkoreanische Arbeitskräfte Textilien produzieren – und bitter benötigte Devisen für Kims Regime heranschaffen.

Besonders beunruhigend ist, dass laut dem südkoreanischen Vereinigungsministerium erstmals seit Etablierung einer gemeinsamen Militärverbindung 2018 der tägliche Telefonanruf nicht erwidert wurde. Dieser Kommunikationskanal gilt im Notfall als letzte Sicherung, um bewaffnete Konflikte verhindern zu können. Am Donnerstag beginnen die US-südkoreanischen Militärübungen.

Erste Krisengewinner gibt es schon: Die Börsenkurse südkoreanischer Militärfirmen und Waffenproduzenten stiegen am Dienstag im zweistelligen Prozentbereich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare