USA-Nordkoreagipfel in Hanoi: Abrupter Abgang
Das Treffen zwischen Präsident Donald Trump und Kim Jong Un endet vorzeitig ohne Ergebnisse. Beobachter sprechen von einem Desaster.
Beide Seiten konnten sich zu keiner Einigung durchringen. US-Präsident Trump erklärt vergleichsweise detailliert, woran die Verhandlungen gescheitert seien: Kim Jong Un wollte sämtliche Wirtschaftssanktionen gegen sein Regime gelockert wissen. Als Gegenmaßnahme bot er den Nuklearreaktor Yongbyon zur Abrüstung an – zweifelsohne das wichtigste Mosaik-Teil des nordkoreanischen Atomprogramms. Aber eben bei weitem nicht das Einzige.
Die Amerikaner wollten darauf nicht eingehen und stattdessen die Verhandlungen mit Pjöngjang in baldigen Arbeitsgesprächen weiterführen. Wann es jedoch zu einem dritten Gipfel kommen werde, konnte Trump noch nicht sagen.
Es war die Sprecherin des Weißen Hauses Sarah Sanders, die die Bombe platzen ließ: Noch vor dem gemeinsamen Mittagessen verkündete sie, dass sich der Zeitplan des Gipfels kurzfristig geändert habe. Die Pressekonferenz werde vorgezogen, das Lunch gestrichen und Kim Jong Un vorzeitig aus Hanoi abreisen. „Wir sind genau so perplex wie der Rest der Welt auch“, sagte ein südkoreanischer Regierungsbeamter zu CNN.
Absolute Überraschung
Für die allermeisten Beobachter ist der enttäuschende Ausgang des Gipfels eine absolute Überraschung. Es wurde zumindest erwartet, dass sich beide Seiten zu einem gesichtswahrenden Minimalresultat durchringen könnten – etwa ein gemeinsames Verbindungsbüro einzurichten. Oder möglicherweise gar eine Absichtserklärung zur Beendigung des Koreakriegs. Doch Trump habe es laut eigener Aussage bevorzugt, „lieber keinen Deal, als einen schlechten Deal“ davon zu tragen.
Ganz offensichtlich geht es Nordkorea bei den Verhandlungen zuallererst um die Lockerung der Sanktionen. Eine Trumpfkarte, die Washington – zurecht – nicht leichtfertig aus der Hand geben möchte.Die Reaktionen in Südkorea sind dementsprechend: „Hat Kim Jong Un dafür eine 60-stündige Zugfahrt auf sich genommen?“, tweetet der südkoreanische Journalist Subin Kim zynisch.
Auch auf dem koreanischen sozialen Netzwerk Naver herrschen Spott und Ironie vor: „Sollte es zu einem dritten Gipfel kommen, wird sich niemand mehr dafür interessieren“, schreibt etwa ein Nutzer. Ein anderer meint: „Der Gipfel ist gescheitert! Trump sucht nur Hände ringend nach Ausreden, um nicht als Verlierer dazustehen“. Oder: „Moon Jae In weint sicher gerade im Präsidentenhaus!“Südkoreas Präsident Moon trifft das enttäuschende Gipfel-Ergebniss tatsächlich hart: Erst morgen möchte er Details für seine neuen innerkoreanischen Kooperationsprojekte bei einer geplanten Rede in Seoul vorstellen. Doch ohne Fortschritte bei den Nuklearverhandlungen zwischen Pjöngjang und Washington – und vor allem ohne Lockerungen von Sanktionen gegen Nordkorea – bleibt sein Spielraum höchst eingeschränkt.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung