Nö zu Gewalt, Ja zu links

Das Konzept der Sozialbehörde gegen linke Militanz setzt vor allem auf Forschung und Gespräche. Der linken Opposition fehlt das Eingeständnis eigener Fehler bei G20

Hier noch nicht auf Augenhöhe, aber immerhin im Gespräch: die Staatsgewalt und kritische BürgerInnen Foto: Miguel Ferraz

Von Lotta Drügemöller

Ein Timing mit mehr Rückenwind hätte es kaum geben können: Wenige Tage nach dem Anschlag auf Innensenator Andy Grote (SPD) beschließt der Senat sein Konzeptpapier gegen linke Militanz. Der eigentliche Anlass liegt länger zurück: mit Bezug auf die Unruhen während der G20-Proteste hatte die Bürgerschaft den Senat aufgefordert, die Extremismusprävention zu stärken.

Das neue Konzept zielt auf zwei Gruppen: gewaltbereite linke Gruppierungen, sowie junge Erwachsene, die sich eher aus Abenteuerlust denn aus politischer Motivation an Unruhen beteiligen. Vor allem über Demokratieförderung und eine Debatte über Gewalt will man sie erreichen.

Frühere Konzepte wurden vielfach kritisiert: Es lasse sich kein Bedarf für ein eigenes Programm zu Prävention von Linksextremismus feststellen, urteilte etwa das Deutsche Jugendinstitut 2013 über ein Programm des Bundes. Und über das dazugehörige Aussteigertelefon ergoss sich viel Spott, als 2018 herauskam, dass bis dahin kein einziger Linksradikaler darüber den Ausstieg gefunden hatte.

In Hamburg weiß man um die Vorgeschichte. Der Bedarf für Präventionsarbeit gegen linke Militanz werde in der Öffentlichkeit „in Frage gestellt“, heißt es im Konzept. Es stützt sich daher nicht auf den Begriff des Linksradikalismus, sondern den der linken Militanz. Der Hamburger Verfassungsschutz zählte 2018 9.000 „gewaltorientierte Linksextremisten“ und 81 „linksextremistische Gewaltdelikte“.

Typische Handlungsfelder wie Antifaschismus, Antigentrifizierung oder Antikapitalismus würden „auch von breiteren Teilen der Gesellschaft geteilt“. Nicht die Systemkritik per se, sondern die Gewaltbereitschaft werde deshalb in den Blick genommen. Für die Hamburger CDU ein Zeichen der Unentschiedenheit: „Im Konzept wird seitenlang bestimmt, wer alles nicht gemeint ist. Rot-Grün hat Angst, klare Stellung gegen Linksradikale zu beziehen“, so der innenpolitische Sprecher Dennis Gladiator.

Die Autor*innen des Konzeptes machen keinen Hehl daraus, dass es bisher keinen Masterplan zur Prävention linker Militanz gibt. Maßnahmen gegen Rechtsradikalismus könnten nur sehr eingeschränkt übernommen werden. Daher soll eine neue Forschungseinrichtung zur gesellschaftlichen Konflikt- und Gewaltentstehung an der Hamburger Akademie der Polizei geschaffen werden.

Abgesehen davon bleiben die Instrumente zur Bekämpfung linker Militanz vorerst recht unkonkret: Lehrer*innen sollen Fortbildungen besuchen, um bei ihren Schüler*innen das Konflikt- und Toleranzverständnis zu fördern; Jugendliche sollen zu Demokratie und politischer Teilhabe informiert werden; und über allgemeine Gewaltprävention auch jene jungen Menschen erreicht werden, die Gewalt eher unpolitisch und „erlebnisorientiert“ anwenden. Vor allem soll geredet werden, über G20 etwa.

Fest steht, dass nicht nur die Linksmilitanten selbst angesprochen werden. Denn als ein Problem identifiziert die Sozialbehörde den Rückhalt in der Bevölkerung. Die Landeszentrale für politische Bildung soll deshalb entsprechende Diskussions- und Vortragsreihen starten.

Die außerparlamentarische Linke in Hamburg schweigt bisher zum Konzept. Erst kürzlich jedoch hatte Rote-Flora-Sprecher Andreas Blechschmidt gegenüber der dpa gesagt: „Wenn die politische Konfrontation und die Gemengelage es nötig machen, dann ist die Militanz für uns eine Option. “

Von der Fraktion der Linken in der Bürgerschaft bekommt das Konzept nicht nur Kritik. „Man merkt, dass die Verantwortung im Wesentlichen bei der Sozialbehörde liegt“, so die innenpolitische Sprecherin Christiane Schneider. „Es ist kein reines Polizei- und Verfassungsschutzkonzept.“ Mängel sieht sie dennoch: „Der Anteil der Polizeigewalt an Eskalationen wird nicht mal in Erwägung gezogen“, so Schneider.