Angriff auf Hamburgs Innensenator: St. Pauli ist wieder Gefahrengebiet
Nach einem Angriff auf Innensenator Andy Grote (SPD) verurteilen Politiker*innen die Tat. Im Internet ist ein Bekennerschreiben aufgetaucht.
Hamburg taz | Am vergangen Freitag, um kurz nach acht Uhr morgens, haben laut Polizei maskierte Unbekannte auf St. Pauli das Auto von Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) mit Gegenständen beworfen. Die Polizei spricht von Steinen und mit Farbe gefüllten Behältnissen. Verletzt worden sei niemand. Der Staatsschutz ermittelt.
Grote, der auf St. Pauli wohnt, äußerte sich noch am Freitag auf Twitter zu dem Vorfall. Als Innensenator müsse er mit solchen Angriffen rechnen, schrieb er. „Aber einen solchen Anschlag bewusst zu verüben, während ich gerade meinen zweijährigen Sohn zur Kita bringe – das ist erbärmlich.“
Diesen Aussagen widerspricht ein Bekennerschreiben, das am Samstag auf der linken Onlineplattform Indymedia auftauchte. Grote würde sein Kind nicht regelmäßig zur Kita bringen, schreiben die Verfasser*innen. „Wir, er und auch seine Leibgardisten wissen sehr genau, dass das totaler Quatsch ist.“ Sollte das Kind tatsächlich mit im Auto gesessen haben, sei das eine seltene Ausnahme und ein tragischer Zufall gewesen. „Selbstverständlich galt der Angriff nicht dem Kind!“, steht in dem Schreiben.
Verweis auf G20
Laut den Verfasser*innen habe Grote in den vergangenen Jahren einiges unternommen, das Leben derer, „die in dem von ihm so geliebten St. Pauli nicht mehr viel zu verlieren haben, weiter zu verschlechtern“. St. Pauli sei der Hotspot der Immobilienhaie, „Obdachlose und People of Colour werden von Grotes Polizei gejagt“. Das Schreiben nimmt auch Bezug auf den G20-Gipfel 2017 in Hamburg. Es kritisiert das damalige Vorgehen der Polizei und die Öffentlichkeitsfahndung. Überschrieben ist es mit „Für die Parkbankcrew“, „Für die Verletzten und Angeklagten im Rondenbargverfahren“ und „Für uns“.
Mit der Parkbankcrew sind zwei Männer und eine Frau gemeint, denen die Staatsanwaltschaft die Verabredung zur gemeinschaftlichen Begehung von drei Brandstiftungen und einer schweren Brandstiftung vorwirft. Sie waren am zweiten G20-Jahrestag in einem Park festgenommen worden.
Im „Rondenbargverfahren“ geht es um eine Demonstration vom 07. Juli 2017 in der Straße am Rondenbarg, die die Polizei gewaltsam aufgelöst hatte. Die Staatsanwaltschaft hat wegen gemeinschaftlichen schweren Landfriedensbruchs, gemeinschaftlichen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung Anklage gegen 19 Personen erhoben und will das Verfahren mit dem von Fabio V. verbinden, dessen Prozess geplatzt war. Er soll sich durch die bloße Anwesenheit bei der Demonstration strafbar gemacht haben.
GdP ätzt gegen Grüne
Über den Angriff auf Grote äußerten sich Politiker*innen aus Hamburg empört. Christiane Schneider von der Linksfraktion twitterte: „Dieser Anschlag ist beunruhigend und durch nichts zu rechtfertigen.“ Dennis Gladiator (CDU), nannte den Anschlag eine „feige und hinterhältige Tat“.
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) äußerte sich zu dem Vorfall. Das Datum 13. 12. könne im Zusammenhang mit dem Anschlag stehen. Die Zahl steht auch für „All cops are bastards“. Die GdP nutzte ihre Mitteilung zum Angriff auf Grote auch, um sich in Sachen Versammlungsrecht zu äußern: Ein Festhalten am Vermummungsverbot sei wichtig.
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Die Grünen wollen Vermummung auf Demonstrationen von einer Straftat zur Ordnungswidrigkeit herabstufen. Die GdP fordert sie nun auf „sich von dieser Klientelpolitik zu verabschieden“. Auf Facebook machte sich die Gewerkschaft gar die Mühe, das Logo der Antifa mit dem einer Hilfsorganisation zu verbinden und schrieb darein: „!!!Nach dem Angriff auf Senator Grote ist klar: Die Antifa hat kein Herz für Kinder!!!“
Leser*innenkommentare
05437 (Profil gelöscht)
Gast
Bei aller Sympathie für die Empörung über die bestehenden Verhältnisse und Sozialdemokraten, die insbesondere in HH alle ihre Werte verraten, weil sie es gern warm und trocken haben. Aber diese Aktion war mal wieder so dumm und kontraproduktiv, dass ich mich echt frage, wie dumm man eigentlich sein kann. Aber klar, ein paar Farbbeutel zu werfen, das ist einfach. Sich mal mit der eigenen Oma, den Eltern (die einem das Studium bezahlen, *Zwinkersmiley*) oder dem ekligen Onkel hinzusetzen und deren Haltung zum Rechtsstaat durch Diskussion zu hinterfragen, das ist natürlich eine viel mühsamere, frustrierendere und anstrengendere Arbeit als sich auf so eine Aktion wie mit Grote vor der brennenden Mülltonne im Florapark gemeinsam einen runterzuholen. Die ziehen nur den guten Namen der Antifa e.V. in den Dreck.
AlexA
Bevor alle wieder nur an gewohnten Feindbildern malen: Ja, die Tat ist asozial! Ja, das Bekennerschreiben ("sollte das Kind wirklich im Auto gesessen haben") ist erbärmlich! Ja, die "Begründung" macht es nur schlimmer und ist kontraproduktiv für die eigene Sache. Was für ein trauriger Haufen!
Nikolausi
@AlexA Sehr schade (gelinde gesagt!) auch, dass sich der taz-Artikel von Frau Ruddat fast ausschließlich mit "Rechtfertigung" dieser Tat beschäftigt!
simie
Ob solche Vorgänge zielführend sind, kann man ruhig bestreiten. Die sind einfach nur lächerlich.
Erbärmlich ist aber auch mal wieder das Auftreten der GdP.
Und nicht zuletzt fragwürdig ist das absolut maßlose und kaum noch von rechtsstaatlicher Vernunft geprägte Vorgehen der Staatsanwaltschaft in Hamburg.
Mutter Fissner
@simie Die Personenschützer scheinen ja ihren Namen nicht wert zu sein. Oder mögen die einfach nur keine Kinder.
Lowandorder
Erbärmlich - einschließlich der so dreist erwartbaren -
Trittbrettfahrer & ihr schales Süppchen Kocher. 👹