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Nick Srnicek zur Post-Arbeitsgesellschaft„Arbeiten ist nichts Erstrebenswertes“

Um etwas zu verändern, fehlen den Linken konkrete Strategien. Nick Srnicek will nun mit einem neuen Modell den Neoliberalismus eindämmen.

Werden wir in Zukunft gut leben ohne Arbeit? Foto: dpa
Interview von Nina Scholz

taz: Herr Srnicek, die Jobs werden immer schlechter, die Löhne sinken, die Mieten hingegen steigen, die Unzufriedenheit wächst – eigentlich eine ideale Situation für die Linke – aber sie gewinnt einfach nicht. Wieso?

Nick Srnicek: Die Gründe dafür sind vielfältig. Linke Institutionen, wie Parteien oder Gewerkschaften, die jahrzehntelang dafür gesorgt haben, dass es zumindest so etwas wie eine linke Macht in westlichen Gesellschaften gab, befinden sich seit Jahrzehnten auf dem absteigenden Ast. Sozialdemokratische Parteien sind sogar zu neoliberalen Hybriden geworden. Das wirtschaftliche Fundament hat sich außerdem maßgeblich verändert: Als die meisten Menschen noch morgens in die Fabrik gegangen sind, fiel es leichter, politische Aktionen zu koordinieren. Heute leben wir in einer Dienstleistungsgesellschaft. Die Menschen haben unterschiedliche Jobs und Realitäten, und es ist viel schwieriger, diese Interessen auf einen Nenner zu bringen. Drittens ist die Linke selbst heute sehr kopflos: sie ist in der Defensive und setzt auf kurzfristige politische Aktionen, die schnell wieder verpuffen und oft ergebnislos bleiben. Es existiert keine langfristige Strategie oder Perspektive.

Beobachten Sie das eigentlich nur als Wissenschaftler oder erleben Sie es auch persönlich?

Ich habe diesen Frust selber erlebt. Ich war nach der Finanzkrise bei „Occupy London“ aktiv. Wir waren voller Hoffnung, wollten die Finanzwirtschaft ändern und direkte Demokratie voranbringen, bis dann innerhalb kürzester Zeit alles auseinandergefallen ist und ich mich gefragt habe: Was ist denn eigentlich schiefgelaufen? Mir wurde klar, es wurde überhaupt nicht mehr über das gesprochen, was sein könnte. Es gab keinen konkreten Zukunftsentwurf, auf den wir uns hätten einigen können.

Bild: privat
Im Interview: Nick Srnicek

Jahrgang 1982, schreibt über linke Bewegung und digitalen Kapitalismus. Zuletzt erschien von ihm „Die Zukunft erfinden. Postkapi­talismus und eine Welt ohne Arbeit“. Heute Abend diskutiert er im HAU über Plattform­kapitalismus.

Marxisten wie David Harvey argumentieren, dass die Stadtproteste heute das Potenzial haben, widerständige Strukturen zu entwickeln, die über das eigene Milieu hinausgehen und in denen die Klassen- und Eigentumsfragen zunehmend gestellt werden. Sehen Sie das auch?

Nicht wirklich. Der neoliberale Kapitalismus ist einfach zu allmächtig als dass diese defensive Politik dagegen ankommen könnte. Die Proteste gegen Zwangsräumung, die es in vielen Städten gibt, sind zwar sehr wichtig – dort kämpfen Menschen dafür, dass sich die Lebenssituation der Menschen nicht noch mehr verschlechtert –, aber sie verteidigen doch bloß den Status quo. Es fehlt auch hier eine Strategie wie man über eine Feuerlöschpolitik hinaus etwas erreichen könnte.

Was schlagen Sie stattdessen vor?

Mein Kollege Alex Williams und ich schlagen in unserem Buch „Die Zukunft erfinden“ eine Post-Arbeitsgesellschaft vor, also eine Gesellschaft, in der Menschen ohne Arbeit gut leben können. Wir würden zwar noch im Kapitalismus leben, kapitalistische Akkumulation wäre noch der wirtschaftliche und gesellschaftliche Motor, aber wir würden den Neoliberalismus massiv eindämmen. Das wäre schon mal eine viel bessere Situation als heute, wo es nur noch wenige Jobs gibt, die gut bezahlt sind, und sehr viel Konkurrenz und Armut herrscht.

Wie wollen Sie diese Post-Arbeitsgesellschaft erreichen?

Die Linke sollte gemeinschaftlich für Automatisierung, für Verkürzung der Arbeitszeit, für ein bedingungsloses Grundeinkommen und gegen das neoliberale Arbeitsethos kämpfen. Das sind die vier Pfeiler der Post-Arbeitsgesellschaft.

Ist das Ersetzen der menschlichen Arbeitskraft durch Maschinen nicht das Grundprinzip des Kapitalismus?

Das stimmt. Trotzdem haben wir heute eine andere Ausgangslage als in der Vergangenheit. Früher gab es viel Arbeit und eine starke Arbeiterbewegung, die dann für kürzere Arbeitstage gekämpft hat. Bis vor ein paar Jahrzehnten hatten wir auch immer wieder Phasen von starkem Wirtschaftswachstum, in denen neue Jobs entstanden sind. Beides gibt es heute so nicht mehr und somit auch keine Vollbeschäftigung. Viele Leute arbeiten schon heute gar nicht mehr oder in schlecht bezahlten Jobs. Die Linke sollte eine Situation vorantreiben, in der immer weniger Menschen arbeiten müssen und trotzdem gut leben können. Es muss ein Umdenken geben. Arbeiten ist nichts Erstrebenswertes. Wir werden nie wieder Vollbeschäftigung haben, die Zahl der schlecht bezahlten Jobs wächst stetig. Es ist also besser, für die Abschaffung der Arbeit zu kämpfen, also für mehr Beschäftigung, die sowieso unrealistisch ist.

Sie werben für das bedingungslose Grundeinkommen. Ein Lieblingsprojekt von Silicon-Valley-Milliardären und Investmentbankern, die sich damit aus Umverteilung und anderen sozialen Verträgen lösen wollen. Sollte uns das nicht skeptisch stimmen?

Absolut. Und deswegen müssen wir uns das Thema aneignen und von links dagegenhalten. Derzeit wird die Debatte von Leuten wie Elon Musk bestimmt, also von rechten Neoliberalen. Es ist sehr gefährlich, ihnen dieses Feld einfach zu überlassen. Eine linke Version des bedingungslosen Grundeinkommens ist aber kein Feigenblatt, sondern eins von vielen Instrumenten zur Umverteilung von Reichtum und Macht. Wenn die Menschen ein bedingungsloses Grundeinkommen haben, können sie Jobs, die sie nicht wollen, ablehnen. Sie haben außerdem Zeit für politisches Engagement und können einfach streiken, weil sie finanziell abgesichert sind. Das wäre ein riesiger Schritt.

Sie kritisieren die Linke dafür, dass sie sehr schwach ist. Würde es sie nicht noch mehr schwächen, für ein bedingungsloses Grundeinkommen zu kämpfen, das sie am Ende vielleicht gar nicht durchsetzen können?

Mein Ziel ist ja nicht das Grundeinkommen, sondern die Post-Arbeitsgesellschaft. Das Grundeinkommen ist lediglich einer der Pfeiler, auf denen sie steht. Wir müssen das Gesamtpaket erstreiten. Und mal ganz ehrlich: Alles, was wir erkämpfen werden, ist doch besser als das, was wir jetzt haben?

Und da hilft auch die Reduzierung der Arbeitszeit für alle?

Es gibt sowieso nicht mehr genug Jobs für alle, warum sollten dann nicht alle weniger arbeiten? Aktuell ist das doch noch sehr viel stärker gespalten. Manche Menschen arbeiten 60 oder 70 Stunden in der Woche, andere nur 20 oder weniger Stunden. Manche machen das freiwillig, für andere entsteht so große Not. Im idealen Szenario arbeiten nur die, die auch wollen, mehr. Die anderen müssen nicht. Ich finde, das klingt doch sehr gut, oder?

Aber wie erreichen wir jetzt diese Post-Arbeitsgesellschaft?

Da können wir einiges von den Vordenkern des Neoliberalismus lernen. Die meisten denken, der Neoliberalismus hätte sich ab den 1970er Jahren langsam etabliert und hätte dann nach und nach irgendwie die Welt übernommen. So war es aber nicht. Die Idee des Neoliberalismus gibt es schon seit den 1930er Jahren und wurde dann von einer kleinen, elitären Gruppe international eta­bliert. Die hatten eine Vision, einen Plan und einen sehr langen Atem. Sie wollten weg von der damals vorherrschenden Wirtschaftspolitik des Keynesianismus und ihn durch den Neo­liberalismus ersetzen. Aus dieser Geschichte können wir lernen, wie es gehen könnte.

Inwiefern?

Wir brauchen einen langen Atem und eine langfristige Strategie. Die Vordenker des Neoliberalismus haben es so gemacht, wie es schon der Marxist Antonio Gramsci beschrieben hat: Sie haben sich die vorherrschende Hegemonie angeschaut und die Idee einer Gegenhegemonie entwickelt, die sie dann strategisch über Jahrzehnte platziert haben. Sie haben Think-tanks auf allen Kontinenten gegründet, sie waren in den Medien vertreten, haben Politiker beraten und haben in Talkshows gesessen. Sie haben so den Common Sense, die Art und Weise, wie Menschen denken und handeln, nach und nach grundlegend verändert.

Und davon kann die Linke lernen?

Es geht natürlich nicht darum, eins zu eins zu kopieren, was sie gemacht haben. Aber es kann sehr hilfreich dabei sein, eine langfristige Strategie zu entwickeln und sich zu überlegen wie man sie umsetzen kann. Die Linke beschäftigt sich derzeit entweder mit den nächsten Wahlen oder möchte am liebsten immer gleich die Revolution. Das ist einfach zu kurzfristig gedacht, um wirklich etwas bewegen zu können.

Also lieber Hardcore-Lobbypolitik betreiben?

(lacht) Lobbypolitik ist nicht zwangsläufig etwas Schlechtes! Wenn die Frage ist, wie wir eine revolutionäre Situation aufbauen können, müssen wir uns auch klarmachen, dass wir alle zivilgesellschaftlichen Bereiche verändern müssen. Die Linke konzentriert sich aber meist nur auf einen Bereich zu einer Zeit – mal ist es eine Partei, die nach links gedreht werden soll, mal sind es die Gewerkschaften, mal ist es die Kultur – und dann verliert sie wieder auf allen anderen Feldern.

Wir sollten also linke Thinktanks gründen?

Warum nicht? Thinktanks sind Orte, an den man sich jenseits der alltäglichen Politik konzentriert Gedanken über Strategien und die Zukunft macht. Und die braucht die Linke dringender denn je.

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30 Kommentare

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  • Da stimme ich mal mit Ihnen überein, auch wenn ich Ihre obige Einschätzung nicht teile, dass immer mehr schlecht bezahlte Jobs in D gar kein Problem seien. (Die Statistiken zur wachsenden Schere zwischen Arm und Reich und dem explodierten Niedriglohnsektor in D zeigen da ganz andere Fakten, siehe meine Antwort an "Werner W." weiter oben.)

     

    Dennoch braucht es dafür in der Tat neue Ansätze - und zwar nicht nur für neue Arbeitsformen, sondern auch neue Absicherungsformen von Arbeitslosen, Kranken etc. und deren Finanzierungsquellen aka Besteuerung.

    Unser gesamtes Sozialsystem beruht ja irrwitzigerweise fast ausschließlich auf der Besteuerung von Lohnarbeit - während Fantastilliarden z.B. im Finanzsektor gemacht werden, die komplett unter- bzw. unbesteuert bleiben. Dito für leistungslose Geldsegen wie hohe Erbschaften etc.

     

    Allerdings sehe ich im Gegensatz zu Ihnen die Idee eines BGEs nicht einfach als altbackene Umverteilung unter Beibehaltung eines problematischen Status quo. Es gibt da ja sehr verschiedene BGE-Modelle, aber so ziemlich alle haben Implikationen bezüglich der Art und Rolle von Lohnarbeit, die weit über bloße Umverteilung hinausgehen. Ganz ehrlich: Haben Sie sich mal eingehender mit dem BGE beschäftigt? Ihre Kommentare dazu wirken nicht so.

     

    Bis umfassende Systemänderungen in Bezug auf neue Arbeitsformen etc. erdacht und erreicht sind, habe ich im Gegensatz zu Ihnen übrigens auch keine Probleme damit, auch erstmal umzuverteilen. Es ist ganz einfach mehr als genug für alle da, nur immer ungerechter verteilt. Diese ungerechte Entwicklung hat rein gar nichts mit "Leistung" zu tun, und ist das Ergebnis einer künstlichen Umverteilung von unten nach oben. Wieso also bitte nicht mal etwas RÜCKverteilung von oben nach unten? Wir hatten das schon mal in anderen Kommentarspalten: Ihre Kritik an Umverteilung sieht komischerweise immer nur die Rückverteilung von oben nach unten und nie die vorige bzw. aktuelle Umverteilung in die andere Richtung.

  • "Es gibt sowieso nicht mehr genug Jobs für alle"

    Es ist die Frage zu diskutieren ob Herr Srnicek die Realität richtig (und überhaupt) sieht. Schon seit vielen Jahren Jahren steigt die Zahl der Vollarbeitsplätze stetig und es werden in einigen Bereichen Mängel an Arbeitskräften gesehen.

     

    Und das bedingungslose Grundeinkommen hat ja nicht das Ziel das weniger gearbeitet wird (im Gegenteil) sondern da produktiver und mit mehr Freude an der Sache gearbeitet wird. Insbesondere könnte man dann diese überbordende Sozialbürokratie abschaffen in der viele Menschen in unproduktiven Arbeitsplätzen festgehalten werden. Auch diese Menschen könnten (würden und müßten) dann produktiv arbeiten.

     

    Nach meinem Eindruck hat Herr Srnicek überhaupt gar nicht verstanden was das Ziel vernünftiger Wirtschafts- und Sozialpolitik sein sollte.

    • @Werner W.:

      Welche Realität sehen sie denn? Offenbar kann man doch Dinge sehr unterschiedlich sehen, wenn man aus unterschiedlichen Perspektiven schaut , schauen sie sich also die Arbeitslosigkeit in Stuttgart oder in Deutschland an, sehen sie Deutschland als ein losgekoppeltes System, das einfach sehr gut wirtschaftetund deswegen soviele Arbeitsplätze "schafft". Ja, Deutschlands Industrie ist sehr effizient. Das soll auch kein Vorwurf an Deutschland sein, aber Fakt ist doch das die Industrie hier nur Gewinne einfährt weil sie im Bezug auf Deutschland eine massive Überproduktion hat, zum Glück beliefern wir aber ja auch den Rest der Welt. Können die anderen ja auch machen, eben nicht, das ist ja der Punkt. Die Marktwirtschaft hat nun mal als ureigenstes Prinzip immer effizienter zu werden, dass heißt eine immer größere Produktion mit immer weniger Menschen zu bewältigen. Das funktioniert solange wie unser Wohlstand im selben Tempo mitwächst, da wir dadurch die Effizienzsteigerungen ausgleichen können. Nun haben wir aber dummerweise 2 Probleme, zum einen ist diese Welt nicht dafür ausgelegt das unser Wohlstand ins unendliche steigt, zum anderen kann der Wohlstand nur steigen wenn die Gewinne zumindest an halbwegs breite Bevölkerungsschichten verteilt werden, sonst kann schließlich niemand noch mehr konsumieren und unsere wunderbarer Traum vom ewigen Wachstum funktioniert auch nicht mehr. Aber vielleicht lebe ich ja garnicht in der Realität und unser aller Wohlstand wächst doch noch ins unendliche und die ganze Welt wird in 50 Jahren industrialisiert sein und weltweit wird es nur 5% Arbeitlosigkeit geben.

    • @Werner W.:

      P.S.: Nicht zu vergessen, dass Deutschland seit der Sanktionierungsagenda inzwischen den größten europäischen Niedriglohnsektor in Kombination mit geringsten Mindestlöhnen hat.

       

      Schon toll, Ihre "stetig steigenden Vollarbeitsplätze"...

    • @Werner W.:

      "Es ist die Frage zu diskutieren ob Herr Srnicek die Realität richtig (und überhaupt) sieht. Schon seit vielen Jahren Jahren steigt die Zahl der Vollarbeitsplätze stetig und es werden in einigen Bereichen Mängel an Arbeitskräften gesehen."

       

      Also sämtliche seriösen Statistiken belegen, dass das "Jobwunder" seit Einführung der Agenda 2010 keines ist, weil die gestiegene Erwerbstätigkeit (um knap 7% von 2003-2013) einer wesentlich geringeren Änderung des Gesamtarbeitsvolumens entgegensteht. Dafür haben sich gleichzeitig Erwerbstätigkeiten in Teilzeit (+25%) und geringfügiger Teilzeit (+17%) insbesondere für Frauen exponentiell erhöht.

       

      Sie sehen wohl nur die "Realität", die Sie sehen wollen bzw. die Ihnen die faken Jubelarien von INSM und Nahles eintrichtern.

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Erste Unterstellung: Nick Srnicek kennt die Arbeitswelt nicht, er hat sie nie von innen gesehen, schreibt also über Dinge die für ihn schwer zu fassen sind.

    Damit verbunden ist die zweite Unterstellung: Er hat nicht wirklich die physische und psychologische Beziehung des Menschen zu seiner Arbeit, zum Produkt seiner Arbeit und den Arbeitenden um ihn herum im Blick.

     

    Die als zwangsläufig erachtete Aussicht einer neuen Zweiklassengesellschaft verwundert daher nicht: diejenigen, die noch die automatisierte Produktion am Laufen halten und im klassischen Sinne arbeiten und diejenigen, die vom Produktionsprozess bedingungslos befreit sind, deren Existenz dennoch gesichert ist. Die alte Frage nach Besitz der Produktionsmittel wird dabei anscheinend stillschweigend als erledigt angesehen.

     

    Man sollte immer skeptisch gegenüber solchen Visionen sein, die reine Schreibtischprodukte sind. Umso mehr, als hier die Vision einer durch und durch digitalen und automatisierten Welt beschworen wird. Was unterscheidet denn das von der kapitalistischen Sicht auf die Zukunft?

    Neue inhumane Verhältnisse an den Arbeitsplätzen der Zukunft drohen.

    Die Ökologie scheint darüber hinaus sowieso keine Rolle zu spielen. Unter welchen Bedingungen ein Weizenfeld bestellt werden soll, eine Kuh gehalten werden soll, Grundlagen unserer physischen Existenz, müssen in unseren Zukunftsbetrachtungen unbedingt enthalten sein.

    • @61321 (Profil gelöscht):

      Es ist ziemlich eindeutig, wer hier keinen Bezug zur Realität hat, wenn Sie glauben, dass für Akademiker die Couch Potato-Schlaraffenlandgelder einfach so vom Himmel fallen, während Sie arbeiten gehen.

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @kami:

        Wenn Sie diskutieren möchen, sehr gerne, gehören doch Ihre Beiträge regelmäßig zu den hoch-anspruchsvollen intellektuellen Herausforderungen in den hießigen Kommentarspalten.

        Allerdings sollten Sie dann auf irgendwas von dem eingehen, was ich schrieb, zumal ich durch Ihre pointierten Einwände dann möglicherweise echt herausgefordert werde

        • @61321 (Profil gelöscht):

          Danke für die Blumen.. aber es ist doch ziemlich klar, worauf sich diese Antwort bezieht - nämlich auf Ihre Unterstellung, die Sie schon gleich zum Einstieg Ihres Kommentars hinlegen. Ich zitiere Sie nochmals: "Erste Unterstellung: Nick Srnicek kennt die Arbeitswelt nicht, er hat sie nie von innen gesehen, schreibt also über Dinge die für ihn schwer zu fassen sind."

           

          Aha. Publizisten und Universitätsdozenten wie Srnicek haben also "keinen Bezug zur Arbeitswelt". Sorry, das ist doch Blödsinn - und übrigens eine krachende Beleidigung für alle, die in diesen Bereichen ARBEITEN. (Und zwar heutzutage immer mehr arbeiten für immer weniger Geld in immer unsichereren Beschäftigungsverhältnissen, wenn sie nicht gleich als "selbständige" Lektoren mit "Lehrauftrag" verheizt werden. )

          Ihr Kommentar ist einer von gleich dreien hintereinander, die nicht nur dem promovierten Absolventen der London School of Economics mal eben keine Ahnung von Ökonomie und Arbeitswelten unterstellt, sondern die dem Universitätsdozenten und Autor mehrerer Fachbücher unterstellen, die Realität von Arbeit überhaupt nicht aus eigener Anschauung als Teil der arbeitenden Bevölkerung zu kennen.

           

          Ich stimme bei weitem auch nicht mit allen Thesen Srniceks überein, aber das ist doch wirklich kein Einstieg in anspruchsvolle Diskussionen. - Und noch dazu, wie schon gesagt, eine echte Beleidung für ganze hart arbeitende Berfugssparten (übrigens inclusive meiner Wenigkeit).

          • 6G
            61321 (Profil gelöscht)
            @kami:

            Ein Vorschlag: ich lese mich da etwas ein und wenn die nächste Gelegenheit kommt , können wir weiter reden (wird ja hier nicht der letzte Artikel zum Thema sein).

            Mit meiner vorgefassten Meinung allein macht es wenig Sinn zu diskutieren. Zugegeben.

            • @61321 (Profil gelöscht):

              Ja, können wir sehr gerne machen. Allerdings ging es in den obigen Kommentaren ja nicht wirklich um die Thesen in Srniceks Büchern, sondern Ihre Unterstellungen bezüglich angeblich "Arbeit nicht aus eigener Anschauung kennenden" Unidozenten und Publizisten im Allgemeinen und Srniceks Person im Besonderen. Um die zu überdenken braucht es m.E. kein Einlesen in seine Bücher - aber vielleicht ein Einlesen in die heftigen Arbeits- und Bezahlungskonditionen in diesen Branchen.

  • Was versteht der werte Herr Srnicek eigentlich unter "Neoliberalismus"?

    Der Begriff ist doch zu einer abgedroschenen Phrase der Linken verkommen.

    Ähnlich wie beim "Wer-als-erster Faschismus-schreit-hat-gewonnen" beeilt sich der Neoaktivist, am Diskurs vorbei Parolen zu brüllen. Und wundert sich dann warum sich nichts verändert.

    Oh, und diese Visionen:

    "Eine linke Version des bedingungslosen Grundeinkommens ist aber kein Feigenblatt, sondern eins von vielen Instrumenten zur Umverteilung von Reichtum und Macht. "

    Aber klar, die saturierte Couch-potatoe will unbedingt etwas an am Schlaraffenland verändern!

    Träum weiter, Genosse.

    • @Saccharomyces cerevisiae:

      "Saturierte Couch-potatoe"? "Schlaraffenland?"

       

      Genau, und Smieceks Bücher und Artikel haben sich alle von alleine geschrieben, wie sich sicher auch seine Seminare alle von alleine vorbereiten und halten, und ein paar Schlaraffenlandelfen die Hausarbeiten und Abschlussarbeiten seiner Studierenden korrigieren und Gutachten dafür schreiben.

       

      Haben Sie und die Herren über Ihnen eigentlich die geringste Ahnung, mit wieviel Arbeit sich Universitätsdozenten dieser Tage wie wenig Geld erarbeiten???

       

      Es ist eine Sache, inhaltlich gegen seine Positionen zu argumentieren. Aber diese Unterstellungen, der Autor müsse ein fauler Schmarotzer sein, sind echt unterirdisch. Passt aber gut zu Ihren sonstigen Ausführungen zu "linken Phrasen" und Gegreine darüber, dass alle angeblich immer gleich Faschismus schreien. Fehlt nur noch ein bisschen PI-Sprech zu "SJWs" und "political correctness-Diktatur."

      Wenn hier was saturiert und selbstgefällig ist, dann diese ekelhafte neurechte, permanent andere aufs Ignoranteste herabsetzende Tour.

      • @kami:

        Wie kommen Sie, "Kami", denn aus die Idee dass sich die "saturierten Couch-potatoe" auf den Autor oder irgendwelche Dozenten bezog und nicht auf die Hypothese vom "linken Instrument zur Umverteilung"?

        Abgesehen davon weiß ich ziemlich gut was Dozenten so verdienen:

        TV-L E 13 (je nach Stufe zwischen 3600 und 5200 €/Monat plus Zulagen)

        Jammern auf hohen Niveau hat.

        • @Saccharomyces cerevisiae:

          Naja, wen Sie mit einer direkten ad-hominem-Watschen gegen Srnicek in Ihren Kommentar einsteigen und mit einer direkten ad-hominem-Watschen gegen Srnicek enden, bietet sich schon die Interpretation an, dass "die saturierte Couch-potatoe" dazwichen sich nicht plötzlich auf was anderes bezieht.

           

          Süß übrigens, dass Sie mal eben TV-L E 13 gegoogelt haben. Jetzt googeln Sie doch auch bitte nochmal, wie viele Mittelbauler volle feste TV-L E13er-Stellen haben und wie viele auf Teilzeit-Fristverträgen arbeiten, wo von den de facto 70 erbrachten Wochenstunden nominell ein Bruchteilchen davon in den Verträgen ausgewiesen sind und bezahlt werden. Oder wie die Mittelbauler nach Ende ihrer Teilzeitfristverträge dann noch komplett unbezahlt die Hausarbeiten- und Abschlussarbeitenstapel aus dem vorigen Semester korrigieren müssen etc. Ist schon lustig, wenn einer anderen fehlende Realitätskenntnis vorwirft, der selbst nicht zwischen Realität und einer was-man-theoretisch-bekommen-würde-wenn-man-theoretisch-solche-Verträge-noch-bekommen-könnte-Tabelle unterscheiden kann. 3600-5200€/Monat plus Zulagen? Ich zitiere Sie mal: "Träum weiter."

          • @kami:

            Die Frage nach Srniceks Definition ist also eine "Watschn"? Wenn der Begriff "Neoliberalismus", wie es nun mal Realität ist, als Anklage und Stigma per se herhalten muss stellt sich schon die Frage was der einzelne Verwender eigentlich darunter versteht.

            Wenn Dozenten und wissenschaftliche Hilfskräfte von ihren Fakultäten in einem wie hier geschilderten Maße ausgebeutet werden, wieso wehren sie sich nicht mit den zur Verfügung stehenden arbeitsrechtlichen Instrumenten wie Verweigerung von unbezahlten Überstunden oder Klagen auf Entgelt vor dem Arbeitsgericht?

            Weil Sie Angst um ihre Master- oder Doktorarbeit haben?

            Dann steht der Rechtsweg auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses offen.

            Oder weil Sie einfach keine andere Beschäftigung mit dem jeweiligen Studienabschluss finden?

            Dazu kann ich nur eine zugegebenermaßen sehr sarkastische Oberstudienrätin (A 14) zitieren:

            "Das Ergreifen eines Berufes zur persönlichen Zufriedenheit ist ein Ausdruck von höherer Intelligenz".

            Aber das war jetzt nicht beleidigend gemeint.

  • die hohen Feiertage der ARbeiter, alle vergessen

    1.Mai von ARbeitern erkämpft vergessen. 17 JUNI , glaube ich, Aufstand der ARbeiter in Berlin vergessen- und alles ohne die Dichter, sänger usw Bert Brecht hatte sich sogar während die Arbeiter gegen rusischen Panzer kämpften versteckt

    keine Zeile wert naja

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Georg Schmidt:

      Passt nicht ins Narrativ.

  • Immer mehr schlechte Jobs und jeder kämpft um seine Existenz?

    Leider nicht Teil meiner Beobachtung, zumindest hier in DE.

     

    Viele Absichten und keine konkrete Vorgehensweise? Verstehe ich, detaillierter kann man auch nicht sprechen da die Konsensfähigkeit der Linken nicht vorhanden ist.

     

    Think Tank gründen? Von Links? Hat bestimmt herausragenden programmatischen Erfolg, insbesondere wenn es um die Finanzierung geht.

     

    Gewerkschaften waren früher stärker? Wenn die nur noch für saturierte VW und Bosch MItarbeiter Haustarifverträge aushandeln und rote Fahnen schwenken am 1.Mai. Dann sind die leider auch überflüssig.

     

    usw.usf.

    Neoliberalismus... soll er doch gucken wie er ohne uns weiterkommt.

    Macht er! Da können Sie sich mal ganz sicher sein.

    • @Tom Farmer:

      ja, aber Deutschland als losgekoppeltes singuläres System zu sehen ist nicht sinnvoll. Wir haben nur deswegen eine ziemlich hohe Beschäftigungsrate weil wir eine Überproduktion haben um zu exportieren, die Marktwirtschaft baut schon darauf auf sukzessive für die gleiche Arbeit immer weniger Leute zu brauchen, deswegen müssen wir dann mehr konsumieren, damit trotzdem noch alle Arbeit finden, das geht solange gut bis natürliche Grenzen des Wachstums erreicht sind, oder aber die Effizienzsteigerungen größer sind, als unserer Konsum mitwachsen kann, ein weiteres problem könnte auch sein, das der Konsum nicht wachsen kann , da der Wohlstand einfach nicht mehr genug in die Breite gestreut wird. Vlt sehen sie das Problem?

      • @wirklich?:

        Ich kann IHren Argumenten (auch wenn natürlich etwas eindimensional, da die von einem Produktions-Status ausgehen von dem einfach hochgerechnet wird, sozusagen egal welche Produke in der Zukunft nachgefagt werden) folgen, sehe jedoch weder bei Ihnen noch beim Interviewten Problemlösungsansätze.

         

        Weniger Arbeit? Nein andere Arbeit, das wäre ein Ansatz. Welche? Wäre so ein HInweis für eine konstruktive Frage.

        • @Tom Farmer:

          Da stimme ich mal mit Ihnen überein, auch wenn ich Ihre obige Einschätzung nicht teile, dass immer mehr schlecht bezahlte Jobs in D gar kein Problem seien. (Die Statistiken zur wachsenden Schere zwischen Arm und Reich und dem explodierten Niedriglohnsektor in D zeigen da ganz andere Fakten, siehe meine Antwort an "Werner W." weiter oben.)

           

          Dennoch braucht es dafür in der Tat neue Ansätze - und zwar nicht nur für neue Arbeitsformen, sondern auch neue Absicherungsformen von Arbeitslosen, Kranken etc. und deren Finanzierungsquellen aka Besteuerung.

          Unser gesamtes Sozialsystem beruht ja irrwitzigerweise fast ausschließlich auf der Besteuerung von Lohnarbeit - während Fantastilliarden z.B. im Finanzsektor gemacht werden, die komplett unter- bzw. unbesteuert bleiben. Dito für leistungslose Geldsegen wie hohe Erbschaften etc.

           

          Allerdings sehe ich im Gegensatz zu Ihnen die Idee eines BGEs nicht einfach als altbackene Umverteilung unter Beibehaltung eines problematischen Status quo. Es gibt da ja sehr verschiedene BGE-Modelle, aber so ziemlich alle haben Implikationen bezüglich der Art und Rolle von Lohnarbeit, die weit über bloße Umverteilung hinausgehen. Ganz ehrlich: Haben Sie sich mal eingehender mit dem BGE beschäftigt? Ihre Kommentare dazu wirken nicht so.

           

          Bis umfassende Systemänderungen in Bezug auf neue Arbeitsformen etc. erdacht und erreicht sind, habe ich im Gegensatz zu Ihnen übrigens auch keine Probleme damit, auch erstmal umzuverteilen. Es ist ganz einfach mehr als genug für alle da, nur immer ungerechter verteilt. Diese ungerechte Entwicklung hat rein gar nichts mit "Leistung" zu tun, und ist das Ergebnis einer künstlichen Umverteilung von unten nach oben. Wieso also bitte nicht mal etwas RÜCKverteilung von oben nach unten? Wir hatten das schon mal in anderen Kommentarspalten: Ihre Kritik an Umverteilung sieht komischerweise immer nur die Rückverteilung von oben nach unten und nie die vorige bzw. aktuelle Umverteilung in die andere Richtung.

  • Die Gesellschaft die Aufhört zu arbeiten wird früher oder später von einer arbeitenden Gesellschaft überholt. Der Mensch muss sich für Essen, Gesundheit und ein Dach überm Kopf die Hände schmutzig machen. Seit Millionen von Jahren.

  • Die Lobbypolitik der Linken hat dahingehend versagt, dass die Einkommensschere innerhalb der Arbeitnehmerschaft größer geworden. Ihr Klientel sind die gewerkschaftlich Organisierten und deren Besserstellung. Vergessen wurde der Sektor der Geringstverdienenden, den man in jedem größeren Betrieb finden kann.

  • Heutzutage passt in der Arbeits- oder Entfremdungswelt meiner Meinung nach so ziemlich gar nix, die schöne neue Automatenwelt ist da aber wirklich keine wünschenswerte Alternative - eher so im Gegenteil.

  • “ Der Sozialismus stimmt mit der Bibel darin überein, wenn diese sagt:

    Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. "

     

    August Bebel " Die Frau und der Sozialismus "

    • @Wahrheitundklarheit:

      Da sieht man dann doch, dass Arbeitervertreter wie Bebel nicht zu denen gehören sollten, die sich mit geistiger Arbeit beschäftigen sollten.

      Zum griechisch lernen fehlte ihm da was. Evtl. auch zum Lesen in Deutsch. (Ich weiß nicht, welche Übersetzungen damals in Deutschland vorlagen.)

       

      Im Original und auch in den meisten mir bekannten Übersetzungen ist die Rede von:

      "Wer nicht arbeiten WILL, soll auch nicht essen."

       

      Als Paulus lebte, also vor 2000 Jahren, kann da auch noch was dran gewesen sein.

    • @Wahrheitundklarheit:

      Äh, wo hier gerade gebibelt wird:

       

      Matthaeus 6

      Darum sage ich euch: Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, auch nicht für euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr denn Speise? und der Leib mehr denn die Kleidung? 26Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie? Wer ist aber unter euch, der seiner Länge eine Elle zusetzen möge, ob er gleich darum sorget?…

    • @Wahrheitundklarheit:

      Und wenn wir bei der Bibel bleiben wollen, dann steht uns das Paradies intra vitam resp. ante morem eh nicht zu.

    • @Wahrheitundklarheit:

      da würden in D aber viel verhungern vor allen in Berlin