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Never Ending Story

Zwist Heute entscheidet das Oberlandesgericht Köln über die „Tagesschau“-App. Das wird den Streit zwischen ARD und Verlegern kaum beenden

Mathias Döpfner hat sein Urteil längst gefällt: „Schauen Sie sich die Apps der ‚Tagesschau‘ oder auch einiger regionaler Sender an“, sagte der Springer-Chef und oberste Verlagslobbyist am Montag auf dem Kongress des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in Berlin. „Wenige Videos. Stattdessen: Texte, Fotos, Texte, Texte. Das ist und bleibt öffentlich-rechtliche Gratispresse.“ Und die, findet Döpfner, gehöre verboten.

Seit Juli ist Döpfner BDZV-Präsident. Den Streit gegen ARD und NDR in Sachen „Tagesschau“-App führt er aber, mit sieben weiteren Verlagen, bereits seit fünf Jahren. Ihre Argumentation: Die „Tagesschau“-App verzerrt den Wettbewerb. Während die Verlage ihre Onlineangebote selbst finanzieren müssen, kann die ARD auf Gebührengelder zurückgreifen. Der Rundfunkstaatsvertrag verbietet den Sendern allerdings nichtsendungsbezogene, presseähnliche Angebote im Internet.

Was bisher geschah

2013 hatten die Richter des Oberlandesgerichts Köln in zweiter Instanz befunden, dass die App Teil des Telemedienangebots von tagesschau.de sei. Weil die niedersächsische Staatskanzlei tagesschau.de nach einem sogenannten Drei-Stufen-Test durch den NDR-Rundfunkrat freigegeben hatte, sei auch die App rechtens. Die Verleger, darunter auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, die Süddeutsche Zeitung GmbH und die Funke Mediengruppe, zogen weiter zum Bundesgerichtshof. Der wies die Klage im April 2015 zurück an das Oberlandesgericht Köln.

In der ersten mündlichen Verhandlung am 5. August dieses Jahres gab es kein Ergebnis, dafür aber überraschend eine Tendenz zugunsten der Verlage. Der vorsitzende Richter Hubertus Nolte sagte, dass bei der App die Texte im Vordergrund stünden und ein Bezug zu bestimmten Sendungen nicht erkennbar sei. Die NDR-Vertreter störten sich jedoch an der Verhandlungsgrundlage: Zur Diskussion steht nur das Angebot der „Tagesschau“-App vom 15. 6. 2011. Das reiche nicht aus, um die App als Ganzes zu beurteilen, sagen NDR-Anwalt und Justiziar.

Hinter dem Streit steht mehr als nur das Angebot der App an diesem einen Tag. Die Frage ist, wie der Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen aussehen kann in Zeiten eines radikalen Medien­wandels. Es gibt nicht mehr nur Fernsehen oder Radio, Menschen lesen, hören und nutzen alle Kanäle. Auch Nachrichtenseiten produzieren Texte, Bilder und Videos – ohne dabei als „fernsehähnlich“ zu gelten. Wären sie das, müssten sie an strengere Regeln in Sachen Werbung und Jugendschutz halten. Die grüne Medienpolitikerin Tabea Rössner plädiert daher für eine neue Medienpolitik. Es sei nicht nachvollziehbar, warum ein Text einer App presseähnlich sein soll, ein Blogbeitrag aber nicht, schreibt sie in einem Gastbeitrag für irights.info. Der Streit um die „Tagesschau“-App sei ein guter Anlass, öffentlich-rechtlich im Netz neu zu denken.

Die ARD äußert sich vorab nicht, welche Entscheidung sie erwartet. Aus ARD-Kreisen ist allerdings zu hören, dass man eher mit einem Urteil zugunsten der Verleger rechne. Dabei ist fraglich, wie weitreichend ein solches Urteil sein kann, da es sich ja nur auf die App-Inhalte eines Tages beziehen wird. Mittlerweile ist die App aber sowohl inhaltlich als auch gestalterisch weiterentwickelt, ARD und Verlage führen abseits der Gerichte Gespräche über die zukünftige Gestaltung der App. Spannend wird, ob die Richter heute konkrete Lösungsvorschläge oder zumindest -ansätze unterbreiten werden. Zum Beispiel, wie viel Prozent des Angebots der App aus Video, Audio und Text bestehen darf.

Mathias Döpfner sagte am Montag in Berlin, die Intendanten der ARD planen, die Presseähnlichkeit zurückzubauen. „Ich hoffe, dass den Worten diesmal wirklich Taten folgen. Sonst müssen unseren Worten massive juristische Schritte folgen“. Anne Fromm

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