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NeuwahlenBeunruhigende Aussichten

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

In normalen Zeiten wäre eine Große Koalition mit der SPD als sozialem Korrektiv nicht schlimm. Aber die Zeiten sind nicht normal.

Am Ende könnte eine Große Koa­lition stehen – mit Merz (r.) als Kanzler und Boris Pistorius (l.) als Vizekanzler Foto: imago

N ach dem Ampel-Kollaps drängen sich drei Fragen auf: Ist die deutsche Demokratie widerstandsfähig gegen feindliche Übernahmen, wie sie Trump in den USA probt? Hat eine Mitte-links-Partei wie die SPD eine Antwort auf den rechten Zeitgeist? Und welche Regierung bekommen wir?

In dem kleinteiligen Gezerre um den Wahltermin ist eine wichtige Nachricht fast untergegangen: Die Union hat der Versuchung widerstanden, die taumelnde Ampel-Restregierung zu demütigen, indem sie etwa die Unterstützung der AfD in Kauf nimmt. Wohl aus Überzeugung. Dafür spricht, dass die Union allem Theaterdonner zum Trotz mit Rot-Grün noch ein Gesetz verabschieden will, dass das Bundesverfassungsgericht vor rechtsextremen Angriffen schützt.

Die Bundesrepublik verfügt über austarierte checks and balances. Das föderale System ist robust, jedenfalls so lange niemand der AfD die Tür zur Macht öffnet. Ja, die Demokratie steht unter Druck. Doch für Alarmismus gibt es keinen Grund. Der Zeitgeist aber ist solide rechts, der Raum für Fortschritt und solidarische Lösungen eng. Dass Mi­granten uns bedrohen, dass Bürgergeldempfänger Faulenzer sind, die uns ausbeuten, und der klimaneutrale Umbau ein wokes Elitenprojekt ist – all das sind keine rechten Stereotype mehr. Sie sind in den Mainstream eingesickert und klingen bei Union, AfD und Springer-Verlag mitunter ähnlich.

Für Mitte-links-Parteien wie die SPD ist diese Lage ungünstig, um das Mindeste zu sagen. Sollen sie radikal und populistisch auf Anti-Eliten-Affekte setzen? Oder lieber brav mittig sein? Wenn man nach Österreich und Großbritannien schaut, scheint sogar diese Frage müßig zu sein.

In Deutschland wird es, anders als 2021, keinen Gerechtigkeits-, sondern einen Sicherheits­wahlkampf geben

Beides kann derzeit scheitern. In Österreich ist SPÖ-Mann Andreas Babler mit einem entschlossen linken Programm bei den Wahlen untergegangen. In Großbritannien hat Keir Starmer die Wahl gewonnen. Aber nach drei Monaten im Amt weiß niemand, was Starmer mit der Macht eigentlich will. Kurzum: Radikal gewinnt man keine Wahl. Aber mittig sein ist auch keine Antwort.

In Deutschland wird es, anders als 2021, keinen Gerechtigkeits-, sondern einen Sicherheitswahlkampf geben. Viele fürchten die Zukunft und flüchten vor dem Veränderungsdruck in aggressive Nostalgie. Die Wahl 2025 wird gewinnen, wer Stärke, Härte, Stabilität ausstrahlt. Was kann die SPD in dieser Lage tun? Sich anpassen? Entschlossen auf Gerechtigkeit pochen? Die SPD wirkt ratlos. Sie wird wohl mit Olaf Scholz, dem erprobten Krisenmanager, antreten.

Friedrich Merz, so das Kalkül, hat keine Regierungserfahrung und wirkt oft unberechenbar. Doch bloß auf Fehltritte des Konservativen zu hoffen, ist zu wenig. Dass Merz der SPD den Gefallen tut, als arroganter Ex-Black-Rock-Manager aufzutreten, der nur die Besserverdiener im Sinn hat, ist nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Die SPD bräuchte im Wahlkampf keinen Technokraten wie Scholz, sondern jemand mit frischer Leidenschaft und frei vom Trümmerimage der Ampel. Den wird kaum geben.

Konsensrepublik Deutschland

Deutschland ist noch immer eine Konsensrepublik. Das Verhältniswahlrecht prämiert, anders als in den USA, die Mitte. Wie oft in Krisenzeiten kann am Ende eine Große Koa­lition stehen – mit Merz als Kanzler und Boris Pistorius als Vizekanzler. Das wäre gut, weil es mit der SPD keinen radikalen Sozialstaatsabbau geben wird. Und trotzdem ist diese Aussicht beunruhigend. Dass die Groko, die früher im Ruf stand, die Extreme zu fördern, nun eine Trutzburg gegen die AfD sein soll, ist eine fragwürdige Vorstellung. Außerdem herrscht erstaunliche Amnesie. Vor gerade einmal dreieinhalb Jahren warfen sich SPD und Union in der Regierung noch gegenseitig Knüppel zwischen die Beine. Alle, auch SPD und Union, waren froh, als diese Stillstandskoalition endlich vorbei war.

In normalen Zeiten wäre eine Groko nicht so schlimm. Aber die Zeiten sind nicht normal. Das deutsche Modell steht unter extremem Stress: Die Exportindustrie schwächelt, Trump droht mit höheren Zöllen. Dieser Deglobalisierungsschub wird Deutschland hart treffen. Gerade jetzt braucht man einen entschlossenen, interventionistischen Staat, der wie die USA und China die digitalen und klimaneutralen Schlüsselindustrien mit viel Geld fördert. Doch Merz will nur vielleicht die Schuldenbremse ein wenig lockern, AKWs wieder in Betrieb nehmen und erneuerbare Energien und Elektromobilität eindampfen. Vorwärts in die 90er Jahre – die Kluft zwischen dem, was nötig, und dem, was möglich ist, würde in der Groko sehr groß sein.

Viele haben sich das Aus der Ampel gewünscht, weil sie ein Ende mit Schrecken wollten. Das kann eine Täuschung sein. Der Schrecken liegt nicht hinter, er liegt eher vor uns.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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30 Kommentare

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  • "Gerade jetzt braucht man einen ... Staat, der ... die digitalen und klimaneutralen Schlüsselindustrien mit viel Geld fördert."

    demnach also wieder nix mit WOHNUNGSBAU:



    alles weder "digital", noch schlüsselindustrie noch klimafreundlich.



    und der sand ist auch knapp.

  • Es ist sehr wohl schlimm, wenn die masse und sogar ihre leitmedien eine kooperation mit faschisten und korrupten vollidioten als "nicht schlimm" ansieht.



    Egal ob in krisenzeiten oder nicht.

    Wie war das mit der heuchelei der libertären, ganz zu schweigen von der heuchelei der sogenannten "konservativen" "libertären" (sic!) .... ?!!!

    Das die spd die korruptheit und falschheit der fdp nicht von vornherein sah, bze ernst nahm, bzw die letzten 100 jahre so getan hat, als wäre der neoliberalismus was gutes, ist doch nicht teil der lösung, sondern teil des problems!

    Die SPD ist leider mehr problem als lösung!



    Das war sie schon vor 100 jahren als die faschisten nicht aufgehalten wurden, weil die sogenannten "libertären" unternehmer ... egal ob sozial bewusst oder gottesfürchtig .... nicht genug dagegen getan haben.



    und 100 jahre später sieht es nicht anders aus!!!

    nicht schlimm???



    es ist schlimm und ist genau das was uns hierher geführt hat!

  • Die vergangenen großen Koalitionen der Merkel-Zeit haben den Grundstein für viele der heutigen Krisen gelegt, durch Exportorientierung, Schuldenbremse, soziale Ungleichheit, Abhängigkeit von Russland, Untätigkeit bei der Energiewende, Fehlen von Industriepolitik und so weiter. Von daher verstehe ich nicht, was "normale Zeiten" sein sollen, ich weiß auch nicht, was "nicht so schlimm" heißen soll.

    • @Wonko the Sane:

      Gute Fragen. Merz lebt noch in den Vor-GroKo-Zeiten, er ist ja nun genauso wenig bereit, Korrekturen an diesen Fehlentwicklungen vorzunehmen, wie es der Ampel möglich war.



      Aber ausgehend von einem nahezu vergleichbaren Wahlergebnis, wie es die Umfragen jetzt für die SPD prognostizieren, könnte die FDP nach der verkürzten Legislatur aus dem Parlament fliegen. Vielleicht überlegt die SPD noch mal, ob sie sich das leisten kann.

  • "Gerade jetzt braucht man einen entschlossenen, interventionistischen Staat"

    Nein, nein und nochmals nein.

    Einen entschlossenen Staat vielleicht. Aber einen, der sich entschlossen sehr weit zurücknimmt, die irrwitzig kleinteiligen Regelungen für alles und jedes abschafft (Bauer, ich sag dir, wann du düngen darfst, welchen Baum du fällen musst, Unternehmer, ich sag dir, wie du dein Unternehmen führen darfst, Bürger, ich sagt dir, wie du heizen darfst, welches Auto du fahren darfst...), und damit in der Lage ist, seine in 40 Jahren immer aufgeblähtere Verwaltung zurückzufahren.

    Einen Staat benötigen wir, der seine Kernaufgaben ordentlich erfüllt: Perfekte Infrastruktur, Bereitstellung von Energie, Gesundheitsversorgung, Bildung und Ausbildung, Sicherung der Renten, Förderung von Familien (ohne die Kinder wird es nämlich nix).

    Was definitiv nicht gebraucht wird: Ein Staat, der seinen Bürgern erst mindestens die Hälfte ihres Geldes abnimmt, sich dazu nochmal 20 % von jedem Gut einverleibt, um dieses Geld dann in Projekte zu stecken, von denen die politische Elite je nach Couleur denkt, was grade wichtig sein könnte.

    Diesen interventionistischen Staat brauchen wir nicht!

  • Mich erstaunt die Frage, ob sich die SPD dem Rechtsruck entgegen stellen kann. Die SPD ist selbst Ausdruck und Vollstrecker des Rechtsrucks. Wäre sie das nicht, käme die Partei gar nicht auf die Idee mit der CDU/CSU zu koalieren.

  • Pardon, das deutsche System ist nicht robust. Und nicht mal besonders gut. Sonst wäre ein Nachsatz "solange keiner der AfD Tür und Tor öffnet" überflüssig.

    Tatsache ist, dass es eben viel zu wenig checks sind balance gibt. Es hat bisher funktioniert, weil der Schock der Kriegs- und Nachkriegsgeneration eine disziplinierte Politikergeneration geschaffen hat die offensichtliche Lücken nicht missbraucht haben. Das fehlt jetzt, nicht nur bei der AfD.



    Denn die Angst ist doch nicht "die ändern das System" sondern "die machen das, was wir längst machen, aber mit ihren Leuten und gegen uns".



    Weisungsgebunde Staatsanwaltschaften, Inlandsgeheimdienste die politisch instrumentalisiert werden, enge Verflechtung von Politik und ÖRR. Richter nicht nach Eignung, sondern nach Parteizugehörigkeit benennen ("neu" ist mittlerweile dass man nicht mehr mal den Anschein wahrt: ein Herr Harbarth dürfte nicht da sitzen wo er sitzt, ihm fehlt die formelle Qualifikation).

    Ja, wir haben Krisenzeiten, die erste echten seit bestehen der Bundesrepublik, und da sieht man Systemfehler deutlicher. Behebt diese demokratisch und nicht als Waffe die von den Falschen gegen einen verwendet werden kann.

  • Danke für diesen sehr hellsichtigen Artikel!



    Insbesondere das Fazit teile ich.



    Ein Kanzlerkandidat, der mit Vollgas zurück in die 90er will, ist nicht nur konservativ, er ist schlicht aus der Zeit gefallen.



    Die Wirtschaft stärkt man nicht, indem Technologien von gestern gesundgebetet werden. Wenn die deutsche Autoindustrie weiter auf den Verbrenner setzt, wird sie untergehen. Natürlich kann die Industrie gefördert werden, doch die Binnennachfrage wird in den kommenden Jahren, in denen Handel mit den USA schwieriger werden wird und sich die Zollstreitigkeiten mit China ausweiten, zunehmen. Das heißt in die Verbraucher investieren.



    Das Gequatsche von hohen Löhnen und Lohnnebenkosten ist ja schon antik. Deutschland ist seit über einem halben Jahrhundert alles Andere als Billiglohnland und war trotzdem konkurrenzfähig.



    Dazu gehört aber eben auch Zukunftstechnologie und keine AKW's.



    Derzeit gibt es aus SPD Sicht noch keine Annäherung an die CDU . Anders bei den Grünen, bei denen einzelne, unbedeutendere Akteure, ja schon in der Ampel quergeschossen haben.



    Merz hat einfach mal seinen Abakus frequentiert und gemerkt, dass es an Grünen oder SPD nicht vorbeigeht Da ist Vorsicht geboten!

  • Ich glaube, es ist fast egal in welcher Konstellation Merz nach der nächsten Bundestagswahl regieren wird (denn das ernsthaft Scholz oder Habeck mit ihren Parteien an der CDU noch vorbeiziehen: dafür fehlt mir die Phantasie). Die nächste Regierung wird so oder so vom aktuellen Weltgeschehen beherrscht und als Getriebene handeln (müssen). Bei der Ukraine kommt es auf die USA an, die Wirtschaftskrise verlangt so oder so nach entsprechenden Maßnahmen, eine Rentenreform kann die SPD im Wahlkampf zwar leugnen, unumgänglich ist sie aber trotzdem. Zudem kommt noch, dass durch die Schuldenbremse „Wohlfühlpakete“ an einzelne Wählergruppen sowieso vorbei sind, oder zumindest stark limitiert. Das bei der aktuellen Wirtschaftslage und dem damit vorhandenen Druck auf die Politik der Klimawandel „nach hinten geschoben“ wird: Das würden wahrscheinlich sogar die Grünen mitmachen, zumindest mit der aktuellen Parteispitze. Und AFD, Linke und BSW sind entweder gar nicht im Bundestag, oder nicht koalitionsfähig. Ich sehe für die Zukunft auch ziemlich schwarz, das liegt aber nicht an den möglichen Regierungskonstellationen. Ich glaube, die sind mehr oder weniger irrelevant…

  • "Der Zeitgeist aber ist solide rechts.....". Klar, denn die Grünen beschließen auf dem Parteitag keine Vermögensabgabe und sind sich nicht zu schade, den Antikapitalisten Rio Reiser zu vereinnahmen!



    Tiefer kann man nicht sinken? Mona Neubaur schaffte es, sich an Friedrich Merz heranzubiedern, indem sie warnte, ihn auf dem Parteitag nicht zu sehr in die Mangel zu nehmen.



    Klappte auch ganz gut, Friede, Freude, Eierkuchen. Selbstkritik war mit der Lupe zu suchen.



    Stattdessen Selbstbespiegelung mit Neubauer und dem ehemaligen Chef der Sicherheitskonferenz in München. Schade, dass Rio Reiser diesen Parteitag der Grünen nicht mehr vertonen und textlich bearbeiten kann!!!

  • Vom Fotto mal ab! Woll



    - Breitbeinman meets Beer Mats -

    kurz gefaßt - “Den wird kaum geben.“



    Besser kannste es nicht sagen! Wollnich

  • Der Unterschied zur letzten Groko ist doch offensichtlich. Die SPD ist nunmehr nurnoch eine der kleineren Parteien. Es IST keine Groko mehr, sondern eine Allianz der Mitte. Wenn sie einigermaßen klug sind, gehen sie voran.

  • "Doch Merz will nur vielleicht die Schuldenbremse ein wenig lockern, AKWs wieder in Betrieb nehmen und erneuerbare Energien und Elektromobilität eindampfen."



    Auch der Friederich will viel wenn der Tag lang ist, des mit den AKW hat sich gegessen, die EE wird weiter ausgebaut und E-Mobilität dito. Ich bin jetzt kein CDU-Insider, geh aber davon aus, daß die CDU so ansich etwas mehr im Jahr 2024 lebt wie der Chef und bei dem Strukturwandel eher die SPD am "Gestern" klebt. So als Tip würd ich dem Maggus, der wohl bis ende Februar öfter im Reichstag als in der Bayrischen Staatskanzlei anzutreffen ist, die Bullshit-Laberei überlassen, dem Schattenkabinett die Fachgebiete und Merz versucht sich weiterhin unbeirrt und wissend scheiternd als Charmebolzen.

  • "Wie oft in Krisenzeiten kann am Ende eine Große Koa­lition stehen – mit Merz als Kanzler und Boris Pistorius als Vizekanzler. Das wäre gut, weil es mit der SPD keinen radikalen Sozialstaatsabbau geben wird."



    Aussage Merz zuletzt im Bundestag: wir werden das Bürgergeld vom Kopf auf die Füße stellen.



    Aussage Linnemann heute: in einem Jahr wird es dieses Bürgergeld nicht mehr geben.



    Der Sozialstaatsabbau wird kommen, definitiv. Die CDU baut ihren Wahlkampf damit auf. Sie wird sich daran messen lassen müssen. Dementsprechend wird das Teil des Koalitionsvertrag werden.



    Und die SPD wird mitmachen. Keine Sorge. Wer das nicht glaubt hat wohl vergessen was Rot und Grün schon ohne Zutun der Union von ganz alleine in Sachen Migrationsverschärfung, Gekdkarte, etc beschlossen haben...🤷‍♂️



    Die AfD ist zweitstärkste Kraft bundesweit, stärkste im Osten. Das treibt auch weiterhin die Parteien.



    Den Luxus soziale Wärme zu fordern wird sich nur einer von Rot oder Grün leisten können - nämlich der der in der Opposition landet.

  • Ganz schön dystopisch hier alles, Die Dämonen sind überall. In den Parteien, im Souverän, in Putin, in Trump. Ich empfehle besonders dem Autor, sich einzugraben.Dort unten in der Dunkelheit liegt sie gut, die schreckliche Zukunft.

  • Bitte nicht schon wieder eine GroKo!

    Das hat insgesamt nur dazu geführt, dass langfristig beide großen Volksparteien nicht nur an Zuspruch, sondern vor allem an klarem politischem Profil verloren haben.

    Merz ist gerade wieder dabei, die CDU in die bürgerlich-konservative Richtung zurückzuführen, die SPD hat offenbar immer noch nicht zu sich selbst gefunden, was angesichts eines Olaf Scholz als Kanzler nicht verwundert, denn der betreibt ja nichts anderes als dieselbe Politik, die er schon von "Mama Merkel" kannte, nämlich ein behäbiges Dümpeln in der Mitte und bloß keine klaren Aussagen, sozusagen Regieren auf Sicht. In ereignislosen Zeiten mag das funktionieren, in unruhigen Zeiten wie diesen klappt das nicht.

    Wir stehen angesichts des Kriegs in der Ukraine und dem drohenden Ausfall der USA als verlässlicher Bündnispartner in Europa vor Bedrohungen, denen ein Zögerer und Zauderer wie Scholz nicht gewachsen ist, weil der die Führungsqualitäten eines Buchhalters oder Finanzbeamten, aber nicht die eines Bundeskanzlers hat.

    Fazit: Wir brauchen einen besseren Kanzler als Scholz und jedes Bündnis ist besser als eine Neuauflage der GroKo!

    • @Olli P.:

      ... und welches Bündnis schwebt Ihnen da vor? CDU und Grüne?



      Das wird dann auch nicht groß anders als eine GroKo mit CDU als starker Partei.

  • Ja. Es wird nicht einfach. Vermutlich muss es wirklich eine GroKo (hoffentlich - denn sicher ist das nicht) richten. Aber anstatt auf andere zu zeigen, muss sich die demokratische Linke an die eigene Nase fassen. Man hat es nicht geschafft, den Otto-Normalbürger (Kleinbürger, 50+, alte weiße Männer, Hausfrauen in Steuerklasse 5) auch nur ein wenig zu begeistern, sondern sich statt dessen zum Hassobjekt gemacht. Für die "reine Lehre", für das Gefühl der intellektuellen Überheblichkeit, für den "besten Gendersprech". Ein bisschen Demut wäre angezeigt. Und bitte die Feinde nicht dort suchen, wo sie nicht sind (Mitte-Mitte links, moderat rechts "aufgeklärte Konservative"), sondern eher im eigenen Lager schauen, wo man es aufgrund von Dogmatismus "verkaxxt" hat. Die Oma und der Opa müssen "mitgenommen" werden. Die stellen ja auch die Mehrheit der Wählenden.

    • @André Schlebes:

      Nicht nur Oma und Opa! Auch die Jungspunds wenden sich in Massen ab, von ein paar höheren Töchtern abgesehen.

  • In der letzten GroKo war von einer "sozialen Korrektur" seitens der SPD nicht viel zu merken. Ein reaktionärer Friedrich Merz wird das auch bei einer möglichen zweiten Groko nicht zulassen. Soziale Politik und SPD gehen schon seit Gasgerd Schröder nicht mehr zusammen. Deutsche wählen zuverlässig immer den gleichen Zirkus, nur ein paar Affen werden ausgetauscht. Bloß nichts Neues wagen.

    • @Minelle:

      Deutsche wählen immer das Gleiche? Irgendwann sind die Grünen dazugekommen, dann AfD, Die Linke, BSW und möglicherweise kommen die Freie Wähler auch in den Bundestag. Bei der letzten Wahl hatten die SPD/FDP/Grüne die Mehrheit. Es gab schon SPD/Grüne, Union/SPD, Union/FDP, und SPD/FDP.

      In Thürigen eine RRG mit Tolerierung der CDU. CDU/Grüne in Hessen, NRW und Badem Württemberg. SPD, Grüne Linke in Hamburg und Berlin. Bayern CSU/Freie Wähler, CSU/FDP.

      Im Osten bald BSW; CDU, SPD.

      Ja, ja, immer das Gleiche.

    • @Minelle:

      In den ersten Merkeljahren (2005 bis 2009 und 2009 bis 2013) wurden die Koalitionspartner zuverlässig an die Wand gedrückt, so daß sich deren Wahlergebnisse am Ende der Legislatur gegenüber dem Beginn dramatisch reduzierten. Die SPD fiel damals von 34 auf 23 Prozent. Danach koalierte Merkel mit der FDP, die ausgehend von knapp 15 Prozent sogar aus dem Parlament flog. Von 2013 bis 2017 fiel die SPD von knapp 26 auf reichlich 20 Prozent, die CDU aber auch von 42 auf 33 Prozent.

      Von dieser Erfahrung ausgehend muß man konstatieren, daß Koalitionen von Parteien mit stark unterschiedlichen Programmatiken nicht allen Beteiligten gleichermaßen bekommen, mitunter keinem. Das trifft jetzt auch auf die FDP zu. War die 2021 noch zweistellig (mit einer nur leichten Steigerung gegenüber 2017), droht ihr nun erneut der Abstieg aus dem Parlament.



      Kaum anzunehmen, daß eine neuerliche Koalition zwischen Union und SPD grundsätzlich anders ausginge. Nur dürfte sich die SPD dieses Abenteuer, deckten sich die derzeitigen Umfragen mit dem Wahlergebnis, eigentlich gar nicht mehr leisten.

      de.wikipedia.org/w...ctions_diagram.svg

    • @Minelle:

      Mal überlegen:



      Willkommenskultur, Mindestlohn eingeführt, Zuwanderungsgesetz, während Corona Kurzarbeitergeld ausgeweitet und Coronahilfen eingeführt.



      Keine Ahnung, wo Sie in den letzten Jahren gewohnt haben, allerdings hat Merkel wohl eher mit Hang zur Sozialdemokratie regiert, als umgekehrt.



      Vielleicht vergleichen Sie mal die Krisenbewältigung der letzten Jahre mit der nach der Wiedervereinigung.



      Sie werden feststellen, dass die CDU damals noch glaubte, der Markt würde Alles regeln. Was den Menschen dann blühte, waren aber nicht die Landschaften.



      Die derzeitige Krisenbewältigung stellt glücklicherweise den Menschen, nicht die Banken, oder die Wirtschaft in den Mittelpunkt. Von NERZ ist das allerdings nicht zu erwarten.

  • Ich bin doch etwas erstaunt, das in dem von Reinecke durchaus richtig skizzierten Krisenszenario die allergrößte Bedrohung gänzlich unerwähnt bleibt.

    Gelingt Putins Eroberungsfeldzug, weil Trump findet, dass Amerika die Ukraine nichts angeht, die Europäer doch selber sehen sollen, wie sie klarkommen und Putin eigentlich doch ein ganz patenter Typ ist, dann ist die gesamte europäische Sicherheitsarchitektur nicht auf das höchste gefährdet, sondern dann droht reale Kriegsgefahr. Dann wird man sich möglicherweise nostalgisch an jene Zeiten zurückerinnern, in denen man sich noch darüber zankte, ob Deutschland nun 2% seines BIP für die Verteidigung ausgeben solle.

    • @Schalamow:

      Berechtigter Einwand, dabei braucht es nicht erst einen (ganz) grossen Krieg, was wohl gemeint war, die Gefahr droht nicht sondern ist selbstredend völlig real und so ja auch ein nicht ganz kleiner Krieg. Über eine Million Opfer, jetzt schon, real, und das logischerweise nur schätzbar, so nur noch mal weil ich kaum glaube, dass das vielen in der Dimension bewusst ist, oder an sich rangelassen wird. Vielleicht auch bezeichnend, dass sich grad an dem Punkt selbst etwas unbeholfen ausgedrückt wird, aber absolut kein Vorwurf. Genauso der Eindruck von Denial, oder was Sam Spade noch mal unterstreicht, ist unbestreitbar, aber dann irgendwo auch beliebig. Denn das sehen wir an allen Ecken. Geht weiter, oder besser los, beim "Stichwort" Klimawandel. Aber genauso in puncto globale Machtverschiebungen, die irreversibel sind und wo der Westen als bish. Garant von Sicherheit, Freiheit und Rechten wirtschaftlich, politisch, aber auch schon militärisch, und insb. moralisch nach allen Regeln der Kunst abgeräumt wird. Oder wie viel Nachhilfe von aussen dabei eig. im Spiel ist. Aber das ist hier jetzt Innenpolitik und die bereitet offensichtlich schon Bauchweh genug. Alles auf einmal geht nicht.

    • @Schalamow:

      So ist es.

    • @Schalamow:

      Hundertprozentige Zustimmung. Der Historiker Karl Schlögel hat jüngst wieder auf diese Gefahr hingewiesen und dazu angemerkt, dass wir uns in den Vorkriegsjahren befinden, aber keiner es so richtig wahrhaben will.

      Es könnte ein böses Erwachen geben, wenn es nicht gelingt in den nächsten 5 Jahren die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr herzustellen und eine emanzipierte europäische Sicherheitarchitektur auf die Füße zu stellen.

      Aber die deutschen Provinzler arbeiten sich anscheinend lieber an der Schuldenbremse ab.

      Erinnert mich an die Schilderung von Christopher Clark in seinem Buch "Die Schlafwandler". Auch damals hat man es verdrängt, dass es in Europa zum Ausbruch eines kontinentalen kriegerischen Konfliktes kommen könnte. Und während sich die Herrschenden noch auf dem Argument des Kräfteausgleichs ausruhten und die Zeichen übersahen, befanden sie sich schon auf dem Weg in einen Weltkrieg.

      • @Sam Spade:

        Aktuell ist es schwierig sich vorzustellen, wie Putin Deutschland angreifen sollte. Daß er das schon lange macht, realisiert kaum einer. Auch nicht, daß Deutschland unabhängig davon, wie sich die USA zukünftig im Falle eines Angriffs Putins auf europäische NATO-Mitglieder verhalten würde, auch über die EU-Verträge Bündnisverpflichtungen zu erfüllen hätte.

      • @Sam Spade:

        Im Zweifelsfall wird der nächste Kanzler derjenige sein der zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik den Kriegsfall ausruft, der zehntausende Deutsche in den Tod schicken muss um die Suwałki-Lücke freizukämpfen.

        Da spricht vom derzeitigen Personal niemand einen besonders an...

      • @Sam Spade:

        Erstaunlich, wie unterschiedlich man Christopher Clark gelesen haben kann. Ich habe das Buch so verstanden, dass die handelnden Akteure der verschiedenen Seiten zwar keinen großen Krieg wollten, dass sie aber eben keinen Kräfteausgleich sahen, sondern jeweils ein sich zu ihren Ungunsten entwickelndes Kräfteungleichgewicht. Und dass sie deshalb den Krieg fatalistisch als Option in Kauf nahmen, aus der Haltung heraus: Wenn schon, dann lieber jetzt als in ein paar Jahren unter schlechteren Bedingungen.

        Und da sehe ich auch Parallelen zu heute, nur dass sie aus dieser Lesart zu anderen Schlussfolgerungen führen: Es bräuchte mehr Leute wie Joseph Caillaux und Franz Ferdinand (der eine leider zurückgetreten, der andere ermordet). Es braucht aber nicht Leute wie Conrad von Hötzendorf. Immer wenn ich den Kiesewetter höre, muss ich übrigens an den Hötzendorf denken.