Neustart für Jugendwiderstandsmuseum: Ohne Plan, aber mit tausend Ideen
Das im Dezember dicht gemachte Jugendwiderstandsmuseum in der Galiläakirche in Friedrichshain hat einen neuen Trägerverein gefunden.
Falls sich tatsächlich noch ein paar Tauben in der Kirchenorgel eingenistet haben sollten, werden die bald verschwinden müssen. Denn auch die Orgel soll demnächst wieder bespielbar sein. Aber nicht im Rahmen von Gottesdiensten, sondern als Instrument, das bei Klangperformances oder ähnlichem eingesetzt wird.
Marc Weiser ist der Hauptinitiator der Wiederauferstehung der Galiläakirche. In groben Zügen erklärt er, was hier nun weiter passieren soll. Gleichwohl: Einen ganz genauen Plan gebe es noch nicht, sagt er. Dafür tausend Ideen, die man langsam entwickeln wolle.
Weiser führt in einen Nebenraum, der mit alten Musikboxen und allerlei Krimskrams voll gestellt ist. Das soll einmal das Office werden, ein Arbeitsplatz vor Ort. Eine gut funktionierende Heizung wäre auch nicht schlecht, es ist ganz schön kalt hier.
Mietvertrag über zunächst zehn Jahre
Seit 15 Jahren gibt es in der unter Denkmalschutz stehenden Galiläakirche, die von der zuständigen evangelischen Gemeinde Samariter-Auferstehung schon lange nicht mehr als Gotteshaus genutzt wird, das Jugendwiderstandsmuseum. Dessen Ausstellung informiert über jugendliche Dissidenz in der DDR der achtziger Jahre und wurde von der Hedwig-Wachenheim-Gesellschaft ins Leben gerufen.
Die Wachenheim-Gesellschaft hat sich inzwischen als Träger aus der Galiläakirche zurückgezogen. Ende Dezember wurde die Kirche vorerst für den Publikumsverkehr geschlossen, die Ausstellung abgebaut, es wurde mit Renovierungsarbeiten begonnen.
Marc Weiser war bis dahin bei der Wachenheim-Gesellschaft angestellt und organisierte bereits im vergangenen Jahr Konzerte in der Kirche. Nun haben er und ein paar Mitstreiter einen Verein gegründet, der die Kirche bei der zuständigen Gemeinde Samariter-Auferstehung mietet. Zehn Jahre lang, mit Option auf Verlängerung des Mietvertrags.
Das Jugendwiderstandsmuseum soll in den nächsten Monaten auch wieder eröffnet werden. Aber es soll dann mehr geben als bloß ein paar Schaubilder wie bisher, sagt Weiser. So gebe es einen Kontakt zu den Machern des Buches „Magnetizdat DDR“, das 2023 erschienen ist und in dem sich mit Punk und Undergroundmusik in der DDR der Achtziger beschäftigt wird. Die Idee: In Kooperation mit den Machern ließen sich auch Filmmaterial und Hörstationen in die Ausstellung integrieren, um sie so moderner und spannender zu gestalten.
Joint Venture mit der evangelischen Kirche
Was hier insgesamt passieren soll, klingt außergewöhnlich. Mitten in der Rigaer Straße, zwischen ehemals besetzten Häusern und neuen Luxuswohnungen, wird in einem Joint Venture mit der evangelischen Kirche ein neuer Ort für Kunst und Kultur hochgezogen.
Die Pfarrerin der Samariterkirche in der Nähe wird wichtige Ansprechpartnerin sein, so Weiser, und das sei völlig in Ordnung: Sie hatte kurz vor Weihnachten in der Galiläakirche ein queeres Krippenspiel inszeniert, bei der Jesus zwei Mütter hatte.
Das sorgte für einige Aufregung, selbst die extrem rechte „Junge Freiheit“ berichtete empört. Weiser ist sich sicher, dass man mit dieser Pfarrerin so einiges auf die Beine stellen könne. Eine Reihe zum Thema „Spiritualität und Kunst“ etwa plane man bereits.
Beide Seiten werden längerfristig von der neuen Verbindung profitieren, glaubt Weiser. Der Kirchengemeinde werde die Kirche aufgehübscht und er und sein Verein können hier etwas entwickeln. Für die nächsten Monate stehen auch schon jede Menge Konzerte zwischen Jazz, Elektronik und Experiment an. Am 20. Februar wird der Elektroniker B. Fleischmann auftreten, im März geht es weiter mit Musik aus Persien. Sogar für den Oktober gibt es bereits Konzerttermine.
Dafür, dass Marc Weiser keinen genauen Plan hat, wie er sagt, haben er und seine Mitstreiter bereits ganz schön viel organisiert.
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