Neurechter Denker bangt um AfD: Angst um die Angstmacher
Die mögliche Beobachtung der AfD sorgt Karlheinz Weißmann. In der „Jungen Freiheit“ teilt er kräftig gegen Höcke und Co. aus – und lobt Maaßen.
Im neurechten Milieu grassiert die Sorge um die lang ersehnte eigene Partei. Trotz steigender Umfragewerte bei den Wählern, trotz den Wahlerfolgen dank dem vermeintlichen Wutbürger und trotz der Legitimierung ihrer Positionen durch den Bundesinnenminister und den Bundesverfassungsschutzpräsidenten: Man sorgt sich um die AfD.
Grund dafür sind die ankündigte Überprüfung einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz Thüringen und Bayern sowie die Beobachtung der Jungen Alternative durch die Geheimdienste in Niedersachsen und Bremen.
In der Jungen Freiheit (JF) preschte am Freitag der neurechte Denker Karlheinz Weißmann vor. Der Mitbegründer des „Instituts für Staatspolitik“ und Publizist diverser Standardwerke für das rechte Spektrum formulierte die ewige Angst, dass ein Parteiprojekt rechts von der Union wieder an sich selbst scheitern könnte.
Der Titel „Die AfD bringt sich selbst in die Bredouille“ gibt gleich den Tenor vor. Erst schwärmt der Gymnasiallehrer in der neurechten Wochenzeitung über die „Harzburger Front 2.0 von der AfD über Pegida bis zu den Kameradschaften“, die in Chemnitz aufmarschierte. Dann lobt er den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz für seine Besonnenheit, „Hetzjagden“ in der Stadt anzuzweifeln.
„Der Mann aus Schnellroda“
Er warnt, dass da „eben auch die Provokateure vom Dienst und Leute“ seien, die „ihr Weltanschauungshobby gern zum Parteiprogramm“ machen würden, die „jungen Männer, denen der Casinojargon“ gefallen würde und „die Facebook- und Twitternarren, die mit einem merkwürdigen Grad an Naivität oder Blödheit der Folgenlosigkeit ihres Geredes vertrauen“.
Doch nicht alleine dieses Klientel könnte zu einer Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz führen. „Nicht zu vergessen“ seien diejenigen, „die stets auf der Suche nach einer Bühne zwecks Selbstdarstellung“ seien und „deren analytisches Vermögen sich umgekehrt proportional zu ihrem Sendungsbewusstsein“ verhalte.
Und wer jetzt immer noch nicht ahnt, wen Weißmann meint, dem wird ohne Namens- aber durch die Ortsnennung geholfen: „Und dann ist da am Rande der Kreis der Einflüsterer, der Mann aus Schnellroda zum Beispiel, der sich vorgestern noch voller Abscheu über die AfD geäußert hat, gestern eine scharfe Wendung vollzog, als er die Einflussmöglichkeit erkannte, und heute einmal düster dräuend raunt, um ein andermal die Unschuld vom Lande zu geben, die schon aktiv über Koalitionsperspektiven nachdenkt“.
Götz Kubitschek, mit dem er vor achtzehn Jahren das IfS, mit Sitz in Schnellroda, gemeinsam gründete, dürfte wenig erbaut sein. Seit längerem sind beide Herren zerstritten. Nach seinem Rückzug aus dem IfS erklärte Weißmann in der JF zu Kubitscheck bereits 2015, dass dieser „eigentlich kein politischer Kopf“ sei und „Literatur mit Staatslehre und Ästhetik mit Politik verwechsele“. Und warnte, dass das „selbstverständlich fatale Konsequenzen nach sich zieht, wenn der betreffende trotzdem Politikberatung treibt“. Wen er berät und beeinflusst ist heute bekannt: Björn Höcke.
Warnung vorm Scheitern der AfD
In der JF hat auch schon Dieter Stein vor Höcke gewarnt, „der die Partei jedoch noch weiter nach rechtsaußen in eine politische Sackgasse“ führen wollte. Der Chefredakteur sieht allerdings nicht bloß Höcke und seine Einflüsterer für einen radikalfundamentalistischen Kurs verantwortlich. Bei einer Veranstaltung der Hamburger AfD-Bürgerschaftsfraktion griff er 2016 den heutigen AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland an, da dieser die AfD selbst als eine „rechtspopulistische Partei“ bezeichnet hatte: „Diese Selbstpositionierung“ sei „reichlich dämlich und sie sind gut beraten, das nicht festzuschreiben“ sagte er am 18. April 2016.
Mit einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz, befürchtet Weißmann, könnte zwar durch einen „Opferstatus der Kern“ der Partei sich vielleicht fester zusammenschließen, aber „die Mehrzahl der Mitglieder und Anhänger“ würde die „Stigmatisierung“ fürchten. Die Partei könnte dann „ihre Unterstützer aus dem Öffentlichen Dienst“ und den Zuspruch der „größeren und kleineren Unternehmer“ verlieren.
Diese Personen würden letztlich „das Feld für den allfälligen Rest räumen, „diejenigen, die schon immer etwas gegen ‚Abgrenzeritis‘ hatten, die Hardliner aus Überzeugung wie die Randexistenzen, die nichts zu verlieren haben“. Dieser Niedergangsprozess würden „diese Leute“ als Gesundschrumpfung deuten und „sich gegenseitig mit Weltuntergangs- oder Naherwartungsphantasien aufmuntern“. Das Projekt „Die AfD, eine Volkspartei neuen Typs“ wäre dann gescheitert, mahnt er.
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