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Neues Wochenmagazin „Bild Politik“Springer testet Politmagazin

Axel Springer will ab 2019 ein neues gedrucktes Wochenmagazin testen: „Bild Politik“ – und dabei voll auf Emotionen setzen.

Springer-Boss Mathias Döpfner bei der Bilanzpressekonferenz im März 2018 Foto: dpa

Eigentlich sollten Referentinnen des Vorstands ja Excel-Tabellen wälzen, sagt Mathias Döpfner, der Vorstandsboss von Axel Springer am Donnerstagabend im 18. Stock des Springer-Hochhauses. Doch Selma Stern reichte das wohl nicht. Verständlich.

Stern, 32 Jahre alt, ist eine solche Referentin des Vorstands, und hat gerade ein Projekt vorgestellt, das sie gemeinsam mit dem Stellvertretenden Bild-Chefredakteur Nikolaus Blome verantwortet: Bild Politik. Ein neues Wochenmagazin, das im Frühjahr 2019 getestet werden soll. Wann genau der Test beginnt, sagen sie nicht. In welchem regionalen Markt auch nicht. Und auch, wie viel das Magazin kosten soll, bleibt noch geheim.

Was klar ist: Bild Politik soll laut Selma Stern die „wichtigsten Fragen der Woche“ beantworten und dabei „maximal verdichtet“, „maximal transparent“ und „maximal nah am Leser“ sein. Wie das aussehen soll? Klassische Ressorts wird es nicht geben. Es wird lediglich drei Rubriken geben: „Ärger“, „Freude“ und „Neugier“ – also ungefähr die Emotionen, die wir von den Facebook-Emojis kennen. Nur noch simplifizierter.

„Wir nehmen Fakten und Gefühle ernst“, sagt Blome, denn „Gefühle schaffen Fakten“. Es sei ein Magazin „für alle, die ein seltsam grummelndes Gefühl im Bauch hätten, aber klaren Kopf bewahren wollen“. Ein Magazin für alle, die das Gefühl hätten, dass ihre Fragen nicht beantwortet würden, sagt Blome.

Das lässt Böses erahnen. Zielgruppe besorgte Bürger? Und überhaupt: Maximal verdichtet und nah dran am Leser, emotional und die wichtigsten Fragen stellend – ist das nicht genau das, was die große Bild eh für sich in Anspruch nimmt?

Keine Experimente! Kein verschwurbelter, unklarer Titel. Denn: Ein Innovationspreis ist schön, Markterfolg ist noch schöner, sagt Döpfner

„Die Idee ist aus meinem Bedürfnis als Leserin entstanden, nicht als Journalistin“, sagt Stern, die laut ihrem Chef am liebsten The Economist und die Seite 2 (das ist die Politik-Seite) der Bild lese.

Chef Döpfner findet das Projekt jedenfalls „ganz toll“ und sieht in Bild Politik ein „Printmagazin für die Online-Generation“. Dabei hatte Springer zuletzt mit Ausgliederungen unter der Dachmarke Bild nicht unbedingt Erfolg: Der Fußball Bild – dieser Anfang 2017 bundesweit gestarteten, täglichen Fußballzeitung – wird zum Jahresende der Stecker gezogen.

Trotzdem hätten die Markttests ergeben, dass das neue Politmagazin unter dem Bild-Titel erscheinen müsste. Keine Experimente! Kein verschwurbelter, unklarer Titel. Denn: „Ein Innovationspreis ist schön, Markterfolg ist noch schöner“, sagt Döpfner.

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass es Springer mit einem eigenen Politik-Magazin versucht, bislang allerdings mit überschaubarem Erfolg: 1973 musste beispielsweise das Monatsmagazin Dialog aufgeben, wie der Konkurrent Spiegel damals in einer Hausmitteilung „ohne jede Schadenfreude“ kund tat. Dialog soll jährlich zehn Millionen Mark Verlust gemacht haben.

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14 Kommentare

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  • Na ja, angesichts der sinkenden Auflagen der BLÖD, setzt man halt auf das Wochenzeitungs-Segment. Hier hofft man auf die Werbeinnahmen, die den Zeitungstiteln verloren gegangen sind. Spannend ist die Frage, ob der Schritt ein Zeichen dafür ist, dass der von Döpfner verordnete Rückzug des Verlages aus dem Zeitungsgeschäft, zugunsten der Online-Aktivitäten, sich nicht rechnet.

  • Ja, Gefühle schaffen Fakten.



    Zuerst in der Biochemie des Menschen,



    dann auch somatophorme Belastungsstörungen und psychosomatische Erkrankungen,



    außerdem gibt es ja noch die Kraft der Affirmation, darüber hinaus schaffen die Menschen Fakten aufgrund ihrer Gefühle.



    Bild löst zielgerichtet Gefühle aus, um im Rahmen einer verschleierten Agenda Fakten zu schaffen.



    Das ist genau das Gegenteil von Journalismus. Das ist Propaganda.

  • "Die Freiheit der Presse im Westen ist letztlich die Freiheit von 200 reichen Leuten ihre Meinung zu veröffentlichen" [Peter Scholl-Latour (1924 – 2014) Journalist und Publizist].

    Die Springerpresse macht doch seit Jahrzehnten nichts anderes, als die Meinung der Reichen und Mächtigen in diesem Land zu verbreiten. Viele Bürger gehen doch schon lange den Weg, den sie von der Springerpresse (WELT, Bild, etc.) vorgegeben bekommen, und merken es nicht einmal. Mit „Bild Politik“ will man dem kleinen naiven Bürger jetzt wohl endgültig den Weg weisen, den er gehen soll.

  • „Wir nehmen Fakten und Gefühle ernst“, sagt Blome, das klingt statt Dienst am Leser als Kunde, nach betreutem Lesen auf BILD Woche Gefährt Räderern,



    ".....denn „Gefühle schaffen Fakten“. Es sei ein Magazin „für alle, die ein seltsam grummelndes Gefühl im Bauch hätten, aber klaren Kopf bewahren wollen“. Ein Magazin für alle, die das Gefühl hätten, dass ihre Fragen nicht beantwortet würden, sagt Blome weiter.



    Dabei geht es BILD Politik als Wochen Kampfblatt wohl eher darum, seinen Lesern*nnen zu versichern, sie hätten sich ihre Fragen sparen können, denn BILD ist ja für sie da, ihnen oben drauf das grandiose Selbstgefühl "Der Kunde ist König" zu vermitteln, die Antworten weiß nicht einmal der Wind, sonern allein der Leser selbst in seinem Gedanken Hamsterrad bei verstetigtem Erregungspegel. Damit das gelingt, braucht es BILD Politik als "Honigroute"



    Bisher war der Springer Konzern immer bemüht, Gefühl täglich bei BILD verortet zu präsentieren, - in den 60zigern zu 1968er Zeiten war das Peter Boensch - Politik dagegen von BILD strikt abgegrenzt,anderer, bildungsnahen Zielgruppe mit hohem Recherche Aufwand zugewandt, z. B. durch Matthias Walden, alias Baron von Sass, in der Tageszeitung Die Welt als politisches Zentralorgan des Hauses Axel Cäsar Springer an die Leser*nnen zu liefern und häufig selbst in Qualitätsmedien zitiert, selbst anderer politischer Farben, in den gesellschaftlichen Diskurs zu transportieren. Dass das nun ab 2019 anders ist, deutet n. m. E. eher auf eine Strategie Krise im Hause Springer hin, nun das BILD Bestandskunden Leserschaft Potenzial doppelt zu beackern. Nur noch von vorhandener Substanz leben zu wollen, klingt nicht nach Innovationswillen, erscheint mir von dem faktenfreien Gefühl genährt, den am Gewinn zehrenden Leserschwund der BILD Familie nicht mehr entgegen wirken ui können, sondern durch hochpreisige Produkte wie BILD Politik als Beschäftigungsgesellschaft zur anstehender Aussteuerung hochdotierter Kader wie Nikolaus Blome.

  • „Wir nehmen Fakten und Gefühle ernst“, sagt Blome, denn „Gefühle schaffen Fakten“.

    Dieses Magazin ist eine Kampfansage an seriösen Journalismus. Dass sich überhaupt ein gestandener Journalist hinstellt und so einen Satz sagt, ist ein Skandal. Er sollte sofort aus jedem Berufsverband - Gewerkschaft für Journalisten rausfliegen. Weil Journalismus hat etwas damit zu tun, dass recherchiert wird, dass Fakten tatsächlich ermittelt werden, dass der Leser nicht manipuliert wird. Hier wird direkt angekündigt, dass der Leser manipuliert wird. Und zwar in einem Nebel, wo nicht mehr klar ist, wer wer und was was ist.

    Und die thematische Ausrichtung „Ärger“, „Freude“ und „Neugier“ ist wohl eine Parodie auf den Journalismus. Wenn ich mich über MigrantInnen und Flüchtlinge ärgere, dann bedient mich das Blatt, ohne in die Nähe von NPD, Neonazis und Rechtsextremisten zu kommen? Geht das? Woher weiß ich denn, was mir da serviert wird?

    Es gibt mit The New Republic auch in den USA ein gehobenes Magazin für Meinung, aber da verhält es sich eben anders: Es wird klar gesagt, hier wird kommentiert, analysiert, das ist etwas ganz anderes, als das hier.

    Merke: Springer bleibt sich treu und zwar dort, wo es niedrig und niveaulos ist, dort Springer zuhause. Ob der Leser diesen angekündigten Unsinn wirklich frißt? Oder anders formuliert, wie wird der Springer Verlag dieses Magazin an die Leser bringen? Schon da muss man kritisch und genau hinsehen, weil einfach eine neue Verdummungsmaschine droht.

  • Oh Gott! Auch das noch! Uns bleibt aber auch nichts erspart!

  • Ach was. Des wird sicher lustig.

  • Also wie Cicero in wöchentlicher Auflage und auf etwas hipper getrimmt...

  • „Gefühle schaffen Fakten“

    Ja, eine auf handfesten Vorurteilen und alternativen Fakten beruhende Berichterstattung hat uns echt gefehlt.

    Da werden dann die Fak-ten zu Fake-ten und dann zu Fuck-ten.

    Das hat doch was...die "BILD-Politik" als neue Fuckten-Zeitschrift. Für alle, die mal so richtig abfucken wollen.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Nichts gegen Emotionen.

    Vor allem: nichts gegen ECHTE Emotionen. Aber alles gegen künstlich erzeugte virtuelle Emotionen, die politische Inhalte der bekannt niederträchtigen Art transportieren sollen.

    Die Auflagenhöhe dieses zukünftigen Schmierblattes dürfte ausssagekräftig sein. Und im Idealfall Umfragen ersetzen.

    Bei mir macht sich nur eine Emotion breit: EKEL.

  • Na Servus

    Herrdamlichschafftsgezeiten

    Nu. Wieder was‘te nich lesen mußt.

    kurz - Friede sei mit euch



    Dank im Voraus. Newahr.



    Normal.



    Njorp.

  • Neben der Hauptkloake noch eine noch tieferliegende Nebenkloake ? Pfui Deibel. Paßt aber gut in unsere beschissenen Zeiten.

  • Ach Gefühle schaffen Fakten?



    Ich habe ja das Gefühl, dass sich viele nicht mit Fakten auseinandersetzen und dann zu komischen Gefühlen kommen. Scheint Fakt zu sein, so wie ich das gerade fühle?