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Neues Stadtquartier am MolkenmarktSenat beschließt Rahmenplan

Schwarz-Rot will Berlins ältesten Platz am Roten Rathaus bis 2028 bebauen. Grüne befürchten ein „weiteres Luxusquartier“

Die Baustelle trügt: Hier werden aktuell nur Ausgrabungen durchgeführt Foto: Imago/Jürgen Ritter

BERLIN taz | Bei einer von Berlins umstrittensten Flächen, dem Molkenmarkt zwischen dem Roten Rathaus und dem Stadthaus, ist die Planung für die voraussichtlich 2028 fertiggestellte Bebauung eine Stufe weiter. Denn der schwarz-rote Senat stimmte am Dienstag einem Rahmenplan zu, den Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) vorgelegt hatte. Nächste Schritte sollen ein Gestaltungshandbuch und Wettbewerbe zur konkreten Gestaltung des Markts sein, der mit seiner 800-jährigen Geschichte Berlins ältester Platz ist.

Wer eine Runde um das abgezäunte Areal dreht, könnte kurzzeitig an der Reihenfolge von Gaeblers Plan zweifeln, denn auf dem Platz sind bereits intensive Bodenarbeiten im Gange. Wie kann das gehen: erst mit den Arbeiten beginnen, dann einen Plan beschließen? Doch auch wenn sie imposant wirken, handelt es sich dabei lediglich um die 2019 begonnenen archäologischen Grabungen, wie Gaebler ausführte – immerhin ist der Molkenmarkt ein Ort der Berliner Stadtgründung. Bis ins Jahr 2024 würden sie noch dauern. Die parallelen Arbeiten sollen an der Grunerstraße bis Ende des Jahres abgeschlossen sein.

Nach Angaben des Senators sind neben gewerblicher und kultureller Nutzung 450 Wohnungen geplant, die größtenteils die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften Degewo und WBM errichten sollen. Nach den Vorgaben des Senats soll die Hälfte davon mietpreisgebunden sein. Nach seinen Worten sollen auch gemeinwohlorientierte Bauherren dort tätig werden können. Das sollen vorrangig Genossenschaften sein, aber auch private Unternehmen, die entsprechendes Engagement unter Beweis stellen.

Für die Initiative Offene Mitte Berlin, die dem Rahmenplan „einige positive Ansätze“ zubilligt, ist vor allem der Begriff „gemeinwohlorientierte Bauherren“ besonders problematisch. „Angesichts der wirtschaftlichen Zwänge, denen auch gemeinwohlorientierte Bauherren unterliegen, ist es sehr unwahrscheinlich, dass diese am Molkenmarkt bezahlbare Wohnungen errichten“, äußerte sich die Initiative in einer Pressemitteilung.

Luxusquartier befürchtet

Auch die Grünen im Abgeordnetenhaus reagierten sehr skeptisch: „Am Molkenmarkt droht ein weiteres Luxusquartier ohne bezahlbare Wohnungen“, so ihr stadtentwicklungspolitischer Sprecher Julian Schwarze in einer Pressemitteilung. Senator Gaebler räumte mögliche Preissteigerungen ein, gab sich aber zuversichtlich, dass dennoch bezahlbarer Wohnraum entstehen könne.

Umstritten ist beim Molkenmarkt seit jeher, ob es zu einer wiederaufgebauten Altstadt – Kritiker sprechen von „Historisierung“ – oder einer modernen Bebauung kommt. Laut Gaebler wird es „historische Bezüge“ geben, aber „keine historische Rekonstruktion“. Der Senator wies Vorwürfe zurück, internationale Architekten würden verprellt die Stadt verlassen: „Ich kann das nicht feststellen.“ Aus seiner Sicht ist es gerade Aufgabe von Architekten, historische Bezüge und aktuelle Entwicklungen zusammenzubringen. Gaebler erwähnte auch Stimmen, „die die ganze Bebauung nicht wollen“.

In der Kritik stand dabei oft Gaeblers Staatssekretärin, Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt. Über sie sagte der Grünen-Bauexperte Schwarze im Januar in der taz: „Ihr geht es darum, von oben herab zu entscheiden, und zwar nach ihrem Gusto.“ Senator Gaebler hingegen widersprach am Dienstag Vorwürfen, in den Rahmenplan sei zu wenig aus Juryüberlegungen in einer vorigen Stufe der Molkenmarkt-Diskussion eingeflossen.

Nach seinem Plan entsteht nächstes Jahr ein „Gestaltungshandbuch“. Von 2025 bis 2028 gibt es dann schrittweise mehrere Wettbewerbe zur genauen Gestaltung von Gebäuden und Freiflächen. „Dann werden die Planungen ein richtiges Gesicht bekommen“, so Gaebler, der 2026 mit einem Baubeginn rechnet und für 2028 erste fertige Häuser erwartet.

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