piwik no script img

Neues Restaurantkonzept in Berlin„Da kann Lieferando scheißen gehen“

Im Berliner Restaurant au:­tos arbeiten weder Köche noch Kellner, stattdessen versorgen sich die Gäste gegenseitig. Unser Kolumnist hat es ausprobiert.

Gäste und Köche zugleich: Torsten und Moritz im Restaurant au:­tos in Berlin Foto: imago

A ls Foodkolumnist bin ich immer bereit, neuen Konzeptquatsch auszuprobieren, und da bin ich in Berlin natürlich genau richtig. Hier gibt es Zero-Waste-Restaurants, Dunkelrestaurants, Gourmet-Dessert-Restaurants, Insektenrestaurants, Restaurants mit offenem Feuer – und seit Kurzem auch das au:­tos. Das erste Restaurant, in dem die Gäste selber kochen.

Das ist eine logische Konsequenz des Customer-Integration-Trends. Wir bauen unsere Regale selbst zusammen, wir scannen unsere Waren im Supermarkt selbst ein, und jetzt kochen wir eben auch selbst. Dafür stehe ich an einem Samstagnachmittag mit acht weiteren Gästen in einer großzügig bemessenen Küche, die zu DDR-Zeiten mal zu einem Kindergarten gehörte. Jeder soll Vorspeise, Hauptgang oder Nachtisch für drei Personen zubereiten und bekommt dann diese Gänge von drei anderen Personen serviert.

Eine wichtige Regel dabei: Alle kommen allein. „Unsere Lebensaufgabe ist es, Leute zusammenzubringen“, sagt Jannis, einer der Betreiber des au:­tos. „Im Zur Werkstatt in St. Gallen dürfen die Gäste mitkochen. Aber das war uns nicht radikal genug.“

Jannis ist ein Mittdreißiger mit Indoormütze, genau wie sein Mitstreiter Leon. Die beiden haben schon viele Sachen gemacht – Craftbeer gebraut, vegane Strohhalme vermarktet, eine Padel-Tennis-Schule geleitet – gekocht aber noch nie. „Aber das müssen wir hier ja auch nicht“, sagt Leon und lacht.

Das machen dafür wir. Und wie! Wo gut eingespielte Küchenbrigaden ein stummes und elegantes Ballett aufführen, geht es bei uns zu wie in einem F-Jugend-Spiel. Alle laufen durcheinander, ständig fällt was hin, aber irgendwann sind wir fertig, erschöpft und zufrieden. Nun wird getafelt. Für mich gibt es Fenchel-Orangen-Salat von Moritz (sehr basic), gefüllte Auberginen von Louisa (die Füllung lauwarm, aber im Unperfekten steckt hier ja der Charme) und ein Moltebeeren-Zitronen-Sorbet von Svea (wirklich lecker!). Mein Risotto scheint ebenfalls gut anzukommen.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Stolze 40 Euro kostet ein Abend, dazu kommen die Zutaten, die natürlich jeder selbst mitbringt. Die Leute zahlen es gern, wobei die Motivation ganz verschieden ist. Tanja freut sich, „mal wieder was mit den Händen“ zu machen, Nuri erhofft sich kulinarische Innovationen, und Torsten ist ganz wild darauf, einmal mit Profi-Equipment zu kochen. Denn egal ob Sous-Vide-Garer, Birkenholzgrill, KAI-Shun-Schneidemesser oder Moulinette – im au:­tos gibt es alles.

Bei einem abschließenden Glas Naturwein erzählen Leon und Jannis von weiteren Plänen des au:­tos. Bald sollen mehrere Kameras installiert werden. Wer möchte, kann dann ein Video des gesamten Abends bekommen. „Als wäre man Teil einer Fernseh-Kochshow!“ Kostenpunkt: ein paar hundert Euro. „Die Idee ist uns in der Wasserbahn auf dem Oktoberfest gekommen, man konnte dort am Ausgang Fotos von sich kaufen.“

Und auch eine App ist in Arbeit. Leute, die sich gegenseitig bekochen, in ganz Berlin – „da kann Lieferando scheißen gehen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Michael Brake
wochentaz
Jahrgang 1980, lebt in Berlin und ist Redakteur der Wochentaz und dort vor allem für die Genussseite zuständig. Schreibt Kolumnen, Rezensionen und Alltagsbeobachtungen im Feld zwischen Popkultur, Trends, Internet, Berlin, Sport, Essen und Tieren.
Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Erschreckend, dass dieser Aprilscherz sofort als realistische Meldung verstanden wird.



    Aber in diesem tollen Land (und natürlich speziell in diesem Berlin, wo man eh nicht mehr weiss, was man davon halten soll) ist ja mittlerweile offensichtlich jeder Unsinn möglich.

  • Aprilscherz ?

  • Das sind die hippen Kennzeichen von Mitmenschen die in der Berliner Blase leben. Indoormützen, vegane Strohlame und Moltebeeren. Man lasst sich beim Zubereiten diverser Gerichte filmen, süffelt „Naturwein“ und verwendet unreflektiert unpassende Kraftausdrücke.

  • Huch, ich dachte kurz: Bin ich auf der Wahrheit gelandet?

    Man könnte das ausweiten: 100 Euro und Stoff selbst mitbringen und für Andere Klamotten nähen. 50 Euro zahlen und dann schneiden sich alle gegenseitig die Haare.

    Die Kapitalisierung der letzten Nischen des Miteinanders, damit man sich nicht auf das Niveau der offenen Stadtteiltreffs und Begegnungscafés begeben muss - da wär das kostenfrei (und vermutlich auch leckerer ;) Aber da wäre das hippe neue Konzept für 40 Öcken auch kein Distinktionsmerkmal.

    *kopfschüttel*

    • Michael Brake , Autor des Artikels, wochentaz
      @hierbamala:

      Es gibt gewisse Tage im Jahr, da kann die Wahrheit in JEDEM Text stecken. :)

      • @Michael Brake:

        Ach, der Text ist von gestern?



        Och nee.... XD

      • @Michael Brake:

        Danke, voll reingefallen :-)))

        • @Tinus:

          Yep... gute Fallgrube, @Michael Brake :):)!

          Hm,... aber vielleicht wär das tatsächlich ne Geschäftsidee ;)

  • "Stolze 40 Euro kostet ein Abend, dazu kommen die Zutaten, die natürlich jeder selbst mitbringt."

    Wofür zahlt man die 40 Euro??? ... der Vergleich mit den Ikeamöbeln hinkt: Das ist so, als würde ich das Holz für das Bobbyregal noch selber mitbringen müssen. Und Ikea leihnt mir nur die Säge.

  • Interessant und befremdlich zugleich. Die Idee mit fremden Personen sich zu einem Art "Kochduell" zu treffen, finde ich gut. Solange man dabei auch kommuniziert und das Ganze nicht verbissen ernst nimmt. Was mir jedoch nicht schmecken würde, wenn mir Dinge vorgesetzt werden, welche ich nicht "bestellt" aber trotzdem essen sollte. Das läuft doch dann am Ende entweder auf eine Heuchelei hinaus oder man macht sich unfreiwillig Feinde.

  • Ok, also ich bringe die Zutaten mit, bezahle 40 € und darf dann bei denen kochen.

    Ja, klingt voll super, so loss-loss-mäßig.

    Da zahle ich lieber 40€, bringe keine Zutaten mit und lasse mich bekochen.

    Oder koche in meiner Küche, nur für die Zutaten.

  • Neeeeee, Freunde, das ist nix für mich. Wenn ich essen gehe, koche ich nicht, denn darauf habe ich keine Lust. Deshalb gehe ich essen.



    Wem's Spaß macht dafür zu bezahlen, dass man sich mit Fremden zum Kochen trifft, was man ja schon mit Freunden gut und gerne machen kann, bitteschön.



    Bei der großen Anzahl von Singles in Berlin gehe ich eher davon aus, dass das eine verdeckte Partnerbörse ist.

  • Dachte schon es gibt nichts ernsthaftes am Tag nach dem 31. März