Neues Polizeigesetz in Meck-Pomm: Mehr digitale Überwachung
Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern pocht auf ein neues Polizeigesetz. Kritiker*innen sehen die Grundrechte in Gefahr.
Das SOG sei eine Antwort auf das digitale Zeitalter, sagt Caffier. „Polizei und Ordnungsbehörden werden zukünftig in weiteren Bereichen präventiv handeln können, in denen es ihnen bisher nicht möglich war und bevor eine Straftat begangen wird.“ Das neue Gesetz soll den Behörden ermöglichen, Überwachungssoftware auf Computern und Smartphones zu installieren, um Daten noch vor deren Verschlüsselung abgreifen zu können. Zudem sollen Personen die „nicht nur in flüchtigem oder in zufälligem Kontakt“ mit einer verdächtigen Person stehen, überwacht werden können. Auch Wohnungen Unbeteiligter könnten so abgehört werden, sollten sich überwachte Personen dort aufhalten. All diese Maßnahmen sollen nur nach der Genehmigung eine*r Richter*in möglich sein.
Forderungen von Amnesty International und aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Fall Ouri Jalloh, jenem in Deutschland lebenden Sierra-Leoner, der 2005 in einer Gewahrsamszelle des Polizeirevier Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt ums Leben kam, werden in dem Entwurf berücksichtigt. So wird die Videoüberwachung für Räume zugelassen, die von der Polizei für Ingewahrsamnahmen genutzt werden. Diese Überwachung diene dem Schutz der Verhafteten als auch der Polizeibeamt*innen, heißt es in dem Entwurf. Die SPD-Fraktion befürwortete den Gesetzesentwurf des Koalitionspartners. SPD-Fraktionsvize Martina Tegtmeier spricht von einer „guten Balance“.
Ganz anders sieht das die Initiative „SOGenannte Sicherheit“. Das überparteiliche Bündnis kritisiert vor allem die Überwachung von Kontaktpersonen von Verdächtigen sowie eine flächendeckende Überwachung von öffentlichen Plätzen und Großveranstaltungen. Sie fordert zudem eine unabhängige und mit umfassenden Befugnissen ausgestattete Beschwerde- und Kontrollinstanz für die Polizei.
Heinz Müller, Landesdatenschutzbeauftragter
Erst am vergangenen Wochenende hatte die Initiative zu einer Demonstration in Schwerin aufgerufen, an der laut der Veranstalter rund 500 Menschen teilnahmen. Unterstützt wurden sie auch von bekannten Persönlichkeiten wie dem Rapper Marteria und der Punkband „Feine Sahne Fischfilet“. Mehrere Künstler veröffentlichten unter dem Hashtag #stasireloaded Aufrufe gegen das Gesetzesvorhaben. „Obwohl dieses Gesetz immer krasser in die Grundrechte der Menschen eingreifen wird, ist die kritische Öffentlichkeit sehr gering“, hieß es auf der Facebook-Seite von „Feine Sahne Fischfilet“.
Der Deutsche Journalisten Verband (DJV) sieht durch das Gesetz die Medienfreiheit gefährdet. Es schränke das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalist*innen ein. In bestimmten Fällen könnten die Polizeibehörden in Mecklenburg-Vorpommern dann auch ohne richterlichen Beschluss auf Recherchematerialien zugreifen. Informant*innen wären nicht mehr uneingeschränkt geschützt.
Damit geriete ein Eckpfeiler der Presse- und Rundfunkfreiheit in Gefahr. Man habe die Änderungsvorschläge dem Innenausschuss übermittelt und erwarte, dass sie im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren einbezogen werden.
Im Gespräch mit der taz warnt Heinz Müller, der Landesdatenschutzbeauftragte, man könne mit dem Gesetz „über das Ziel hinausschießen und das Thema Datenschutz mit der Dampfwalze überrollen“. In der früheren Fassung des Entwurfs kritisierte seine Behörde bereits einige Punkte. Unter anderem fehle eine Kontrollinstanz. In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2016 heißt es, schwerwiegende Eingriffe in die Privatsphäre seien nur verhältnismäßig, wenn die Polizei effektiv und unabhängig kontrolliert werde. Den aktuellen Entwurf wolle man nun prüfen und sich nächste Woche äußern.
Die Linke befürchtet, dass die Schwelle polizeilicher Eingriffe mit dem neuen Gesetz weiter sinken werde. „Wir stehen an der Seite derer, die diesen Gesetzentwurf als einen Angriff auf den Datenschutz sehen und vor den unabschätzbaren Folgen des SOG warnen“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Der Landesverband der Grünen kritisiert den Entwurf im Kontext der aktuellen Skandale in den Kriminalbehörden des Landes: „In dieser ganzen Gemengelage diskutieren wir ernsthaft einen Gesetzentwurf, welches den Handlungsspielraum der Polizei ausweiten und nicht mehr auf Tatsachen, sondern auf Einschätzungen beruhen soll und wofür keine Kontrollinstanz, dafür aber eine Menge Überwachungsmaßnahmen vorgesehen ist?“
Über den Gesetzesentwurf wird nun in den Ausschüssen weiter beraten. Nach der Sommerpause soll der endgültige Entwurf vorliegen und vom Landtag verabschiedet werden.
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