Neues EU-Asylrecht: Schnell einsperren, dann abschieben
Schnellverfahren an den Grenzen, internierte Kinder, direkte Abschiebungen: Was sieht die Asyleinigung der EU vor?
Viele Detailfragen bleiben noch offen, im Kern werden aber die Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen stehen: Alle Ankommenden sollen sich in geschlossenen Einrichtungen einem Screeningverfahren unterziehen. Ausnahmen für Minderjährige soll es dabei nicht geben. Bei dem Verfahren soll unter anderem festgestellt werden, ob Zugang zu einem regulären Asylantrag im Ankunftsland gewährt wird oder ob es ein beschleunigtes Verfahren im Lager gibt.
Für die Dauer der Internierung gelten die Schutzsuchenden offiziell als nicht eingereist – das soll die Möglichkeiten einschränken, sich juristisch zu wehren. Wie viele Menschen den Schnellverfahren unterzogen werden, ist unklar. Ein Kriterium soll die Herkunft sein, etwa ob Bürger:innen aus Ländern mit einer Schutzquote von mindestens 20 Prozent kommen. Eritrea oder Syrien wären beispielsweise ausgenommen.
Wer allerdings über sogenannte sichere Drittstaaten in die EU gekommen ist, soll auch dann ins Schnellverfahren kommen, wenn die 20-Prozent-Regel ihn oder sie eigentlich davor bewahren würde. Welche Staaten dabei als sichere Drittstaaten gelten, ist ungeklärt. Gedacht wird sicher an einige Balkanstaaten, die Türkei oder solche in Nordafrika. In der Regel soll ein Asylantrag bei Einreise über einen sicheren Drittstaat direkt abgelehnt und die Person dorthin wieder abgeschoben werden. Allerdings: Dabei müssen die Nachbarstaaten erst mal mitmachen – schließlich handelt es sich nicht um ihre eigenen Bürger.
30.000 neue Lagerplätze, aber kein Verteilmechanismus
Die EU wird sich aber alle Mühe geben, mit guten Worten, Geld und Druck entsprechende Bereitschaft zu schaffen. Wie willkürlich die Definition von „sicher“ ist, zeigt sich bereits bei Asylanträgen in Griechenland: Wer über die Türkei dorthin reist, wird automatisch abgelehnt. Dabei schiebt die Türkei nach Afghanistan und Syrien ab – ist also nicht „sicher“. Gleichzeitig weigert die Türkei sich, Flüchtlinge aus Griechenland zurückzunehmen. Andere Staaten dürften es in Zukunft ähnlich halten.
Für das neue System will die EU Lager mit zunächst insgesamt 30.000 Plätzen schaffen. In Griechenland sind in den vergangenen Jahren als Pilotprojekte schon dystopisch anmutende Hochsicherheitslager entstanden, in denen das neue System als Testlauf bereits angewendet wird. In anderen Ländern dürften allerdings weniger neue Lager gebaut, als schon existierende umgerüstet werden.
Zu den Novellen gehört auch ein Mechanismus, der es Staaten erlaubt, bei Krisen oder im Fall von „Instrumentalisierung“ Geflüchteter durch feindliche Nachbarstaaten oder sogar NGOs das Asylrecht weiter einzuschränken. Unter anderem sollen dann alle Ankommenden für Schnellverfahren interniert werden können. Gleichzeitig dürfen die Staaten sich länger Zeit lassen, die Menschen zu registrieren. Menschenrechtsorganisationen fürchten, dass dies die Zahl der gewaltsamen, direkten Zurückschiebungen, die sogenannten Pushbacks, steigen lassen wird.
Einen verbindlichen Verteilmechanismus wird es nicht geben. Innereuropäische Umverteilung bleibt freiwillig. Stattdessen können die Mitgliedstaaten über einen sogenannten Solidaritätsmechanismus Grenzschutzinfrastruktur in Drittstaaten oder innerhalb der EU finanzieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu