Neuerliche Proteste gegen Netanjahu: Warum nicht mal Neuwahlen?
Er träumt vom „totalen Sieg“, doch bislang sieht alles nach Machterhalt und Planlosigkeit aus. Auf Netanjahu nimmt in Israel niemand mehr Wetten an.
Gemeinsam werden wir siegen“: Diese Parole ist seit dem Überfall der Hamas in Israel allgegenwärtig. Doch je länger sich der Krieg im Gazastreifen hinzieht, je öfter die Spannungen an der Grenze zum Libanon eskalieren, desto mehr zerfällt die israelische Einigkeit.
Das liegt nicht zuletzt an Regierungschef Benjamin Netanjahu selbst. Als sich am Sonntag in Jerusalem Zehntausende Demonstranten zum größten Protest seit Kriegsbeginn versammelten, ging er nicht etwa auf deren Kritik ein, sondern warf ihnen vor, der Hamas in die Hände zu spielen. Er zeigt damit einmal mehr, dass es ihm weniger um Einheit als um Mehrheiten und sein politisches Überleben geht.
Zur Wahrheit gehört, dass trotz der regierungskritischen Demonstrationen viele Israelis Umfragen zufolge weiterhin hinter dem Krieg stehen, solange noch Geiseln in Gaza festgehalten werden. Viele sehen trotz der humanitären Katastrophe und der Hungersnot im Gazastreifen Hilfslieferungen kritisch. Doch statt nach Gemeinsamkeiten und Lösungen zu suchen, hat sich Netanjahu darauf verlegt, Lager und Widersprüche gegeneinander auszuspielen.
Komplizierten Fragen weicht der Regierungschef aus: Wie lässt sich künftig die Sicherheit von Israelis und Palästinensern garantieren? Wie kann ein Weg zum Frieden nach dem 7. Oktober und dem brutalen Gegenschlag der israelischen Armee aussehen? Stattdessen gibt es seit Monaten die gleichen Parolen vom „totalen Sieg“, von dem bis heute nicht klar ist, wann dieser erreicht wäre und inwiefern er Israel langfristig Sicherheit garantieren kann.
Seit dem 7. Oktober sind die Umfragewerte der in Teilen rechtsextremen Regierungskoalition eingebrochen, sie haben sich bis zuletzt kaum erholt. Seit Monaten würde die Opposition eine Mehrheit im Parlament erzielen. Netanjahu hat es nicht nur verpasst, einen realistischen Weg aus dem Krieg aufzuzeigen, er hat auch massiv Rückhalt in der Bevölkerung verloren. Neuwahlen im Krieg wären eine Herausforderung für die israelische Gesellschaft, doch sie wären auch eine Chance.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml