Neuer Verfassungsschutzbericht: Kein Ausruhen gegen rechts
Innenminister Horst Seehofer betont zurecht die große aktuelle Gefahr durch Rechtsextremismus. Doch der Verfassungsschutz allein wird damit nicht fertig.
E s war eine klare Botschaft, die Horst Seehofer und Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang am Donnerstag aussandten. Es ist der Rechtsextremismus, der dieses Land derzeit bedroht. Und das nicht nur mit den Fäusten stumpfer Gewalttäter, sondern auch mit den Zündeleien der geistigen Brandstifter, etwa der „Flügel“-Rechtsaußen in der AfD und Neurechter wie Götz Kubitschek.
Es ist die richtige Analyse in Zeiten, in denen Rechtsextreme in Kassel, Halle und Hanau morden, Waffen horten, einen Tag X beschwören. In denen die AfD es für ihren Markenkern hält, gegen Migranten und Muslime zu ätzen, und so Gewalt den Weg bereitet – mit einer Wirkung, die längst viel größer und gefährlicher ist als die einer NPD. Es ist zugleich eine unumgängliche Analyse. Zu welcher Einschätzung soll der Verfassungsschutz denn sonst kommen?
Denkt man an den früheren Amtschef Hans-Georg Maaßen, wäre anderes vorstellbar, sein Nachfolger Haldenwang geht hier aber einen klareren, anerkennenswerten Weg. Jedoch: Die Einsicht kommt spät. Denn bereits vor Jahren mordete der NSU, wurden Geflüchtetenunterkünfte angezündet, wiegelte Pegida BürgerInnen auf. Und der Staat schaute weitgehend zu. Im Fall des Oktoberfestattentats brauchte es gar 40 Jahre, bis die Bundesanwaltschaft die Tat nun als das einstuft, was sie von Anfang an war: rechtsextremer Terror.
Dabei ist es Aufgabe des Staates, diesen Hass zu zügeln und Minderheiten zu schützen. Und man sieht, was ein konsequentes Vorgehen bewirken kann. Die AfD zerlegt sich im Streit, wie mit der Beobachtung durch den Verfassungsschutz und mit ihren rechtsextremen Anführern umzugehen ist. Die neurechte Szene verliert ihre Onlineplattformen, Rechtsextreme werden durch Verbote wie das von Combat 18 verunsichert.
Und dennoch bleibt eine Leerstelle. Denn längst scheinen sich Rechtsextremisten auch in Polizei und Bundeswehr zu vernetzen. Auch dieses Problem existiert seit Jahren und ist mindestens genauso gefährlich. Die dortigen Extremisten haben Zugang zu Waffen und sensiblen Informationen, sind kampferprobt. Hier aber bleibt Haldenwangs Bericht blass. Und von Seehofer gibt es dazu keine klaren Worte – stattdessen ist ihm schon eine Studie zu Racial Profiling in der Polizei zu viel.
Es bleibt dabei: Der Verfassungsschutz und die Regierung allein werden den Rechtsextremismus nicht in den Griff bekommen. Es braucht den Druck der gesamten Gesellschaft dazu, auf allen Ebenen. Dass dabei etwa der Anschlag von Hanau mit zehn Toten öffentlich wie vergessen wirkt, ist beunruhigend. Es darf kein Vergessen solcher Taten geben, kein Ausruhen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen