Neuer Treibstoff für Schiffe: Pipi fürs Klima
Kann Ammoniak ein Treibstoff der Zukunft sein? In Norwegen wird jetzt das erste ozeantaugliche Schiff auf Ammoniak umgerüstet.
Was da klappen soll, wird nun mit dem Umbau eines ersten Schiffs getestet. Die „Viking Explorer“ soll das erste ozeantaugliche Schiff werden, das – ohne ein Segelschiff zu sein – auch über weite Destinationen gänzlich „kohlenstofffrei“ das Meer befahren kann. Angetrieben mit „grünem“ Ammoniak.
Die globale Schifffahrt gehört zu den größten Klimagasemittenten und ihre Klimabilanz droht relativ gesehen sogar zunehmend schlechter zu werden. Derzeit steht sie mit rund 850 Millionen Tonnen CO2 jährlich für etwa 2,5 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen.
Zwar blieb die internationale Schifffahrt ebenso wie der Luftverkehr im Pariser Klimaabkommen unberücksichtigt. Aber IMO, die maritime Organisation der Vereinten Nationen, hat die Zielmarke gesetzt, den Klimagasausstoß der Schifffahrt bis 2050 im Vergleich zu 2008 immerhin zu halbieren. Bis 2070 will man einen Nullausstoß erreicht haben.
Kein Ersatz für fossile Treibstoffe
Das geht zu langsam und dauert zu lange, meinen viele Klimaschutzorganisationen und fordern die „Null“ schon für 2050. Es gibt aber auch pessimistische Szenarien, die für die Schifffahrt einen Anteil von 17 Prozent am globalen CO2-Ausstoß bis 2050 vorhersagen. Der Grund: Im Gegensatz zu anderen Transportsektoren gibt es auf den Ozeanen bislang keinen wirklichen Ersatz für fossile Treibstoffe. Die haben nämlich eine hohe Energiedichte und auch für große Reichweiten bedarf es an Bord nicht viel Platz, der ja auf Kosten der Ladekapzität der Schiffe gehen würde.
Eine Alternative, die elektrische Antriebstechnik mit Batterien ist nur für kürzere Strecken geeignet. Was Flüssiggas (LNG) angeht, das seit einigen Jahren zumindest als mögliche Brückentechnologie galt und das Kreuzfahrtreedereien mittlerweile gern als „grün“ vermarkten, so wird dieses in aktuellen Studien wegen seiner Methangasemissionen sogar als wesentlich klimaschädlicher als Marinediesel bewertet. Wasserstoff gilt als zukunftsträchtig, erfordert aber aufwändige Drucktanks sowohl an Bord der Schiffe wie an Land bei Lagerung und Transport.
Weil es eine höhere Energiedichte als Wasserstoff hat und noch dazu leichter zu handhaben ist, wurde in letzter Zeit ein anderes Gas zunehmend interessant: Ammoniak. Eine chemische Verbindung aus Stickstoff und Wasserstoff, die im industriellen Maßstab vorwiegend durch Synthese im „Haber-Bosch-Verfahren“ und vor allem zur Herstellung von Düngemitteln produziert wird. Ammoniak wird unter minus 33 Grad Celsius flüssig, bei einem Druck von 10 bar schon bei Normaltemperaturen. Es ist ein Gas, das stark stechend riecht, ätzend und giftig ist.
Besser fürs Klima
Klingt nicht gerade nach einem geeignetem Treibstoff, aber in den USA wurden Strassenbahnen schon in den 1870er Jahren mit Ammoniak angetrieben und im 2. Weltkrieg in Belgien Busse. Auf dem marinen Sektor haben jahrzehntelange Erfahrungen, zu denen auch regelmässige Ammoniaktransporte mit weltweit über 150 Schiffen und die Verwendung als Kühlmittel gehören, zu erprobten Sicherheitsprozeduren geführt.
Und Ammoniak gefällt dem Klima: Bei der Verbrennung entstehen Stickstoff und Wasser und auch bei möglichen Leckagen kommt es zu keinem Klimagasausstoss oder negativer Einwirkung auf die Ozonschicht. Weltweit größter Ammoniakproduzent ist die norwegische „Yara“. Die will ab Ende 2022 über den Einsatz erneuerbarer Energie statt des bisherigen Erdgases und den Einstieg in die CO2-Lagertechnik CCS ihre Produktion nach und nach ganz auf „grünes“ Ammoniak umstellen.
Solches Ammoniak gilt mehreren Studien zufolge als die gegenwärtig aussichtsreichste kohlenstofffreie Treibstoffalternative für die Schifffahrt. So auch nach einer Analyse, die vom „University Maritime Advisory Services (UMAS)“ im Januar beim Weltwirtschaftsforum in Davos präsentiert wurde. „Grünes“ Ammoniak für seine Brennstoffzellen soll ab 2024 auch die „Viking Explorer“ antreiben. Bislang fährt sie mit LNG.
Das wird auch nach dem Umbau möglich sein – die Ammoniakversorgung ist noch lückenhaft. Schiffsmotoren, die sowohl mit LNG wie Ammoniak betrieben werden können, entwickelt derzeit auch die deutsche „MAN Energy Solutions“. Die Kosten für den Umbau der „Viking Explorer“ werden auf umgerechnet etwa 23 Millionen Euro geschätzt: Die EU steuert über ihr „Horizon 2020“-Programm 10 Millionen für dieses Pilotprojekt bei.
Und entsprechende Katalysatoren sollen dafür sorgen, dass das Schiff nicht nur das Klima nicht schädigt, sondern auch keine Stinkefahne hinter sich herzieht.
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