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Neuer Streit um BundeshaushaltEtatstreit geht in die nächste Runde

Der Haushaltsentwurf steht nach einem Gutachten wieder auf der Kippe. Finanzminister Lindner spricht von 5 Milliarden Euro, die fehlen.

Alles zurück auf Anfang? Habeck, Scholz und Lindner stellten im Juli ihren Haushalt vor Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Nach einer mühsamen Einigung könnten beschwerliche Nachverhandlungen anstehen: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht nach einem Gutachten aus seinem Haus eine Lücke von etwa 5 Milliarden Euro im Etatentwurf für das kommende Jahr und mahnte neue Gespräche in der Regierung an. Mit dem Vorstoß sorgte Lindner für Irritationen und Kritik bei seinen Koali­tionspartnern. Von den Grünen hieß es am Montag, es gebe keinen Grund für neue Verhandlungen. Viel Zeit wäre nicht, um die Milliarden zusammenzukratzen: Das Finanzministerium will den Haushaltsentwurf in etwa zwei Wochen dem Bundestag zukommen lassen.

Von der Bundesregierung kamen am Montag angesichts des neu entfachten Streits beschwichtigende Worte. Der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner sagte, alle seien „guten Willens und optimistisch, dass man das alles am Ende gut auflösen kann“. SPD-Chefin Saskia Esken war dagegen gar nicht gut auf den FDP-Vorsitzenden und Finanzminister zu sprechen, der die neuerliche Debatte mit Äußerungen am Sonntag in einem Interview im ZDF losgetreten hatte. Lindner beschädige wieder einmal die Regierung, sagte Esken. „Er spricht von Transparenz, aber er hat nicht innerhalb der Regierung Transparenz hergestellt, sondern mit der Öffentlichkeit. Das ist unanständig, und das dient der eigenen Profilierung.“

Bei den Grünen sprach sich der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch gegen Neuverhandlungen aus. „Es gibt ausreichend rechtliche und finanzpolitische Möglichkeiten für eine gute Lösung“, erklärte er. Es sei die Aufgabe des Finanzministers, eine „für alle tragbare Lösung“ vorzuschlagen.

Hintergrund der Auseinandersetzungen ist ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Finanzministeriums, das Bedenken etwa der Umwidmung von Krediten angemeldet hatte. Hierbei wurde geprüft, ob bei der staatlichen Förderbank KfW geparkte Notlagenkredite, die eigentlich für die Gaspreisbremse gedacht waren, für die Finanzierung anderer Ausgaben im Haushalt herangezogen werden könnten. Der Beirat hatte bereits am Donnerstag „erhebliche Zweifel“ an dieser Überlegung kundgetan.

Unionsfraktion zweifelt am Zeitplan

Bei ihrer Haushaltseinigung Mitte Juli hatte sich die Bundesregierung darauf geeinigt, mehrere Instrumente zu prüfen, um ein Loch von etwa 17 Milliarden Euro im Etat zu schließen. Neben der der genannten Idee, KfW-Kredite anders zu nutzen, untersuchten die Beamten im Kanzleramt und Finanzministerium auch zwei weitere mögliche Geldquellen: Hierbei sollen der Deutschen Bahn und der Autobahngesellschaft die Zuschüsse gestrichen und fortan stattdessen Darlehen gewährt werden. So könnte buchhalterisch die Schuldenbremse gewahrt bleiben, auf deren Einhaltung der Finanzminister drängt.

Laut Berichten des Handelsblatts hatte der Wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums mehrere Kritikpunkte an den Ideen der Bundesregierung. Demnach sei etwa die Umwandlung von Zuschüssen an die Autobahngesellschaft zweifelhaft, da das Unternehmen über keine keine eigenständigen Einnahmen verfüge.

Die Bundesregierung zeigte sich trotz dieser Einschätzungen zuversichtlich. Vize-Regierungssprecher Büchner sagte, sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als auch, „soweit ich das sehe“, Finanzminister Lindner seien sich einig, dass zwei der drei Optionen juristisch möglich seien, eine dritte hingegen verfassungsmäßig nicht umsetzbar sei. Nun müsse geschaut werden, wie mit dem Ergebnis der Gutachten umzugehen sei.

Mitte August möchte die Bundesregierung ihren Etatentwurf dem Bundestag zusenden, damit der Haushaltsplan in ein Gesetz gegossen werden kann. Aus der Opposition kam am Montag deutliche Kritik an dem Vorgehen der Ampelparteien. „Das Kabinett hat im Juli einen verfassungswidriger Haushaltsentwurf beschlossen, den die Ampel nun im Eiltempo bis zum 16. August 2024 korrigieren muss“, erklärte Christian Haase, haushaltspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Sollte dies nicht gelingen, müssen die parlamentarischen Haushaltsberatungen verschoben werden, sagte der CDU-Politiker.

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14 Kommentare

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  • Meiner Meinung nach hat der Politiker Lindner beruflich und persönlich vollkommen versagt.



    Ein Finanzminister, der nicht mal in der Lage ist, seinen Haushalt zu erstellen, ohne sich von Kanzler und Vizekanzler helfen zu lasssen, -wie bitte ?



    Und bei jedem Problem in die Öffentlichkeit rennt und flennt ?



    Hat der Mann kein Rückgrat ?

  • Meine Güte, nervt die FDP.

    Dann soll der Kanzler eben Lindner entlassen. Es wird sich schon irgendein Liberaler finden, der den Posten haben will.

    • @Suryo:

      Dann verlässt die FDP die Koalition und Scholz verliert die Kanzlerschaft oder muss Merz Regierungserfahrung sammeln lassen um dann 2025 zu verlieren.

      Du kannst einen Parteichef nicht aus dem Ministeramt schmeißen ohne die Koalition zu beenden.

      Generell kann Scholz auf die FDP und Grünen Ministerplätze nicht eingreifen und bei der Besetzung mitentscheiden.

      • @Walterismus:

        Und was macht die FDP? Die kommt vielleicht gar nicht mehr in den Bundestag.

  • Ein Haushaltsloch wird Sommerloch!

    Statt dem Ventilator wirbelt Herr Profilator Lindner rum.

    Lächerlich!

    Für 5 Mrd. reicht es doch, kurz mal die Spendiershorts anzuziehen, dann kann die Regierung Ferien machen und auch Herr Lindner mal runter kommen statt sich quer ins Sommerloch zu legen. Das Sommerloch füllen ja am liebsten PolitikerInnen der 2ten Garde. Will Lindner partout dazu gehören? Seltsamer Komplex!

  • Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn 2021 ein Rot-Schwarz die CDU/CSU zerpulvert hätte ...

    Koalitionen brauchen rationale Spieler mit positiven Zielen. Wenn ein Mitspieler quasi nur destruktiv drauf ist, jenseits von einem Korrektiv vor allem Erfolge der anderen verhindern will und dafür sogar den Koalitionsvertrag immer wieder missachtet, dann wird es schwer.

    Lindner sollte ansonsten seinen Amtseid ernstnehmen und jetzt die Kasse des Bundeshaushalts mit zwei einfachen Manövern füllen



    - umweltschädliche teure Bezuschussungen beenden, CO2-Bepreisung entlang der wissenschaftlichen Vorschläge



    - Vermögenssteuer entpausieren (das ist _keine neue Steuer)

    Druck u.a. von Scholz wäre dabei ein wertvoller Hebammendienst.

  • Das Ganze ist sooo peinlich, wenn Politiker nur auf Klamauk aus sind. Da beschäftigt Lindner Tausende Mitarbeiter (auf die er wahrscheinlich nie hört, die aber teuer sind), um sich dann in der Sommerpause als 'Hüter' einer Schuldenbremse aufzuspielen, die sich angesichts der fortschreitenden Geldentwertung als absolute Witznummer herausstellt (Verfassungsrichter sollten wenigstens im Nebenfach auch Ökonomie studiert haben). Auch Kandidaten für höhere öffentliche Ämter fehlen Grundkenntnisse in ihrem Metier dafür kennen sie umso mehr populistischen Floskeln (sie sollten VERBOTEN werden). Neben Lindner gilt das für Spahn, Linnemann, Scholz, Söder, (leider) auch Habeck. So wird eben immer nur Optimismus gepredigt, mit dem Ergebnis, dass wir uns wundern sollen, wenn es auf dem Börsenpakett gerade nicht so läuft (u.a. weil niemand weiss, wo noch Gewinne gemacht werden können, wenn die tolle Technik keine Käufer mehr findet und zu teuer wird).

  • Das mit der FDP als U-Boot in der Ampel klappt wirklich super. So wird die Regierung von innen heraus bis zur nächsten Wahl zerstört. Dann wird praktisch niemand mehr SPD und Grüne wählen.

    Und der Bundeskanzler schaut sich das alles an und macht alles mit. Es ist wirklich ein Trauerspiel, was SPD und Grüne sich gefallen lassen.

    Aber sie machen es mit, auch wenn dabei mehr CDU/CSU Politik rauskommt als es CDU/CSU jemals durchsetzen könnten.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Da bin ich absolut ihrer Meinung - vor allem wäre das Problem gelöst in dem man einfach das Dienstwagen privileg streichen würde ....

      • @Phaidon:

        Das mit dem "Dienstwagenprivileg" scheint für viele hier ein rotes Tuch zu sein - ich frage mich warum.

        Die Alternative wäre doch nur, dass Menschen, die jetzt einen Dienstwagen für private Zwecke nutzen, sich stattdessen ein eigenes Auto anschaffen würden und noch mehr Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind. Das wäre dann aber auch wieder nicht recht.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Einfach im Vorfeld besser arbeiten. Scheint bei SPD und Grüne aber nicht cool zu sein.



      Man macht was und bekommt hinterher einen auf den Deckel und wundert sich, statt einfach mal die eigenen Prozesse zu prüfen.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Man wusste vor der Wahl was eine Koalition mit der FDP bedeutet. Da find ich das Klagen fehl am Platz.



      Ich glaube übrigens nicht, dass sich eine CDU geführte Regierung getraut hätte das Budget für das Entwicklungsministerium zu kürzen. Auch wenn ich froh darüber bin, dass wir mit Scholz einen besonnen Kanzler haben, denke ich das die Grünen besser in der Opposition aufgehoben sind. Dort haben sie oft mehr bewirken können als in der Regierung.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Wenn man und frau Teil des Establishments geworden sind, dann muss um jeden Preis reagiert werden, um die Interessen des eigenen, unterstützenden Geldadels durchzusetzen. Es war jedem mit einem Funken an Verstand klar, dass eine Regierung mit einer neoliberalen, rechten Klientelpartei nur zu mehr Privilegien für die Reichen führen würde. Trotzdem wollten Grüne und SPD so dringend regieren, dass sie bereit waren dafür alle Prinzipien über Bord zu werfen (die wenigen die sie noch hatten).

      Die Rechnung dafür werden sie bei der nächsten Wahl kriegen. Deutschland besteht nicht aus 80% Wohlhabenden. Und wenn alle Establishment Parteien die kleinen Leute nur ausbeuten, dann wählen diese Menschen gar nicht mehr (Resignation mit dem System) oder sie gehen zu den Populisten, welche ihnen leere Versprechungen machen.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Wenn im Finanzminsterium rechtliche Bedenken bestehen ist es doch transparent, diese zu veröffentlichen.