Neuer Landtag von Sachsen-Anhalt: Regeln der Platzhirsche
Der Frauenanteil ist nicht nur in Magdeburg niedrig. Das liegt an den vielen CDU-Direktmandaten – bei der Bundestagswahl droht Ähnliches.
R und die Hälfte der Menschheit ist weiblich, auch in Sachsen-Anhalt. Nur spiegelt sich das nicht im neu gewählten Landtag wieder: Gerade mal 28 Prozent der Abgeordneten sind Frauen. Damit reiht sich Sachsen-Anhalt weiterhin bei Schlusslichtern wie Bayern und Nordrhein-Westfalen ein.
Beim Frauenanteil in den Parlamenten hat es zuletzt sogar Rückschritte gegeben, und das liegt nicht nur an der AfD. Auch die CDU sorgt dafür – bei ihr schlägt ein Phänomen durch, das bei der Bundestagswahl im Herbst noch sehr deutlich werden wird: Unions-Abgeordnete ziehen mit großer Mehrheit über die Direktmandate in die Parlamente ein, weil die SPD als ernsthafter Wahlkreiskonkurrent ausfällt und die Grünen es schwer haben werden, außerhalb ihrer Milieuinseln Prenzlauer Berg und Freiburg im Breisgau direkt in den Bundestag einzuziehen.
Quoten oder eher unverbindliche Quoren wie bei der CDU – die sie selbst regelmäßig ignoriert – bei den Landeslisten bringen nichts, wenn das Gros ihrer Abgeordneten direkt über die Wahlkreise einzieht. Hier gelten andere Regeln als beim Gerangel um die Listenplätze, zum Beispiel das Prinzip Platzhirsch.
Wer einem Mandatsinhaber in der eigenen Partei den Platz streitig machen will, muss entweder auf einen freiwilligen Verzicht (unwahrscheinlich) oder einen kleinen Skandal (auch unwahrscheinlich) hoffen. Oder er oder sie bringt die nötige Ruchlosigkeit und Netzwerke mit, um sich rechtzeitig hinter den Kulissen Mehrheiten zu organisieren – das sind bislang eher Männerdomänen.
CDU sollte sich neu erfinden
Auch im eigenen Interesse sollte gerade die CDU hinterfragen, ob es bei direkt Gewählten wirklich darauf ankommt, bei jeder Landstraßeneinweihung persönlich dabei zu sein und mit dem Feuerwehrchef Schnaps zu trinken. Auf die älteren konservativen Frauen, die treu CDU wählen, kann die Partei nicht ewig bauen.
Im Osten definierten sich selbstbewusste Frauen über ihre Leistung und nicht über das Binnen-I, sagte Reiner Haseloff. Das mag so sein, vermutlich sogar im Westen. Aber dann sollte seine Partei ihnen die Gelegenheit geben, leisten zu können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“