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Neuer Landtag in ThüringenVerletzte Rechte

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Der AfD-Alterspräsident in Thüringen hat die Parlamentsrechte nicht beachtet. Doch entscheidend ist, dass die AfD das auch akzeptiert hat.

Höcke im Plenarsaal in Thüringen: Die AfD wurde nicht rechtswidrig ausgebootet, wie sie behauptete Foto: Martin Schutt/dpa

D er CDU-Politiker Thadäus König ist am Samstag zum Präsidenten des neu einberufenen Thüringer Landtags gewählt worden. Zuvor war die Geschäftsordnung des Landtags mit den Stimmen von CDU, BSW, Linke und SPD geändert worden. Denn nach den bisher geltenden Regeln hätte die AfD das Vorschlagsrecht für diesen Posten gehabt. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hatte bereits am Freitagabend entscheiden, dass die Regeländerung vor der Wahl verfassungskonform ist.

Die Begründung des Gerichtsbeschlusses überzeugt: Da die AfD keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf den Posten des Landtagspräsidenten hat, durften die Regeln auch zu ihren Ungunsten geändert werden. Und natürlich durften die Regeln schon vor der Wahl geändert werden und nicht erst hinterher. Denn jeder neu gewählte Landtag gibt sich seine Regeln selbst. Das gehört zur Parlamentsautonomie.

Die AfD wurde hier also nicht rechtswidrig ausgebootet, wie sie behauptete. Sie hat es sich vielmehr selbst zuzuschreiben, dass andere Fraktionen ihr keine wichtigen parlamentarischen Posten mehr zugestehen wollen. Die sehr parteiische Sitzungsleitung durch den AfD-Alterspräsidenten Jürgen Treutler am Donnerstag war ein erneuter Anlass dafür. Wie das Thüringer Verfassungsgericht nun feststellte, hat Treutler dabei die Rechte der anderen Abgeordneten verletzt.

Umgekehrt ist es aber auch übertrieben, das Verhalten Treutlers nun als Grund dafür zu nehmen, die Forderung nach einem demokratisch ohnehin fragwürdigen AfD-Parteiverbot erneut aufzuwärmen, wie es der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz tut. Dass die AfD nicht nur demütig zuschaut, wie immer wieder die Regeln zu ihren Ungunsten verändert werden, kann man psychologisch durchaus nachvollziehen.

Entscheidend ist aber nicht, dass die AfD am Donnerstag mit wenig überzeugenden juristischen Argumenten versuchte, die Änderung der Regeln zu blockieren. Entscheidend ist, dass sie den Beschluss des Thüringer Verfassungsgerichts am Samstag sofort akzeptiert hat.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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20 Kommentare

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  • 6G
    698967 (Profil gelöscht)

    Das klingt merkwürdig. Ein bisschen wie in der Schule: "Immerhin hat Torben-Uwe auf den Direktor gehört" Vorher hat Torben-Uwe alle Regeln missachtet und macht dies auch schon lange, aber immerhin....Nur, wir sind nicht in der Schule mit einem Jugendlichen. Wir haben es mit einer Partei zu tun, die offen verfassungsfeindlich ist, die erwiesenermaßen rechtsradikale und faschistische Mitglieder hat. Das merkwürdige unsachliche Austeilen des Kommentators gegenüber dem Versuch ein Antrag auf Verbot zu stellen, wirkt auf mich befremdlich und unangemessen. Toleranz Paradoxon?

    • @698967 (Profil gelöscht):

      …ja (s.u.) das stößt mir auch stutzig machend auf - zumal Herr Rath sich quasi purgierend dahin versteigt - wa!



      ”… die Forderung nach einem demokratisch ohnehin fragwürdigen AfD-Parteiverbot…“



      Das ist was für Proseminar - oder sorry Höcke-Stammtisch! Newahr.



      Es gibt kein über den Wassern in den den Wolken Clouds schwebendes Demookratie-Modell -



      Es gibt das unsere Republik & damit auch unsere Demokratie verfassene Verfassung - Das Grundgesetz! Gell



      Und dabei deswegen und dadurch haben damals post Weimar/3. Reich & WK II die Mütter und Väter die Demokratie einerseits sehr freiheitlich ausgestaltet - andererseits & gleichwertig aber mit hohen Hürden - Karlsruhe hat‘s nochmals unlängst konkretisiert - die Möglichkeit eines Parteiverbotes geschaffen - aufgrund ihrer politischen & Lebenserfahrung!

      kurz & mit Verlaub Herr Rath - derzeitiger Recht&Gesetz-Stand ist DAS •



      “Demokratisch fragwürdig“ ist in dem geltenden Rahmen - NICHTS!



      Mit Horst Ehmke “Verfassungen sind keine Lebensversicherungen“! - aber auch - das Grundgesetz - kein Wunschkonzert &! anderes sollte auch nicht dem Purgieren über Bande dienen! Newahr



      Nö. Normal nich - wa!

  • Warum wurde der auf Wunsch von CDU und BSW extra zusätzlich eingefügten TOP 4 der Tagesordnung nicht gleich auf Punkt 1 gesetzt. Das ganze Theater hätte sich erübrigt und laut Urteil wäre das kein Problem gewesen.

    • @HinzUndKunz:

      Die Entscheidung des Verfassungsgerichtes zeigt, dass zunächst die vorl. Schriftführer zu benennen und dann die Beschlussfähigkeit festzustellen ist, was vom Alterspräsidenten beabsichtigt war, bevor er gestört wurde. Offenbar haben Sie den Beschluss nicht richtig gelesen.

  • Das war das erste Austesten der AFD wie weit sie gehen können, dieser Posse werden vermutlich noch viele folgen.

    Jetzt da das Kind richtig in den Brunnen gefallen ist, ein Verbotsverfahren zu fordern ist mehr als ungeschickt.

    "Entscheidend ist, dass sie den Beschluss des Thüringer Verfassungsgerichts am Samstag sofort akzeptiert hat" Alles andere wäre auch rein taktisch unklug gewesen. So fest sitzt die AFD nicht im Sattel, um sich das erlauben zu können.

    Das Problem würde sich gar nicht stellen, wenn wir im Bundestag auch, das dienstälteste Mitglied , die erste Sitzung des neugewählteb Parlaments leitet, da bin ich ganz der Meinung von Lammert.



    Könnte jetzt ja im Landtag problemlos geändert werden.

    www.youtube.com/watch?v=Zy-4lxSRfkE ab min 3:19-4:20

  • Entscheidend ist für mich in erster Linie, dass über 30% der Bürger diese Partei gewählt haben, mit der Tendenz ständig stark steigend. Offensichtlich läuft irgendetwas aus dem Ruder, dass immer mehr Menschen diese Partei wählen.



    Und ich stelle am aktuellen Fall fest, dass die anderen Parteien sich immer noch nicht auf die Gefahren genügend vorbereitet haben. Ich fürchte die werden das Parlament noch oft mit Füßen treten.

    • @Rudi Hamm:

      Das Verhalten dieses "Alterspräsidenten"



      verdeutlicht mit großer Wahrscheinlichkeit, wohin es im Fall der Fälle mit dem Rest an Demokratie ginge.

  • Nach den Protokollen früherer konstituierender Sitzungen des Landtags

    parldok.thueringer...-plenarsitzung.pdf (2014)

    parldok.thueringer..._plenarsitzung.pdf (2019)

    hat sich Treutler genau an deren Reihenfolge orientiert: Rede, Schriftführer und Wahlhelfer bestimmen, Beschlussfähigkeit feststellen, Präsident*in wählen - er ist aber schon während seiner Rede mit Anträgen unterbrochen worden.

    Wan kann gut der Auffassung sein, die Konstituierung eines Parlaments sei erst mit der Wahl des Präsidenten abgeschlossen: 》Im Rahmen der Konstituierung wird das Parlamentspräsidium bestimmt und damit die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes hergestellt. Solange derParlamentspräsidentnicht gewählt ist, wird die Versammlung vomAlterspräsidentengeleitet. Mit der Übergabe der Sitzungsleitung an den neu gewählten Parlamentspräsidenten ist die Konstituierung abgeschlossen《 (Wikipedia)

    Insofern hat die AfD (vgl. Sturm aufs Kapitol) mit der Anerkennung der Entscheidung der Demokratie eher genützt.

    Und solange sie nicht verboten ist, ist es höchst undemokratisch, sie zu behandeln als wäre sie es.

    • @ke1ner:

      Ich stimme zu.



      Auch hier wird so getan als ob sich Treutler nicht an geltendes Recht gehalten hat und das obwohl jeder "lesen" kann das er es hat und dabei unterbrochen wurde.



      Es ist beschämend das gerade hier auf Demokratie gerufen wird aber nur wenn es um "die Richtigen" Parteien geht.



      So funktioniert es aber nicht.



      Auch wenn die AFD rechts ist, solange diese sich an das Recht (in diesem Fall Protokoll) hält muss, wenn man wirklich Demokratie beschützen will es aushalten.



      Alles andere ist Antidemokratisch und nützt denen welche die Demokratie abschalten wollen mehr als das es Ihnen schadet.

    • @ke1ner:

      Nachtrag: inzwischen gibt es beim Tagesspiegel einen Artikel 》Lügen und ihre Widerlegung:So erzählt die AfD auf Social Media, was angeblich im Thüringer Landtag passiert sei [...] AfD-Vertreter stellten es als Unverschämtheit dar, dassAlterspräsident Jürgen Treutler von Abgeordneten in seiner angeblichen Rede unterbrochen worden sei. Aber: Treutler hatte sich weder an die Unparteilichkeit gehalten, die sein Amt ihm vorgab, noch war klar, wann seine Rede endete. 《

      shorturl.at/ppQN2 (inzw. Paywall)

      Den Livestream des MDR gibt es hier auf Youtube m.youtube.com/watch?v=CBulDRw9YOM

      Treutler hat mit Min 16:06 begonnen zu reden, die Gültigkeit der alten Geschäftsordnung festgestellt, die Fraktionen und ihre Vorsitzenden und Geschäftsführer vorgestellt, Gäste (etwa den Präsidenten des Verfassungsgerichts begrüßt und war damit bei Min 22:41 fertig.

      Hob an mit "Meine Damen und Herren, es ist ein guter Brauch, dass der Alterspräsident..." - da kam schon die Wortmeldung von Bühl (CDU) und der Antrag, die Beschlussfähigkeit des Landtags festzustellen.

      Ich finde es erschütternd, wie wenig die Richtigstellung des Tagesspiegel mit dem tatsächlichen Ablauf zu tun hat.

  • AfD-Parteiverbot einleiten!



    JETZT oder Niemals!

  • Ach was! ©️ Vagel Bülow 💯💯💯

    “Doch entscheidend ist, dass die AfD das auch akzeptiert hat.“

    Ihre Worte in Höckes & Co Gehörgänge!



    Ehran stikum Optimismus - teile ich als was älterer Fahrensmann nicht! Woll



    Normal &! Quasselbude - ick hör dir trappsen! Wollnich

    unterm—— entre nous but not only—



    Herr Wanderwitz mach ehna ja einer sein - ehr Abwiegeln permanent is mit Verlaub “…oock nich wiid vun wech!“



    Newahr & Nichts für ungut. Gelle

  • Der eigentliche Coup der AfD ist, dass sie dem Urteil des thür. Verfassungsgerichtes artig folgt. Da ist das Verbot ("aktive kämpferische Haltung") noch schwerer zu begründen. Bin gespannt.

    • @GregTheCrack:

      Ich sehe dies insgesamt als Taktik: erst die Selbstorganisation des Parlaments verhindern, es als Unterbrechung der Rede des Alterspräsidenten hinstellen und hinterher sich brav ans Urteil haltend geben.

  • Das Hauptargument gegen ein Verbot der AfD ist ja oft, dass sie demokratisch gewählt wurde. Das waren Hitler und seine Nazis damals auch! Wie lange gucken denn die etablierten Parteien noch tatenlos zu? Bis die AfD die Demokratie zerstört hat? Sie macht nicht den geringsten Hehl daraus. Es ist lächerlich und feige, wenn dauernd von Beobachtung, gesichert rechtsextremistisch eingestuft etc. von seiten des Verfassungsschutz geredet wird, und es bleibt ohne Folgen.

    • @Minelle:

      Ich sehe es ähnlich: entweder eine Partei ist innerhalb des akzeptablen Rahmens; dann soll sie auch normal behandelt werden. Oder sie ist außerhalb dieses Rahmens; dann soll sie nicht an Wahlen teilnehmen dürfen bzw. ganz verboten werden. Alles andere erzeugt Schieflagen und Verbiegungen und vor allem die Gefahr, dass unsere Demokratie ernsthaft geschädigt wird.

  • 6G
    611245 (Profil gelöscht)

    Ich fand die Argumente beider Seiten einleuchtend. Aber man muss sich ja nun für einen Weg entscheiden und beim lesen des Urteils



    verfassungsgericht...t_barrierefrei.pdf



    fand ich als Laie die Begründung, das Parlament befände sich während der Konstitution im „Naturzustand“ und es müsse sich zunächst „eine eigene Organisation geben“, überzeugend.

    Positiv kann man auch sehen, dass die übliche Leier von Union oder SPD nach Wahlen: „Die Wähler und Wählerinnen haben uns einen Regierungsauftrag gegeben“ und „Die stärkste Fraktion stellt den/die Ministerpräsidenten/in“ nun endlich obsolet ist. So etwas gibt es nicht, wie wir nun wissen.

    Im Übrigen hat nicht nur Wanderwitz, sondern auch Maier ein AFD Verbot gefordert. Und Bühl mit seiner „Machtergreifung“ Rhetorik.



    Zudem war dreiviertel twitter/X voll davon.

    Was soll das ganze Gerede von Faschismus, Machtergreifung, Nazis, Rechtsextremismus etc., wozu die ganzen VS Einstufungen, wenn es am Ende sowieso keine Konsequenzen gibt? Dann stumpft das alles einfach ab und noch mehr Menschen sagen „Mir doch egal“.

  • Entschuldigung, aber die AfD ist eine rechtsextreme Partei, die inzwischen ja nicht ohne Grund in den Bundesländern und im Bund vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Wie lange soll denn eine Demokratie Ihrer Meinung nach warten, bis diese Demokratiefeinde gestoppt werden? Bis es zu spät ist? Eine Demokratie muß gegen solche Gefahren wehrhaft sein und dazu gehört auch das Verbot einer verfassungsfeindlichen Partei. Ob das bei der AfD inzwischen ausreicht, wird dann vom Bundesverfassungsgericht entschieden. Dazu muß aber endlich ein Verbotsantrag gestellt werden. Wenn ich gerade wieder aus jüngster Zeit alleine die Verquickung von vielen AfD Mitgliedern mit Neonazis übelster Coleur betrachte, wird es höchste Zeit. Ich kann die Verzögerungsforderungen langsam nicht mehr hören. Und die AfD und Ihre Anhänger werden sowieso rumopfern, egal ob der Antrag gestellt wird oder nicht.

    • 6G
      698967 (Profil gelöscht)
      @Irm mit Schirm:

      Danke. Genau so sehe ich das auch. Wir können doch nicht ernsthaft akzeptieren, dassständig verfassungsfeindliches Verhalten toleriert wird. (Toleranz Paradoxon!). Wie lange, bis es zu spät ist?

  • "Entscheidend ist, dass sie den Beschluss des Thüringer Verfassungsgerichts am Samstag sofort akzeptiert hat."



    /



    War die Antwort des Gerichtes auf die legitime Anrufung sanktionsbewehrt?