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Neuer Kalter KriegEs muss gar nicht so aussichtslos sein

Bernhard Clasen
Kommentar von Bernhard Clasen

Russland provoziert, Trump lässt Atom-U-Boote los: Ist in Sachen Ukraine alles heillos verfahren? Nein, es gäbe durchaus gute Ansätze.

Die USS Ohio, hier noch in Brisbane Foto: dpa

A usgerechnet in einer Zeit, in der das politische Washington im Sommerurlaub ist, eskaliert es zwischen den USA und Russland. Das Handeln wird fast ausschließlich Wladimir Putin und Donald Trump überlassen: ein unberechenbares Gemisch. Es ist nicht damit zu rechnen, dass Trumps Ultimatum Putin einlenken lässt. Mit Ultimaten kann man keinen Frieden erzwingen.

Ja, wie dann? So aussichtslos wären Verhandlungen gar nicht. Sehen wir uns die Positionen an: Die Ukraine will einen bedingungslosen Waffenstillstand. Und Russland? Es sind vor allem vier Dinge, die Russland fordert: 1. Anerkennung der Realitäten am Boden, 2. Keine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, 3. Neutralität der Ukraine, 4. Schluss mit der Diskriminierung der russischen Sprache.

Eigentlich meint die russische Forderung nach Anerkennung der Realitäten am Boden und die ukrainische Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand ein und dasselbe: die Anerkennung der Frontlinie als Demarkationslinie. Dann: Derzeit gibt es in der NATO keinen Konsens zu einer ukrainischen NATO-Mitgliedschaft. Wäre gut, wenn die NATO dies von sich aus erklären und diese Frage auf 2035 vertagen würde. Wer nicht in der NATO ist, ist automatisch blockfrei und neutral. Und letzter Punkt: Die Diskriminierung der russischen Sprache widerspricht der ukrainischen Verfassung, die den Schutz der russischen Sprache garantiert. Bleibt zu hoffen, dass die EU in dieser Frage einen ähnlichen Druck ausübt wie bei der Korruptionsbekämpfung. Es würde dem Frieden dienlich sein.

Lediglich in einem Punkt scheint eine Einigung nicht möglich: Russland will die Gebiete Lugansk, Donezk, Saporischschja und Cherson.

Von der deutschen Regierung sind indes keine Impulse für einen Verhandlungs- und Friedensprozess zu erwarten. Wer gleichzeitig russischen Kriegsdienstverweigerern und demokratischen Aktivisten kein Asyl gewähren, aber den russischen Atomkonzern Rosatom in Lingen weiter wirtschaften lassen möchte, der handelt nicht hilfreich.

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Bernhard Clasen
Journalist
Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.
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13 Kommentare

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  • Angenehmer Beitrag!



    Der Lösungsansatz erinnert mich an Minsk2.



    Wären diese Verhandlungen mit Nachdruck geführt worden, hätte es diesen Krieg wohl nicht gegeben.



    Unendliches Leid wäre den Menschen erspart geblieben.

  • Ich stimme Herrn Clasen vollkommen zu.



    Man wird sich mit Moskau arrangieren können, wenn man das möchte. Die vier “annektierten" ukrainischen Provinzen stellen jedoch ein großes und tragisches Problem da für die Ukraine und den Westen. Würde man diese Russland überlassen dann wären die meisten Opfer ja umsonst gewesen. Ein solchen "Deal" hätte man ja auch schon vorher haben können. Das wäre also ein riesiger für Gesichtsverlust für viele Politiker und würde manche wie zb Selenski sogar vermutlich das Amt koste. Trotzdem bleibt zu hoffen, dass man sich mit Moskau arrangiert, bevor der "Preis" noch höher ist. Wichtig wäre es jedoch diese Provinzenen nicht völkerrechtlich anzuerkennen.

  • Seit über elf Jahren führt Russland nun Krieg gegen die Ukraine. Da waren schon zwei Abkommen dazwischen, die Russland offenbar nichts wert waren. Und immer noch muss ich selbst in renommierten Medien diese Mär lesen, dass Russland an der jetzigen Frontlinie dauerhaft halt machen würde wenn nur dem russischen Wunsch entsprochen wird die Ukraine nur gegen weitere russische Übergriffe wehrlos zu machen. Während geflissentlich ignoriert wird, dass Russland auch zur Bedinung macht, "die Konfliktursachen anzugehen". Und damit die bloße Existenz eines eigenständigen ukrainischen Staates meint.



    Dass damit Angriffskriege zur Grenzverschiebung wieder salonfähig werden setzt dem Ganzen natürlich die Krone auf.

    Folgerichtig müssten wir dann auch die Einstaatenlösung israelischer Lesart ins Auge fassen.

  • Sollen sie ruhig zustimmen, das töten muss endlich enden.



    Allerdings sollte die G7 noch beschließen jegliche Geschäfte mit Russland auch nach dem Krieg unter Strafe zu stellen.



    Angriffskriege dürfen sich nicht lohnen, und wenn man das schon nicht sofort mit einem Sieg gegen den Aggressor klarstellen kann, dann muss man sie eben auf Dauer ächten, allen was sie gerne hätten vorenthalten, und sie von Fortschritten bei technologischen Entwicklungen dauerhaft ausschließen.

  • "Wer nicht in der NATO ist, ist automatisch blockfrei und neutral" - und würde einfach später nochmal von Russland überfallen.

    • @Ciro:

      Für welche Länder außerhalb des russischen Einflussbereiches könnte dieses denn überhaupt theoetisch zutreffen (abgesehen vom Baltikum)?



      Haben Sie stichhaltige Indizien, die dafür sprechen, dass Moskau seine Einflusszone erweitern möchte um Länder wie z.B. Polen oder gar Deutschland. Selbst die vielen Hardliner unter den Experten können lediglich schwammige Argumente für einen Angriff auf das Baltikum vorlegen. Aber darüber hinaus?

  • 》Lediglich in einem Punkt scheint eine Einigung nicht möglich: Russland will die Gebiete Lugansk, Donezk, Saporischschja und Cherson《

    Vor dem Krieg wäre das über die Konstruktion "Autonome Regionen" möglich gewesen, vielleicht lässt sich daher doch ein Weg finden.

    Das würde natürlich Russisch als zweite, dort erste, Amtssprache, Repräsentanz im ukrainischen Parlament einschließen und könnte nur über wirklich demokratische Volksabstimmungen erreicht werden, etwa unter internationaler Aufsicht, OSZE z.B.

    Und die Nationalisten oder gar Rechtsextreme auch auf ukrainischer Seite dürften keinen Einfluss mehr haben. So sah das Minsker Abkommen auch richtig vor, paramilitärische Organisationen wie das Asow-Bataillon, heute -Regiment, aufzulösen. Schwer bewaffnete Rechtsextremisten, unter Nazisymbolen wie der Wolfsangel und der Schwarzen Sonne, ein Kreis aus SS-Runen, unterwegs.

    Die ukrainische "Lösung": das Asow-Bataillon/Regiment wurde direkt dem Innenministerium unterstellt, war damit nicht mehr irregulär - Vertrag erfüllt.

    • @ke1ner:

      Dieser ukrainische Nationalismus ist ein echtes Problem. 》In Russland kursiert schon seit Jahren die Erzählung des Nazismus, also der Lüge, dass die Ukraine von Nazis regiert werde, weshalb es eine Entnazifizierung geben müsse. Dieses Narrativ hat Wladimir Putin auch in seiner Rede vor dem Einmarsch in die Ukraine verbreitet.《 www.deutschlandfun...zid-nazis-100.html



      .



      Denn dieser russischen Propaganda lässt sich nicht glaubhaft der Wind aus den Segeln nehmen, solange sich die Ukraine positiv auf den NS-Kollaborateur und Faschisten Bandera beruft, ihm im Westen Denkmäler setzt, Straßen nach ihm benennt - dessen Organisation Ukrainischer Nationalisten sogar an der wahrscheinlich größten Vernichtungsaktion an Juden außerhalb der Vernichtungslager beteiligt war, der Erschießung von über 30000 Juden - Männer, Frauen und Kinder - innerhalb von 48 Stunden taz.de/Gedenken-an...bb_message_5000444



      .



      de.m.wikipedia.org...aker_von_Babyn_Jar - zu dem Gedenkort gelangt wan heute aber über die "Stepana Bandery Avenue", (laut Google Maps) nur 3,4 km entfernt.

  • Nein.



    Was Putin will, ist die totale Unterwerfung der Ukraine. Die obige Beschreibung ist schon arg schönfärbend.



    Oder glauben Sie wirklich, dass Vladi dann einfach das Krieg spielen lassen wird, wenn er die süd- und ostukrainischen Gebiete nach einem Völkerrechtsbruch einfach erhält und dazu noch eine wehrlose Marionettenregierung in Kiev?



    Wie naiv ist das denn?

    • @Wolkensprung:

      Es geht noch um mehr, Russland will Weltmacht sein, dafür fehlen aber die demographischen und wirtschaftlichen Grundlagen daher wird Putin will er seine Ziele erreichen noch weitere Staaten überfallen.

      • @Machiavelli:

        Putin ist leider bereit den Status Que der russische Einflusszone auch militärisch aufrecht zu erhalten. Natürlich ist das gegen das Völkerrecht. Die These, dass Putin die Einflusszone über Länder wie Polen, Rumänien usw erweitern möchte ist pure Spekulation ohne Grundlagen. Vielleicht betrachtet Putin das Baltikum noch als russische Einflusszone, aber selbst hier lassen sich viele Gegenargumente finden. Kurz um man wird sich schon mit Moskau arrangieren können, wenn man es möchte, aber der Preis wird hoch sein und wird sicherlich leider noch steigen.



        Trotzdem dürfte Kopf in den Sand und ein "weiter so" wie bisher kein gute Idee sein.

      • @Machiavelli:

        Russland ist das flächenmäßig größte Land der Erde mit den vermutlich größten Bodenschätzen und wird vermutlich vom Klimawandel profitieren. Es ist schon eine Weltmacht.

        • @J. Kraft:

          Vergleichen sie USA vs Russland dann sehen sie Russland ist keine Weltmacht. Wenn die USA wollen können sie morgen in Argentinien einmarschieren, Russland hätte Probleme mehr als zehn Schiffe nach Südamerika zu schicken, von Krieg führen ganz zu schweigen. Im Vergleich mit den USA, China, EU und Indien wird Russland in den nächsten Jahrzehnten immer weiter ins Hintertreffen geraten. Deswegen handelt Putin so wie er handelt.