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Neuer Kabinettsbeschluss für ErneuerbareMehr Tempo für Windkraftausbau

Veränderte Verfahren sollen den Ausbau von Windkraftanlagen in Deutschland beschleunigen. Unter anderem fallen Umwelt- und Artenschutzprüfungen weg.

Friedliche Koexistenz von Schafen und Windkraftanlagen im niedersächsischen Ovelgönne Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Berlin afp | Die Bundesregierung hat weitgehende Gesetzesänderungen für eine Beschleunigung des Ausbaus von Windkraftanlagen auf Land und auf See verabschiedet. In vielen Fällen sollen Umweltverträglichkeitsprüfungen und artenschutzrechtliche Prüfungen künftig nicht mehr nötig sein, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Montag mitteilte. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) versicherte aber, dass der Artenschutz dennoch „wichtig ist und bleibt“.

Die Gesetzesänderungen sehen vor allem vor, dass Umwelt- und Artenschutzprüfungen für Anlagen entfallen, wenn für das ausgewiesene Gebiet bereits eine „strategische Umweltprüfung“ vorgenommen wurde. Im Einklang mit einer entsprechenden Entscheidung der EU-Energieminister werden auch die EU-Vorgaben der Vogelschutz- und Habitatrichtlinie außer Kraft gesetzt.

Die Energieminister hatten im Dezember in einer Notfallverordnung den Weg für die Gesetzesänderungen frei gemacht. Die Bundesregierung will die entsprechenden Änderungen nun im Bundestag einbringen, damit sie rasch verabschiedet werden und in Kraft treten. Sie gelten laut BMWK für Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen und Stromnetzen, die vor dem 30. Juni 2024 begonnen werden. Auch bereits begonnene Genehmigungsverfahren profitieren.

Minister Habeck sprach von einem „Windausbau-Beschleuniger (…), wie wir ihn noch nicht hatten“. Er erwarte, dass die Bundesländer und die Genehmigungsbehörden den Windkraftausbau künftig „mit voller Kraft“ vorantreiben und Anlagen „zügig“ genehmigen. Zugleich werde der Artenschutz „materiell gewahrt“.

Die vom Kabinett beschlossene Gesetzesvorlage sieht demnach vor, dass Behörden dafür sorgen müssen, dass die Betreiber von Windanlagen „angemessene und verhältnismäßige Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen“ unternehmen und andernfalls „einen finanziellen Ausgleich in ein Artenhilfsprogramm leisten“.

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10 Kommentare

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  • Ein wesentlicher Aspekt des Artenschutzes sind Pestizide in der Landwirtschaft, die die Basis der Nahrung, Insekten vieler Ökosysteme vernichten. Schlechte Verneztung der Schutzgebiete ein weiterer und Klimawandel ein wesentlicher. Ein Ausbau erneuerbarer Energien wirkt zumindest einem Grund für Artensterben entgegen.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Wo sind im Artikel die konkreten Inhalte des neuen Verfahrens und deren ökologische Bewertung?



    Immerhin "Beschleunigung" - o heiliges Zauberwort des demnächst eintretenden Erfolgs seit Jahrzehnten.

    • @31841 (Profil gelöscht):

      `"Zugleich werde der Artenschutz „materiell gewahrt“`

      Da spricht offenbar jemand, der sich nie mit dem Thema ernsthaft beschäftigt hat. Derart nebulöse Aussagen gibt es von dem Habeck oft zu hören, wenn er selbst nicht daran glaubt. Der Artenschutz verkommt mehr und mehr zu einer dünnen, grünen Papierwand, die vor unappetitliche Dinge gehalten wird. Das die FDP das Märchen von der Beschleunigung von Fortschritt durch Abwürgen des Artenschutzes für ihren Autobahnbau dankbar aufgreift, war doch abzusehen.

      • 9G
        95820 (Profil gelöscht)
        @Axel Donning:

        "von dem Habeck oft zu hören, wenn er selbst nicht daran glaubt."



        Ja. Es ist zum Kotzen. "Artenschutz" ist auch so ein paternalistischer Scheißbegriff, erfunden von Menschen, die die Vernichtung der Arten verschleiern wollen.



        "Es geht nicht mehr. Mein Verstand läuft aus..." (J. Ringelnatz) www.textlog.de/rin.../gedichte/kniehang



        ("Wenn ich ein Vöglein wär', flög ich davon...)

        • @95820 (Profil gelöscht):

          Der gesetzliche "Artenschutz" umfasst ja nur eine Auswahl einiger streng geschützter Arten. Die Auswahl ist recht willkürlich und das Ganze führt nicht wirklich dazu, dass die Arten geschützt werden. Besser wäre es ja, die Biodiversität zu schützen, die auch genetische Varianten einschließt. Leider wäre das alles bereits so komplex, dass es keinem Politiker zu vermitteln wäre.

  • Jetzt werden also zukünftig Windkraftanlagen schneller gebaut. Also Windkraftanlagen, deren erzeugter Strom wegen fehlenden Netzausbaus nicht eingespeist werden kann, oder die deswegen oft still stehen und deren Besitzer großzügig für nicht erzeugten Strom "entschädigt" werden. Super. Denkt doch einfach mal vom Ende her.

  • Bleibt die Frage nach dem Kapazitäten. Habe jetzt schon mehrfach gehört, aber nicht belastbar, dass es keine Fachkräfte gibt bzw. Viel zu wenig und es viele Jahre dauern wird bis diese ausgebildet sind.

  • Dann soll mir mal einer erklären, wie denn die "Artenhilfsprogramme" mit Hilfe von Ausgleichszahlungen funktionieren sollen. Bisher gibt es dafür halbgare Listen von Arten, die geschützt werden sollen, die gar nicht hauptsächlich durch die Windkraft bedroht sind. Zudem wird sich nach recht kurzer Zeit bemerkbar machen, dass der Artenschutz gar nicht für den schleppenden Ausbau verantwortlich ist, sondern ganz andere, bürokratische Hürden. Zudem ist nicht wissenschaftlich untersucht, wie zum Beispiel im Falle der Rauhhautfledermaus, die ihre Haupt - Reproduktionsgebiete im Baltikum hat und als ziehende Art durch Fehler im Betrieb von WKA vom Himmel geholt wird, mit auf Deutschland bezogene Artenhilfsmaßnahmen nach §45 Bundesnaturschutzgesetz gestützt werden soll.

  • 6G
    658526 (Profil gelöscht)

    „angemessene und verhältnismäßige Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen“

    was soll das bitte während des sechsten massenartensterbens auf der erde sein?

    klimaschutz gegen natur- und umweltschutz ausspielen wird nicht funktionieren, denn geld kann man nicht essen.....

    • @658526 (Profil gelöscht):

      Genau - es wird höchste Zeit zu verstehen, dass wir begreifen, dass Artenschutz kein Luxus ist. Fehlender Artenschutz ist vielmehr ein weiterer Sargnagel für das Weiterleben auf diesem Planeten.