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Neuer Foodwatch-BerichtZuckriger Kakao ist keine Schulmilch

In NRW bekommen viel Kinder vergünstigt gezuckerte Milchprodukte. Die Verbraucherorganisation Foodwatch sieht das kritisch.

Strohhalm rein, Zucker noch reiner Foto: dpa

Berlin dpa | Die Verbraucherorganisation Foodwatch wirft der nordrhein-westfälischen Landesregierung vor, den Schulmilchabsatz der Molkereien vor die Gesundheit der Schüler zu stellen. Das Angebot sei „ein lobbyverseuchtes Absatzförderprogramm für die Milchwirtschaft“, sagte Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker am Mittwoch in Düsseldorf. Dazu stellte die Organisation ihren Bericht vor: “Im Kakao-Sumpf – der Schulmilch-Report“.

Im Zentrum der Debatte steht die Abgabe von vergünstigtem, gezuckertem Kakao an Schüler. Foodwatch, Ärzte und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sehen eine Gefahr für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen und verlangen ein Ende der Förderung. Die Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW bezeichnete die Forderungen als unverantwortlich.

Seit Jahrzehnten gebe es in NRW eine Verflechtung zwischen Milchwirtschaft, Wissenschaftlern und Politik, bemängelt der Foodwatch-Bericht. Mit „dubiosen Auftragsstudien“ werde der Eindruck erweckt, dass Kakao gesund und intelligenzfördernd sei. Zudem dürfe die Milchwirtschaft sogar Werbung in den Klassenzimmern machen.

Die Gewinne der Lieferanten seien abhängig vom bei Schülern beliebten Kakao. Dafür werde „die Extraportion Zucker eben billigend in Kauf genommen“, sagte Rücker. Die gesundheitsschädigende Wirkung für die Kinder werde vernachlässigt. Die Organisation pocht darauf, die Kakao-Förderung zu beenden und die Nähe zwischen Landespolitik und Milchwirtschaft aufzulösen.

Sieben Stück Würfelzucker pro Kakao

Das Verbraucherministerium hatte angekündigt, das Schulmilchprogramm nach dem laufenden Schuljahr erneut auf den Prüfstand zu stellen. Rücker fordert, die Frage einer ausgewogenen Ernährung der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen. Ihren Calciumbedarf könnten Schüler auch ohne gezuckerte Milchgetränke decken, beispielsweise mit Käse.

Die Landesvereinigung der Milchwirtschaft hielt dagegen, auch Schulmilch und Kakao lieferten Kindern, die ohne Frühstück in die Schule kommen, Nährstoffe und Vitamine. Der Zuckergehalt im Schulkakao unterschreite den vorgegebenen EU-Wert deutlich.Aus Sicht der GEW ist das zu wenig. Noch immer enthalte jede Packung Kakao sieben Stücke Würfelzucker. Auch Burkhard Rodeck von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin bezeichnete die Subventionierung von Kakao als „sehr problematisch“. Der Staat solle besser Wasserspender und gesunde Ernährungsprogramme fördern, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Für Nikolaj Grünwald von der Landesschülervertretung geht es vor allem „um freien und sozial gerechten Zugang zu gesunder Ernährung“ für alle Schüler des Landes. Er betonte allerdings auch, dass der Kakao für viele Schüler ein „Ersatzfrühstück“ sei.

Die Landesregierung stellt für das Schulmilchprogramm im laufenden Schuljahr nach eigenen Angaben circa 2,6 Millionen Euro aus EU-Mitteln und 370.000 Euro aus Landesmitteln bereit. 5437 Einrichtungen und insgesamt 186.194 Schüler nahmen im Schuljahr 2016/2017 an dem Programm teil, wie aus Zahlen des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz hervorgeht.

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