Neuer Berliner Senat: Politische Weißheit
Etwa 35 Prozent der Berliner:innen haben eine Migrationsgeschichte. In der neuen Regierung sind es jedoch nur 13,79 Prozent.
![Die neuen Senatorinnen und Senatoren der neuen Landesregierung von Berlin posieren am 21.12.2021 auf einer Treppe im Roten Rathaus für ein Foto Die neuen Senatorinnen und Senatoren der neuen Landesregierung von Berlin posieren am 21.12.2021 auf einer Treppe im Roten Rathaus für ein Foto](https://taz.de/picture/5295250/14/Neuer-Senat-Berlin-1.jpeg)
Damit hat es sich dann aber auch schon mit der ausgewogenen Bevölkerungsrepräsentanz in der neuen Landesregierung aus SPD, Grünen und Linken. Etwa 35 Prozent der Berliner:innen haben eine Migrationsgeschichte – unter den neuen Regierungsverantwortlichen sind es nur 13,79 Prozent, in Personen: vier. Davon im Übrigen keine:r als Senator oder Senatorin.
Warum auch, könnte man zynisch fragen: Viele von denen mit Migrationsgeschichte sind ja auch noch Ausländer! Und die dürfen doch eh nicht wählen – außer auf Bezirksebene und das auch nur, wenn sie EU-Bürger:innen sind. Dass vielleicht andersherum ein Schuh draus wird: dass man Menschen durch Repräsentanz zu mehr gesellschaftlicher und politischer Partizipation motiviert – dieser Weg widerspricht dem klassischen deutschen Integrationsprinzip, das lautet: „Integriert euch gefälligst! Aber flott!“
Dabei fehlt es dem ja eigentlich schon seit Jahrhunderten ebenso multikulturellen wie multireligiösen Berlin keineswegs an fähigem Politpersonal mit Einwanderungshintergrund. Im Berliner Abgeordnetenhaus saß mit Sevim Çelebi-Gottschlich von der Alternativen Liste 1987 die erste Abgeordnete mit Migrationshintergrund in einem deutschen Landesparlament. Von hier aus zog die profilierte Grünen-Abgeordnete Canan Bayram in den Bundestag ein, der ebenfalls grüne Abgeordnete Turgut Altug machte jahrzehntelang bürger:innenahe erfolgreiche Umweltpolitik in der Stadt. Einwanderersohn ist etwa auch Raed Saleh, seit nunmehr bereits zehn Jahren Fraktionschef der SPD.
Staatssekretär:innen mit Migrationsgeschichte
Auch nicht erst seit gestern in der Politik ist Ülker Radziwill, ebenfalls SPD, die dem Berliner Abgeordnetenhaus von 2001 bis September 2021 angehörte. Die Tochter türkischer Einwander:innen, gestandene Sozial- und Mietenpolitikerin ihrer Fraktion, hat es nun immerhin auf den Posten einer Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen geschafft.
Radziwill ist damit eine von vier Staatssekretär:innen mit Migrationsgeschichte in der neuen rot-grün-roten Landesregierung. Drei davon kommen übrigens von der SPD: Neben Radziwill sind das Aziz Bozkurt, Staatssekretär für Schuldigitalisierung, Jugend und Familie in der Senatsverwaltung für Bildung, und Ana-Maria Trăsnea, Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in der Senatskanzlei. Die Grüne Armaghan Naghipour wird Staatssekretärin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung in der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung.
Einwanderungsstadt Berlin: Auf politischer Ebene ist die multikulturelle Hauptstadt damit kein gutes Vorbild. Man könnte auch sagen: An der dominanten Weißheit ihrer politischen Machtelite lässt sich zwar kaum zweifeln – an deren politischer Weisheit aber schon.
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