Neue Wohnformen in Berlin: Was ist das für 1 Co-Life?
Ist Coliving die Wohnform der Zukunft? Oder nur eine weitere Investorenidee, um mit Wohnraum möglichst viel Geld zu verdienen? Eine Forschungsreise.
Was macht ein Community-Manager? Federico: „Ich bin für die Community zuständig.“ Wenn Bewohner etwas brauchen, die Spülmaschine kaputt ist oder an Abenden wie diesem, wenn man erst mal alle zusammentrommeln muss – dann kümmert Federico sich.
Das Quarters passt auf den ersten Blick nicht ins Moabiter Straßenbild, das an Kreuzberg und Neukölln vor der Gentrifizierung erinnert. Der minimalistische graue Neubau versteckt sich hinter einer sanierungsbedürftigen Häuserfassade und einer Spielhalle in einem Hinterhof. Hier also wohnen Menschen aus aller Welt, die für sich beanspruchen, anders zu wohnen, zu leben, zu denken. Anders ist zumindest, dass sie die Türen mit dem Smartphone abschließen können. Und dass sie über eine Bewohner-App kommunizieren.
Das Quarters ist ein Coliving-Haus. Coliving bedeutet Zusammenleben. Eigentlich nichts Neues: Wohngemeinschaften gibt es schon lange. Coliving ist inspiriert von Coworking, also gemeinschaftlich genutzten Arbeitsplätzen. War das Großraumbüro mit Neonlicht einst Inbegriff des langweiligen Angestelltenlebens, rücken Freiberufler und unabhängig Arbeitende heute wieder enger zusammen – in Coworking-Spaces, die an Großraumbüros erinnern.
Der Gedanke der Gemeinschaft
Coliving soll der nächste Schritt in dieser Entwicklung sein. Diejenigen, die zusammen arbeiten, sollen auch zusammen wohnen. Was das Coliving neu macht, ist allerdings das eigene Verständnis von Gemeinschaft, „Community“, wie es bei den Colivers heißt. Quarters definiert seine Zielgruppe so: „Junge Berufstätige aus der Generation der Millenials und der Generation Y, die modern, flexibel und zentral leben, aber gleichzeitig Teil einer Gemeinschaft und untereinander vernetzt sein wollen. In den Quarters-Häusern steht der Gemeinschaftsgedanke im Vordergrund.“
Schon 1930 kritisierte der Journalist und Soziologe Siegfried Kracauer in „Die Angestellten“ eine bestimmte Idee von Gemeinschaft bei der Arbeit. Er analysierte betrieblich geförderte Gemeinschaft, etwa durch Betriebssport, und dass die Beschwörung von Gemeinschaft im Betrieb vom gemeinsamen Interesse der Lohnabhängigen ablenken solle. Die Gemeinschaftsbeschwörung der Arbeitgeber ziele auf Produktivität, nicht auf höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten. Kracauers Fazit: „Wenn so jeder für sich stehen muß, ist die Gemeinschaft ein Schein.“
Würde er die Freiberufler von heute analysieren, würde er wohl resümieren, dass es der Beschwörung durch die Arbeitgeber nicht mehr bedarf. Und würde vielleicht schreiben: Der Zwang zur betrieblichen Gemeinschaft muss heute nicht von oben beschworen werden, die modernen Erwerbstätigen haben ihn internalisiert.
Im Quarters ist Nicolas Reitmeier Teil der Gemeinschaft. Er stellt sich als „Nick“ vor, auf Englisch, obwohl er aus Hessen kommt. Beim Community-Event erscheint der 29-Jährige mit müden, aber glücklichen Augen, in Jogginghose und einer bunten Jacke: Er habe den ganzen Tag gearbeitet, erzählt er. Nick ist der einzige Bewohner, der auch im Haus arbeitet. Die anderen arbeiten in umliegenden Coworking Spaces oder in den Räumen ihrer Unternehmen. Während die anderen Mojito und Bier trinken, nippt Nick nur einmal am Cocktail, um zu probieren. Eigentlich trinke er gar nicht: Das sei ineffizient, wegen des Katers am nächsten Morgen.
Kapitalismus, aber sozial
Reitmeier arbeitet eigentlich für den Unternehmensberatungsriesen PriceWaterhouseCoopers, dem Wirtschaftsprüfer von DAX-Unternehmen wie Bayer. Er hat BWL studiert und entwickelt Innovationsstrategien. Wirklich wichtig ist ihm aber etwas anderes: Die bunte Jacke, die er trägt, ist nicht irgendeine Jacke. Es ist das Produkt eines seiner Start-ups: Jacken, die von indigenen Frauen in Guatemala gestrickt werden und die er weltweit vermarkten möchte. Die Frauen könnten dann mehr Geld verdienen, zehn Prozent des Erlöses würden an soziale Projekte gehen. „Social impact“ nennt Reitmeier das oder „social entrepreneurship“, soziales Unternehmertum.
Reinen Kapitalismus findet er blöd. Berlin sei nicht wie Silicon Valley, sondern ein Ort der „Hippie-Techszene“: eine Gemeinschaft von jungen Leuten, die beim großen Spiel mitspielten, aber mit sozialem Bewusstsein und Willen zur Veränderung. Den idealen Kapitalismus stellt sich Nick wie ein Fußballspiel vor: „Es wird 90 Minuten gespielt, dann wird abgepfiffen und umverteilt. Und dann geht das Spiel von vorne los.“
Wem gehören die Häuser? Quarters, Rent24 und Happy Pigeons sind Mieter der Räume, die sie anbieten. Das Quarters-Haus in Moabit gehört dem Investmentunternehmen Avia Rent. Eigentümer des neuen Quarters-Hauses in Friedrichshain wird die W5 Group, ein Schweizer Investmentunternehmen, tätig im Bereich Studentenunterkünfte, Microliving und Coliving. Rent24 macht keine Angaben zu den Eigentümern seiner Häuser.
Rechtsformen Während es sich bei Rent24 nach Angaben des Unternehmens um gewerbliches Wohnen ähnlich dem Hotelbetrieb handelt, beschreibt Quarters das eigene Angebot als rein wohnwirtschaftliche Nutzung. Happy Pigeons betont, das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum zu beachten. Mindestmietzeit bei Quarters und Happy Pigeons sind drei Monate. Bei Rent24 kann täglich ein- und ausgecheckt werden.
Was weiß die Stadt? Laut der Senatsverwaltung für Wirtschaft gibt es in Berlin über 150 Coworking Spaces. Zahlen zu Coliving-Angeboten hat weder sie noch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. (vag)
Genau das will er verwirklichen. Das Projekt mit den Jacken werde bald mit einer Crowdfunding-Aktion beginnen. Die Idee, erzählt er, wurde im Wohnzimmer des Quarters geboren, im Gespräch mit einem guatemaltekischen Mitbewohner. Dafür ist Reitmeier dem Quarters dankbar. Wer ins Quarters zieht, muss hier mindestens drei Monate lang wohnen, danach kann jederzeit ausgezogen werden. Reitmeier lebt schon über ein Jahr im Quarters. Und er möchte noch ein bisschen bleiben. Für ihn ist Coliving die Zukunft, global und in Berlin.
Seine Fantasie reicht weiter: „Stell dir mal vor, dass ganze Familien so zusammenleben würden.“ Die könnten sich dann eine Nanny teilen und sich den wichtigen Dingen des Lebens widmen: Innovation, Vermarktung und „social impact“.
Die Coliving-Anbieter expandieren
Auch die Geldgeber glauben an die Zukunft dieser Form des Zusammenwohnens: Quarters bezeichnet sich als „führenden Co-Living-Anbieter in Europa und den USA“. Das Unternehmen ist eine Marke der Medici Living Group. Es bietet weltweit 1.800 Coliving-Betten an, darunter auch in New York und Chicago. Das Haus in Moabit wurde 2016 gebaut und beherbergt 45 Einwohner in neun Wohnungen mit je fünf Zimmern. In den Wohnungen gibt es eine gemeinsame Küche. Die Zimmer sind 10 bis 13 Quadratmeter groß und kosten monatlich 539 bis 589 Euro. Sie sind möbliert, wenn auch spartanisch: Bett, Schreibtisch, Kleiderregal. Inklusive sind weitere Gemeinschaftsräume und Gemeinschaftsereignisse.
Für das zweite Quartal des Jahres kündigt das Unternehmen ein weiteres Coliving-Haus nahe der U-Bahn-Station Frankfurter Tor in Friedrichshain an. Ein Haus in Mitte soll folgen. Medici Living arbeitet mit dem Immobilien-Investmentmanager Corestate Capital zusammen. Gemeinsam legten beide ein Investitionsprogramm von einer Milliarde Euro für den Bereich des Coliving auf. Nach eigenen Angaben ist das die bisher größte Investition auf dem Coliving-Markt.
Kai Drwecki, 29 Jahre alt, spielt in einer anderen Liga. Drweckis Coliving-Angebot Happy Pigeons, „Glückliche Tauben“, im Prenzlauer Berg ist viel kleiner. Die Versprechen sind ebenso wie der Ort unaufgeregter, unaufgeregt ist auch Betreiber Drwecki.
Gemeinsam mit seinem Bruder Marc betreibt er in der Erich-Weinert-Straße 78 zwei Wohnungen mit fünf Zimmern und einem angeschlossenen Coworking-Space. Ein zweites Haus in Charlottenburg hat auch fünf Zimmer. Die Brüder betrieben das Coliving, weil es ihnen Spaß mache, sagt Drwecki: „Der Gewinn steht bei uns nicht im Vordergrund.“ Er konkurriere nicht mit den Großen: „Bei denen geht es um Rendite.“
Gründerinnen, Designerinnen oder Fotografen
Trotzdem spiele der Betrieb einen kleinen Gewinn ein, auch wenn der den Brüdern noch kein Gehalt ermögliche. Seine Firma wolle natürlich auch wachsen, „aber wir sind klein, jeder kennt hier jeden“, sagt Drwecki. Immer montags findet hier Stretching, jeden Mittwoch Yoga statt, offen auch für die Nachbarschaft, auf Spendenbasis. Die Einbettung in den Kiez ist Drwecki wichtig.
Die Mieten müssten den Coworking Space und die Community-Veranstaltungen wie den Yoga-Kurs querfinanzieren. Das Startkapital für ihr Projekt haben die Brüder von ihren Eltern bekommen, die in der Immobilienbranche tätig waren. 2017 hat alles angefangen mit einer Testwohnung im Prenzlauer Berg. Zu den bisherigen Wohnungen kommt im Mai 2019 eine Vierzimmerwohnung im selben Haus in Prenzlauer Berg dazu.
Die fünf Bewohner des Happy Pigeons in Prenzlauer Berg sind zwischen 24 bis 39 Jahre alt. Nur einer ist Berliner. Sie sind Gründerinnen, Designerinnen oder Fotografen. Anders als im Quarters arbeiten viele von ihnen auch im hauseigenen Coworking Space. Die Zimmer bei Happy Pigeons sind zwischen 19 und 35 Quadratmeter groß und kosten im Prenzlauer Berg 620 Euro im Monat, in Charlottenburg 550 Euro. Coworking Spaces gibt es für monatlich 75 Euro. Auch hier gilt die Regel: Mindestaufenthaltsdauer drei Monate. Drwecki erzählt, dass die Nachfrage das Angebot übertreffe. Und dass Bewerber einen Bewerbungsprozess durchlaufen müssten.
Der Coworking-Bereich ist ein ehemaliges Ladengeschäft, die Frühlingssohne strahlt durch die große Schaufensterscheibe auf drei junge Menschen, die an ihren Laptops sitzen. Auf die Toilettenwand hat jemand mit Kreide auf Englisch gekritzelt: Welches Tier würdest du gerne sein? Auf einer Tafel an der Küchenwand steht – ebenfalls mit Kreide – ein Wochenplan. Darunter die Aufgabenliste der Woche: Bei Drwecki steht: „Visibility of coworking on google“. Eine andere Bewohnerin möchte diese Woche einen Designer für ein Projekt finden.
Viele Menschen, keine Gemeinschaft
Auch hier isst man gerne zusammen, auch hier wird das als Community-Event bezeichnet – im Gespräch scheint es aber manchmal so, als sei Drwecki diese Sprache zuwider. Die Räume wirken wie in einer stinknormalen WG – eine WG, die überdurchschnittlich und gerne mit Kreide kommuniziert.
Gleichzeitig ist schwer zu sagen, ob diese Bodenständigkeit nicht schon Teil des Marketings ist. Was ist also der Unterschied zu einer normalen WG? Die „community“, sagt Drwecki, und „unsere Werte“. Dazu gehören laut der Happy-Pigeons-Webseite „Aufgeschlossenheit und eine proaktive und freundliche Atmosphäre“. Drwecki ergänzt:„Freunde und Kontakte, die einen weiterbringen.“
Und wieso macht er das, wenn er davon nicht reich wird? Drwecki ist ein großer, schlanker Mann, der viel lächelt und einen Wollpulli mit roten, gelben, grünen Mustern trägt. Er sitzt in der Küche an einem großen Küchentisch aus hellem Holz, vor ihm auf dem Tisch steht ein Glas Ingwertee. Auf der Internetseite von Happy Pigeons finden sich Steckbriefe von ihm, seinem Mitbetreiber und den Bewohnern. Bei Drwecki steht, dass Teetrinken zu seinen Hobbys gehört.
Coliving: zusammen wohnen
Coworking: zusammen arbeiten
Community: Gemeinschaft
Community-Manager: ist dafür verantwortlich, dass das Gemeinschaftsleben funktioniert und Spaß macht
Cohousing: kollektive und selbstverwaltete Wohnprojekte
Digitale Nomaden: junge Menschen aus aller Welt, die in den Bereichen Informationstechnologie, Kreativwirtschaft usw. arbeiten. Digitale Nomaden brauchen keinen festen Arbeitsplatz, sie können von überall aus arbeiten. Was sie brauchen: Laptop und WLAN.
Tech-Szene: siehe digitale Nomaden
Start-up: Unternehmensgründung mit einer innovativen Geschäftsidee. Gründung und Idee haben hohes Wachstumspotenzial und sind attraktiv für Investoren.
Social Impacts: soziale Auswirkungen
Social Entrepreneurship: soziales Unternehmertum. Oder: ein Unternehmen, das nicht nur Geld machen will, sondern auch Gutes für Natur und Menschen tun.
Crowdfunding: Gruppenfinanzierung. Wer seine Idee nicht selbst finanzieren kann, sammelt im World Wide Web das Geld dafür. (vag)
Drwecki erzählt von einem Auslandssemester im französischen Grenoble, wo er in einem Studentenwohnheim gelebt hat. Dort hätten so viele Menschen gewohnt, aber eben alle für sich alleine. Das habe ihn bedrückt. Da sei die Projektidee entstanden. Über Grenoble schreibt er auf der Website: „Many people – no community“. Das ist der Gründungsmythos von Happy Pigeons.
Trotz vieler Unterschiede zum Quarters, wo Nick Reitmeier lebt: Dessen Idealismus ist auch bei Happy Pigeons ein Motiv. Geworben wird mit Zitaten wie dem des Tesla-Chefs Elon Musk: „I think it matters whether someone has a good heart.“ Musk ist das Vorbild einer technologieaffinen Community; ein Idol für die Colivers. Bevor Drwecki das Coliving gegründet hat, hat er im Familienbetrieb gearbeitet. Das hat ihn nicht erfüllt. Das Coliving-Projekt ist für ihn mehr als Arbeit. Drwecki will die Welt verändern, so wie Reitmeier. Sie sind Teil einer jungen, digitalen Gemeinschaft, die sich von der reinen Profitmaximierung abgrenzen, sozialen Mehrwert schaffen will.
Tatsächlich glaubten auch Marxisten einmal, das neue Zeitalter der Informationsgesellschaft würde neue Voraussetzungen für eine Revolution schaffen: die sogenannten Postoperaisten, die sich in Anlehnung an eine soziale Bewegung im industrialisierten Norditalien der 1960er und 70er Jahre so nannten. Michael Hardt und Antonio Negri veröffentlichten zum Jahrtausendbeginn ihr Buch „Empire“. Darin schrieben sie von immaterieller Arbeit, also Kopf- und Kreativarbeit, die die körperliche zunehmend ablösen würde.
Weil damit auch die Produktionsmittel von der Fabrik in die Köpfe der Einzelnen wanderten, eigneten sich die Lohnabhängigen diese langsam, aber sicher an – und damit auch die Macht der Kapitalisten. Die neue moderne Arbeiterschaft müsse sich dessen nur bewusst werden – und die Verhältnisse dann umwälzen.
Knapp zwanzig Jahre nach dem Erscheinen des Buches haben sich die Verhältnisse nicht grundsätzlich geändert. Die Ökonomie scheint sich die Köpfe der Einzelnen zu eigen gemacht zu haben. Und auch deren Erzählung der Weltveränderung.
Im Konflikt mit autonomen Jugendzentren?
Wenn man Rent24 mit den Idealisten bei Quarters und Happy Pigeons vergleicht, könnte man sagen: Rent24 ist einfach ehrlich. Seine Häuser sind größer, die Einrichtung pompöser, hier hängen die schriftlichen Lebensweisheiten eingerahmt an den Wänden – „Lebe dein Leben. Und riskiere alles. Nutze die Chance. Fordere dich immer neu heraus. Wachse durchs Leben“. Oder sie kleben in der Küche am Kaffeeautomaten – „I love it when the coffee kicks in and I realize what an adorable badass I’m going to be today.“Es sind Sprüche, die cool klingen, aber subtil Druck ausüben: Du musst funktionieren, erfolgreich sein! Da hilft es auch nicht, wenn Rent24 damit wirbt, dass es in seinem Haus „um eine gesunde Mischung aus Arbeit und Entspannung“ gehe.
Das Unternehmen ist neben Medici Living einer der Big Player auf dem noch jungen Berliner Coliving-Markt. In Berlin betreibt Rent24 mehrere Coworking und drei Coliving-Spaces: in der Potsdamer Straße 182, in der Karl-Liebknecht-Straße 34 und am Olivaer Platz 8. Der Standort in Schöneberg stand Ende des Jahres im Fokus, weil nebenan die autonom verwalteten Jugendzentren Potse und Drugstore weichen mussten. Der Eigentümer hatte den Mietvertrag mit dem Bezirk nicht verlängert.
Drugstore ging. Die Potse blieb und gab die Schlüssel nicht ab. Die Jugendlichen waren der Überzeugung, dass sie gehen müssten, weil Rent24 expandiere. Rent24 dementierte. Eine Sprecherin des Unternehmens wiederholt das beim Besuch im Rent24. Sie sagt, Rent24 wolle Teil der Nachbarschaft werden.
Rent24 betreibt 55 Standorte auf drei Kontinenten. In der Potsdamer Straße 182 ging es 2016 mit den Coworking-Flächen los, im Mai 2018 eröffnete das Coliving. Das Haus ist eines mit Geschichte. Es wurde in den 1930er Jahren erbaut, diente einst als BVG-Zentrale. Heute dient es als Rent24-Zentrale. Auf den Stockwerken 4 und 5 gibt es 1.500 Quadratmeter Coworking (Tagespreis ab 10 Euro, Monatsmitgliedschaft ab 50 Euro) und Coliving mit 55 Zimmern (50–75 Euro pro Nacht).
Grenze zwischen Arbeit und Leben
Es gibt einen Gemeinschaftsraum mit Küche, einen Activity-Raum mit Tischkicker und Playstation, diverse Besprechungsräume, die man zusätzlich anmieten kann, einen Sportraum mit Yogaangebot, einen Kinderraum mit Spielzeug und ein Kino. Es gibt sogar eine Bar mit Balkonen. Bei einer Zigarette kann man von hier aus den Fernsehturm bestaunen. Die Bar ist so groß, dass sie den Namen Club verdient hätte. Wenn man hier wohnt und arbeitet, dann kann man hier auch feiern und seine Freizeit verbringen. Es gibt kaum etwas, wofür man aus dem Haus gehen müsste.
Hier gibt es also alles; aber eine „Community“, die gibt es nicht. Beim Community-Dinner, es gibt Pasta mit Gemüsesauce, kommt man hier nicht mit zwei Dutzend Menschen zusammen wie im Quarters. Man sitzt mit fünf Mitarbeitern von Rent24 am Tisch – und das internationale Team unterhält sich über das Angestelltendasein im Rent24. Auch bei der Karaokeparty am Abend freuen sich vor allem Mitarbeiter über Cocktails zum halben Preis.
Die Geschäftsidee von Rent24 – am selben Ort wohnen, arbeiten, feiern – wirkt auch am nächsten Morgen wie eine Kopfgeburt von Geschäftsleuten, die überschüssiges Geld noch irgendwie rentabel investieren wollten. Beim freitäglichen Community-Frühstück im Coworking Space trifft man junge Selbstständige, die im Internet Nahrungsergänzungsmittel vertreiben oder Unternehmen beim Datenmanagement beraten, aber eigene Wohnungen haben und nur zum Arbeiten hierherkommen. Fragt man sie, ob sie jemanden kennen, der hier arbeitet und wohnt, sagen sie Nein.
Es gibt im Rent24 auch Beispiele, die allen Befürchtungen, Arbeit und Leben würden nun untrennbar verschmelzen, widersprechen: Alina Greger, 30 Jahre alt, gründete mit ihrem Freund ein Unternehmen, mit dem sie Publikationsprojekte und Autoren bewirbt. Zwei Jahre haben die beiden im Homeoffice gearbeitet. Irgendwann habe sie dann aber angefangen, zwischendurch Wäsche zu waschen oder Freunde zu empfangen, erzählt Greger. Die verlorene Arbeitszeit musste sie dann am Wochenende ausgleichen. Irgendwann kam die Einsicht: „Es muss sich etwas ändern!“
Seit knapp einem Monat nutzt das junge Unternehmerpaar den Coworking Space von Rent24. Greger sagt: „In der Zeit, in der wir hier sind, fokussieren wir auf die Arbeit.“ Sie habe jetzt auch wieder das Gefühl, es gebe ein Wochenende. Würde sie jemals das Coliving nutzen? „Muss für mich nicht sein“, sagt Alina Greger.
(Rent24 war der einzige Anbieter, bei dem der Autor für seine Recherche eine Nacht übernachten durfte.)
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