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Neue Protestformen auf Unteilbar-DemosStillstehen als solidarischer Akt

Die Unteilbar-Demos erproben dank Corona Neues: Die TeilnehmerInnen halten Abstandsbänder und rühren sich nicht vom Fleck.

... haben sich für die kommende Unteilbar-Demo neue Corona-adaptierte Protestformen überlegt Foto: Müller-Stauffenberg/imago

Berlin taz | Renate Christians muss noch ein paar Schilder laminieren. Auch die Sicherheitsnadeln liegen bereit. Mit diesen Sicherheitsnadeln werden sich die Frauen von der Initiative „Omas gegen Rechts“ bei der Unteilbar-Demo am Sonntag die drei Meter langen bunten Bänder links und rechts an den Körper heften. So ist man mit den Nachbarinnen in der Reihe verbunden und trotzdem getrennt. Auf drei Meter Abstand. Die Hände bleiben frei, um die Schilder in die Höhe zu halten, auf denen Zitate von Geflüchteten stehen werden.

„Es ist eine sehr gute Demonstrationsform“, sagt Christians, 64, die die AG Aktion der Ini­tiative „Omas gegen Rechts“ in Berlin leitet. Das #Unteilbar-Bündnis mit seinen vielen Mitgliedsgruppen erprobt am Sonntag in Berlin, Leipzig und anderen Städten eine neue Demonstrationsform, dank Corona: Kein Menschenzug soll durch die Straßen ziehen.

Kein Gedränge ist erwünscht, keine Sprechchöre, wenn antirassistische Bündnisse, Klimaschutzgruppen, Fraueninitiativen und viele andere am Sonntag gemeinsam für ihre Anliegen und für eine „solidarische Gesellschaft“ demonstrieren. Stattdessen werden sich die TeilnehmerInnen mit jeweils drei Meter Abstand aufreihen, mit Masken im Gesicht, durch farbige Bänder oder Transparente in der Hand verbunden.

Niemand muss also Angst haben, sich in einer Menschenmasse möglicherweise mit Covid-19 zu infizieren. Das Aktionskonzept „Band der Solidarität“ will eine „verantwortungsvolle Protestform in Zeiten der Pandemie“ sein, sagt Anna Spangenberg, Sprecherin des Aktionsbündnisses. Das Motto der Veranstaltung #sogehtsolidarisch ist sozusagen Programm – und damit auch ein Experiment.

Keine Menschenmengen

Denn 250.000 Menschen wie bei der Unteilbar-Demo in Berlin im Jahre 2018 werden am Sonntag natürlich keinen Platz finden auf einer neun Kilometer langen Strecke, wenn man sich in drei Meter Abstand voneinander aufstellen soll, in mehreren Reihen, wobei ein Abstand von 1,50 Meter zwischen den Reihen herrschen muss. Bei einer Reihe wären neun Kilometer mit 3.000 Menschen voll, bei fünf Reihen hätten 15.000 Menschen Platz. Das ist zu wenig für Fernsehbilder, die Massenproteste signalisieren könnten.

Aber um solche Fernsehbilder soll es auch nicht gehen. Die Leute sollten sich auch über das Internet virtuell an den Aktionen beteiligen, sagt Spangenberg. Die Menschen sollten sich am Sonntag in der Zeit zwischen 14 und 15 Uhr „in Nachbarschaften zusammensetzen, vielleicht vor ein geschlossenes Kino, das jetzt in prekärer Finanzlage ist, die sollen diskutieren, die Reden anschauen, die wir live über unseren Kanal streamen“, sagt die Sprecherin.

In der virtuellen Pressekonferenz auf Youtube am Donnerstag traten Vertreterinnen von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland, vom Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe und der Gewerkschaft Verdi auf.

Kreidemarker auf dem Asphalt

Die farbigen Bänder für die Demo werden vom Unteilbar-Bündnis gestellt. Auf den Strecken sind dann die einzelnen Gruppen für bestimmte Abschnitte verantwortlich. Die Frauen von der Initiative „Omas gegen Rechts“ haben 50 Meter auf der Hasenheide für sich. „Wir werden am Sonntag die Abstände mit Kreide markieren“, sagt Christians. 15 Frauen von der Initiative haben sich angesagt. Eine gute Stunde muss man stehen können.

Auch die Gewerkschaft Verdi ist für einen Streckenabschnitt zuständig, einen Kilometer lang. Auch bei der Gewerkschaft gibt es viele Ältere und Abstandsbewusste, die Menschenmengen lieber meiden. „Uns haben Mitglieder angerufen und gefragt: Habt Ihr den genug Band dabei?“, schildert Susanne Feldkötter, stellvertretende Verdi-Bezirksleiterin. Sicherheitshalber bringen die Verdi-Leute noch eigenes Absperrband mit.

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