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Neue Musik aus BerlinFeine Linien hin zur Tradition

Gemeinsam mit François-Xavier Roth und seinem Orchester Les Siècles macht Isabelle Faust die atmosphärischen Töne György Ligetis neu erlebbar.

Die Berliner Violinistin Isabelle Faust spielt György Ligeti Foto: Felix Broede

N eue Musik ist eine höchst wandelbare Angelegenheit. Zwischen heftig und sanft ist alles möglich. Der ungarische Komponist György Ligeti hat sich einen ganz eigenen Platz in diesem Kosmos geschaffen. Neugier und Forschergeist waren dabei Konstanten in seinem Tun.

Ligeti hatte dank Stanley Kubricks Science-Fiction-Klassiker „2001“ (1968) sogar einen Avantgarde-Hit, das Orchesterstück „Atmosphères“, in dem er etwas erkundete, das er „Klangflächenkomposition“ nannte und das sich als eine Art hintergrunduntaugliche Ambientmusik beschreiben lässt. Klangfarben spielen dabei eine große Rolle.

Später bewegte sich Ligeti, der sich auch mit Folklore und außereuropäischer Musik bestens auskannte, wieder hin zu traditionelleren Formen. Ein besonderes Werk aus dieser Phase ist sein Violinkonzert, das er zwischen 1990 und 1992 schrieb und das mehrere Stadien durchlief, von drei über vier bis zu fünf Sätzen.

Das Album

György Ligeti: „Concertos“; Faust, Neuburger, Les Siècles, Roth (Harmonia Mundi)

Hier gibt es traditionellere Strukturen und wieder stärker melodische Elemente. Im zweiten Satz, der „Aria“, mischen sich denn auch sogleich Klänge, die an vormoderne Harmonien denken lassen, mit schärferen Konsonanzen. In seiner heroischen Avantgardephase ließ Ligeti derlei eher beiseite zugunsten radikalerer Formfragen. Die Berliner Violinistin Isabelle Faust arbeitet die lyrischeren Momente ebenso fein heraus wie die spitzeren Passagen. Zusammen mit François-Xavier Roth und seinem Orchester Les Siècles macht Faust zudem deutlich, dass Klangfarben auch für den späten Ligeti wichtig blieben.

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Kulturredakteur
Jahrgang 1971, arbeitet in der Kulturredaktion der taz. Boehme studierte Philosophie in Hamburg, New York, Frankfurt und Düsseldorf. Sein Buch „Ethik und Genießen. Kant und Lacan“ erschien 2005.
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