Neue Landtagspräsidentin in Thüringen: Gesellschaftliche Brückenbauerin

In Erfurt wurde am Dienstag zum bundesweit ersten Mal eine Linken-Politikerin zur Landtagspräsidentin gewählt. Wer ist Birgit Keller?

Birgit Keller im Thüringer Landtag

Die neue Präsidentin des Thüringer Landtags, Birgit Keller Foto: Steve Bauerschmidt/imago images

DRESDEN taz | In Thüringen übernimmt die Linke einen weiteren Erbhof der CDU. Auf der konstituierenden Sitzung des am 27. Oktober neu gewählten Landtages hat die bisherige Infrastruktur- und Landwirtschaftsministerin Birgit Keller das Amt der Landtagspräsidentin von Birgit Diezel (CDU) übernommen. Das Vorschlagsrecht steht nach der bisherigen Geschäftsordnung des Thüringer Landtags der stärksten Fraktion zu, und das ist seit der Wahl mit deutlichem Vorsprung die Linke. Keller wurde nun am Dienstag mit 52 Ja-Stimmen gewählt. Das sind sechs mehr als nötig gewesen wären.

Die 60-Jährige ist die erste von der Linken gestellte Landtagspräsidentin in Deutschland. Das passt Politikern wie dem Thüringer FDP-Chef Thomas Kemmerich nicht, der an alten Feindbildern festhält und die Entwicklung der gewendeten PDS seit 1989 ignoriert. Er hatte angekündigt, seine kleine FDP-Fraktion werde sich bei der Wahl der Stimme enthalten.

Denn die gelernte Elektromonteurin Birgit Keller trat bereits 1977 als 18-Jährige der SED bei und stieg über die Jugendorganisation FDJ bis zur Mitarbeiterin der SED-Kreisleitung in Nordhausen auf. Zu allem Überfluss erwarb sie über ein Fernstudium 1988 noch ein Diplom als Gesellschaftswissenschaftlerin.

Eine beträchtliche Altlast in den Augen der Kommunistenhasser also, wäre da nicht ihre zweite Laufbahn nach 1990. Bis 2012 betrieb sie nämlich als selbständige Unternehmerin einen Tankanlagenservice in Sangerhausen. Parallel dazu trainierte sie – wenn man so will – zehn Jahre lang als Kreistagspräsidentin in Nordhausen schon für ihr neues, formal höchstes Thüringer Amt als Landtagspräsidentin.

Das Direktmandat für den Erfurter Landtag schnappte ihr bis 2019 regelmäßig Egon Primas weg, bis sie dieses Jahr mit 32,3 Prozent erstmals vor dem CDUler lag. Eine solche Niederlage gegen Keller hatte Primas schon einmal wegstecken müssen. 2012 hatte sie sich in der Landratswahl im Kreis Nordhausen gegen ihn durchgesetzt.

Den Einwohnerverlust konnte sie nicht stoppen

Landrätin blieb sie damals indes nur zwei Jahre, weil Ministerpräsident Bodo Ramelow sie 2014 als Infrastruktur- und Landwirtschaftsministerin in sein Kabinett holte. Eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe, nicht nur wegen der im waldreichen Thüringen ausgeprägten Schäden durch Sturm, Dürre oder Borkenkäfer. Als Interessenvertreterin der Landwirtschaft lag Keller manchmal quer mit dem von der Grünen Anja Siegesmund geführten Umwelt- und Energieministerium.

Auch bei der besonders von ihren Linksparteifreunden in der Fraktion forcierten Gebietsreform hatte sie es nicht so eilig. Indes hat auch die Ministerin Keller trotz vorbildlicher Mobilitätsprojekte besonders in ländlichen Räumen den Einwohnerverlust Thüringens nicht stoppen können.

Dennoch: Linken-Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow hat gewiss recht, wenn sie Birgit Keller als „über Parteigrenzen hinweg anerkannt und geachtet“ bezeichnet. Sie gelte als verbindlich und fachlich kompetent, als „gesellschaftspolitische Brückenbauerin“. Fähigkeiten, die für ein moderierendes Präsidentinnenamt prädestinieren.

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