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Neue Hiobsbotschaft für WirtschaftProduktion bricht überraschend ein

Die Produktion in Bereichen wie Bau oder Energieversorgung sinkt im Mai um 2,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Die Ampel will gegensteuern.

Flaute auf dem Bau. Aber etwas geht noch – Bauarbeiter gießen ein Fundament für ein neues Wohnhaus Foto: Wolfilser/imago

Berlin rtr | Die Produktion in Deutschland ist im Mai überraschend eingebrochen und trübt damit das ohnehin wenig rosige Konjunkturbild. Die Wirtschaftszweige Industrie und Bau sowie die Energieversorger stellten insgesamt 2,5 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Damit sackte die Produktion auf das niedrigste Niveau seit vier Jahren ab. Von Reuters befragte Ökonomen wurden auf dem falschen Fuß erwischt, hatten sie doch für Mai einen Zuwachs von 0,2 Prozent erwartet. Im Industrie-Sektor allein wurde die Fertigung im Mai sogar um 2,9 Prozent heruntergefahren.

„Die Industrieproduktion erhält einen neuen Dämpfer und fällt auf den niedrigsten Wert seit der Corona-Pandemie im Sommer 2020“, erklärte DIHK-Außenwirtschaftsexpertin Melanie Vogelbach. Vor allem der Maschinenbau und die Automobilindustrie verzeichneten erhebliche Rückgänge. „Eine schlechte Auftragslage trifft auf ungünstige Rahmenbedingungen: Personalengpässe, nach wie vor hohe Kosten, beispielsweise für Energie, und bürokratische Hürden bremsen die Industrie aus“, so ihre Einschätzung.

Die Regierung will nun gegensteuern: Das Paket der Ampel zur Stärkung des Standorts Deutschland soll zu einer zusätzlichen Wirtschaftsleistung in Höhe von 26 Milliarden Euro führen. Das geht aus einem internen Papier zu den Beschlüssen der Koalition hervor, das der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag vorlag: „Das Paket kann im nächsten Jahr zu einem zusätzlichen Wachstum von mehr als einem halben Prozent führen, das sind 26 Milliarden Euro zusätzliche Wirtschaftsleistung.“

Kein Wonnemonat für den Maschinenbau

Vorgesehen sind unter anderem Anreize für mehr Beschäftigung, damit etwa Langzeitarbeitslose kein Bürgergeld mehr beziehen müssen. Um Bürokratie abzubauen, sollen Praxis-Checks für alle Ministerien der Bundesregierung verbindlich werden. Zudem plant die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP bessere Abschreibungsbedingungen und eine stärkere Forschungsförderung. Sonderabschreibungen soll es für gewerblich genutzte Elektroautos geben.

Die Industrie macht derzeit eine ausgeprägte Auftragsflaute durch: Im Mai gingen die Bestellungen bereits den fünften Monat in Folge zurück: Sie sanken um 1,6 Prozent zum Vormonat. Die jüngsten Daten deuteten auf eine eher verhaltene Industriekonjunktur in den kommenden Monaten hin, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium. Laut LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch scheint eine Wende zum Besseren weiter entfernt denn je. Für die wichtigen Branchen Kraftfahrzeuge und Maschinenbau sei der Mai kein Wonnemonat gewesen. Einziger Lichtblick seien die energieintensiven Industrien, die ihrerseits aber zuvor besonders tief gefallen waren.

Mit Blick auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürften seiner Ansicht nach selbst die niedrigen Erwartungen an die Konjunkturentwicklung im zweiten Quartal enttäuscht werden. „Deutschland erlebt das zweite Jahr Stagnation in Folge“, so Niklasch. Das Ifo-Institut, das zuletzt den zweiten Monat in Folge eine Eintrübung des Geschäftsklimas ermittelt hatte, rechnet mit einem sehr verhaltenen Wachstum im laufenden Jahr. Demnach dürfte das BIP um relativ magere 0,4 Prozent zulegen. Erst 2025 dürfte es demnach mit 1,5 Prozent kräftiger zulegen. Die Wirtschaft ist Anfang des Jahres dank steigender Exporte und Bauausgaben knapp an einer Rezession vorbeigeschrammt. Das BIP legte zwischen Januar und März um 0,2 Prozent zu.

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13 Kommentare

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  • So ueberraschend wie der Gesundheitszustand von Biden.

  • "Die Produktion in Deutschland ist im Mai überraschend eingebrochen..."



    Könnte das unter Anderem vielleicht auch damit zu tun haben, dass es im Mai - völlig überraschend - ziemlich viele Feiertage gab? Die - ebenfalls völlig überraschend - von ziemlich vielen Leuten genutzt wurden, ihre Urlaubstage aufzubessern?

  • Während Wachstumspakete sicherlich ein paar Arbeitsplätze schaffen, verringern andere Maßnahmen diese. Der Anteil des Staates an Investitionen beträgt 11 bis 13 %. Sollte der Staat seine Investitionen um 10 % erhöhen und die nicht staatlichen Investitionen nur um 5 % sinken, sänken die Gesamtinvestitionen.

    Den Unternehmen wurde angekündigt, daß die Rentenbeiträge um 20 % steigen werden. Demographisch bedingt werden die Beiträge zu den Kranken- und Pflegeversicherungen noch stärker steigen. Sie könnten schon vor 2035 an die 50 % der Lohnsumme erreichen. Das bedeutet für Arbeitnehmer weniger Netto vom Brutto und höhere Löhne.

    Die Erzeugungskosten für Strom aus Erneuerbaren Energien sinken. Die Preise für Strom aus Reservekraftwerken steigen, da diese nun ihre Kosten in kürzerer Zeit decken müssen. Den Produzenten wurde jeweils für 20 Jahre eine Mindesteinspeisevergütung + Abnahme garantiert, so daß bei sinkenden Strompreisen die Ausgleichszahlungen steigen. Es müssen noch Hunderte Mrd. EUR in den Netzausbau investiert werden.

    Das Ergebnis einer Firma wie BASF wurde allein 2023 durch den Verlust des deutschen Standortes um 1,6 Mrd. EUR geschmälert. Was wird die Konsequenz sein?

  • Die allgemeine Lebenserfahrung lehrt:



    Je heftiger man in etwas herumrührt, umso grösser werden die Widerstände und umso zäher und mühsamer wird alles.



    Ingenieure und Naturwissenschaftler kennen das Phänomen der Rheopexie.



    Unsere oberschlauen und übereifrigen Politiker samt ihren Beratern anscheinend nicht.

  • Überraschend?

    Die Wirtschaftsgazetten, speziell die ausländischen beschreiben das deutsche Problem doch schon länger. Einzig die Anhänger der aktuellen Regierung wollten das nicht sehen, bzw. auch der Herr "Das Geschäft des Kaufmanns ist die Klage" Scholz.

  • Investieren muss man und für Nachfrage sorgen, aber ach, mit den Ideologen der FDP geht das nicht; für Arbeitskräfte muss man sorgen (Migration), aber ach mit den Angsthasen der Ampel (OK und den rassistischen Deutschen) geht das nicht.

  • In Wahrheit sind die alarmistisch vorgetragenen "Warnungen" vor Wachstumsrückgang und Produktionsrückgang doch positive Signale. Alle wissen doch, daß wir nicht immer weiter wachsen und produzieren können, ohne uns selbst zu vernichten. Hauptsache das notwendige ist da und wird produziert und die Menschen haben sinnvolle Beschäftigungen und ein auskömmliches Grundeikommen zum Lebe

    • @Matt Gekachelt:

      Prinzipiell richtug, aber wenn wir hier verzichten, meditieren und unsere Weisheit pflegen , arbeitet der Rest der Menschheit daran ihren Komfort zu erhöhen, ich befürchte, wir saufen gemeinsam ab.

    • @Matt Gekachelt:

      Wenn uns die Gesellschaft um die Ohren fliegt und es auch noch zu internationalen Verteilungskämpfen kommt, können wir uns entspannt zurücklehnen und Degrowth geniessen?!



      Wenn Sie meinen...



      Ich bin da eher skeptisch.

    • @Matt Gekachelt:

      Positive Signale. Aha. Gut, ich verstehe, dass noch nicht jeder begriffen hat, dass Grundlage der notwendigen Zukunftsinvestitionen und eines wachsenden Sozialhaushaltes Wachstum ist. Ansonsten könne Sie gerne notieren, auf welche Segnungen unseres Wohlstands- (und Wachstums-) staates sie persönlich gerne verzichten könnten. Weltweit führende Krankenversorgung und u.a. das künstliche Hüftgelenk auch nocch mit 80, kostenfreies Studium, Rentenzuschüsse, 49 EUR Ticket etc. Und nein, bevor das Argument "Reiche" kommt - wenn ich alles addiere, für was "Reiche" herangezogen werden sollen, bruachten wir zunächst einmal eine "Reichtumszuwanderung" aus der ganzen Welt.

    • @Matt Gekachelt:

      Der Mai hatte dieses Jahr ganze vier Feiertage, weil Fronleichnam unverschämterweise nicht bis Juni warten wollte. Der evangelische Klerus jammert prompt: Prozession=Rezession ;-)

  • Seit geraumer Zeit höre ich ständig, die Regierung will gegensteuern..... Das Ergebnis ist in der Überschrift zu lesen. Schland, die einzige Industrie-Nation, bei der es steil nach unten geht. Naja.

    • @Leningrad:

      Wie soll eine Regierung gegensteuern, die die Grundlagen des Degrowht selbst zementiert hat? Mit unserer "Energiewende" bspw. haben wir ein Grab geschaufelt an dem andere Industrieländern gerne und zahlreich kondulieren.