Neue Griechische Regierung vereidigt: Vorwärts in die Vergangenheit
Nun wird eine Koalition aus Sozialisten und Konservativen mit den Problemen Griechenlands fertig werden müssen. Die Opposition warf ihr gleich mal „Personalrecycling“ vor.
ATHEN dpa | In Griechenland wird am heutigen Dienstag die neue Regierung aus Konservativen und Sozialisten vereidigt. Nach dem Ausscheiden der Partei Demokratische Linke aus dem Regierungsbündnis hatte sich die konservative Nea Dimokratia von Ministerpräsident Antonis Samaras am Montagabend mit den Sozialisten auf eine neue Koalition verständigt, wie Regierungssprecher Simos Kedikoglou mitteilte.
Wichtigste Neubesetzung ist die Übernahme des Außenministeriums durch Sozialisten-Chef Evangelos Venizelos, der zugleich Vizeregierungschef wird. Damit solle signalisiert werden, dass die Sozialisten die neue Regierung mit voller Kraft unterstützen werden, hieß es. Samaras und Venizelos hatten zuvor letzte Details geklärt. Die Opposition griff die neue Regierung scharf an.
Die Demokratische Linke hatte die Regierung im Streit um die Schließung des Staatsrundfunks ERT verlassen. Konservative (125 Mandate) und Sozialisten (28 Abgeordnete) haben nun nur noch eine knappe Mehrheit von 153 der 300 Sitze im Parlament in Athen.
Venizelos hatte die Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern im Jahr 2011 geführt und entscheidend dazu beigetragen, dass das vom Staatsbankrott bedrohte Euro-Land weitere Hilfen bekommt. Seit den Wahlen im Juni vergangenen Jahres unterstützte er als Chef der Sozialisten die Koalitionsregierung, saß aber selbst nicht am Kabinettstisch.
Neues Kabinett mit alten Herausforderungen
Keine Änderung gibt es im Finanzressort. Ioannis Stournaras bleibt weiter Griechenlands oberster Kassenhüter, um angesichts der schwierigen Lage des Landes Kontinuität zu gewährleisten. Stournaras genießt auch das Vertrauen der Geldgeber.
Dem neuen Kabinett gehören neben Regierungschef Samaras 19 Minister an. Das Verhältnis der Koalitionäre darin ist etwa drei zu eins zugunsten der stärkeren Nea Dimokratia.
Ausgelöst wurde die jüngste Krise durch Samaras Entscheidung, das Staatsfernsehen ERT mit seinen knapp 2700 Beschäftigten zu schließen. Der Regierungschef will jetzt ein neues öffentliches Fernsehen gründen, bei dem aber nur noch etwa 1000 Angestellte arbeiten sollen. Dafür hat er den erfahrenen Journalisten Pantelis Kapsis als neuen Staatssekretär eingestellt.
Die neue Regierung muss sich auch mit gewaltigen Defiziten bei den Rentenkassen und staatlichen Krankenkassen befassen. Bis Ende 2014 müssen zudem 15 000 Staatsbedienstete entlassen werden.
Die stärkste Oppositionspartei im griechischen Parlament, das Bündnis der radikalen Linken (Syriza), griff die Koalitionsregierung scharf an und sprach von einem Personalkarussell. Die neue Regierung sei „maßgeschneidert“ für die Fortsetzung der harten Sparmaßnahmen und die Pläne zur „weiteren Plünderung der Einkommens (der Griechen) und des Ausverkaufs von Staatseigentum“, hieß es in einer Erklärung der Partei weiter. Das „Recycling“ von Personen signalisiere den Anfang vom Ende dieser Regierung, hieß es. Ähnlich reagierte auch die Kommunistische Partei (KKE).
Die rechtspopulistische Partei der Unabhängigen Griechen (AN.EL) erklärte, solange das Land praktisch von den Kommissaren der internationalen Geldgeber regiert werde, brauche man gar nicht über die neue Regierung zu reden, da sie keine Entscheidungen treffen könne.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?