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Neue Corona-Verordnung in BerlinReicht einmal Sex?

Neuerdings darf sich ein Single in Berlin nach 21 Uhr nur noch mit nicht vorhandenem Partner treffen. Kann das funktionieren?

Bleib ich alleine, wenn die Sonne untergegangen ist? Als Single fühlt man sich in Berlin gerade so Foto: Christoph Soeder/dpa

G emäß aktuellster Corona-Verordnung dürfte ich mich als Single nach 21 Uhr nicht mehr mit einer Person aus einem anderen Haushalt treffen. Höchstens noch mit meinem Partner oder meiner Partnerin. Da stellt sich mir erst einmal die Frage: Ab wann spricht man von Partner oder Partnerin? Reicht für diesen Status einmal Sex oder muss man dafür mit jemandem, sagen wir, sechs Monate zusammen sein? Gilt platonische Liebe auch? Und: Muss ich jetzt wirklich ganz dringend mein Tinder-Profil aufpeppen, wenn ich in den nächsten Wochen oder Monaten abends nicht allein auf der Couch veröden möchte?

Es ist so weit, als bislang treuer Befolger aller Coronaregeln und klarer No-Covid-Befürworter muss ich sagen: Ich werde mich nicht an diese Maßnahme halten. Und ich kann mir auch kaum vorstellen, dass das irgendjemand tut. Zu Champions-League-S­pielen habe ich mich seit der Coronazeit immer mit meinem Bruder zum gemeinsamen Gucken getroffen. Wir waren beide stets schön brav im Lockdownmodus und einmal alle paar Wochen gab es gemeinsames Fußballschauen. Das soll jetzt nicht mehr erlaubt sein.

Selbst eine Ausgangssperre, die als einigermaßen harter Eingriff in die Grundrechte gilt und die Berlins Bürgermeister Michael Müller kritisch sieht, würde uns den Championsleague-Spaß zu zweit weiter ermöglichen. Mein Bruder könnte ja bei mir übernachten. Aktuell begehen wir, wenn er nach Anpfiff immer noch bei mir hockt, dagegen eine Ordnungswidrigkeit. Das ist uns jetzt einfach mal egal.

Es stößt auch komisch auf, dass mir ausgerechnet ein Berliner Senat, der mitten in die dritte Welle hinein absurde Öffnungsorgien feiert, der den Zusammenhang mit steigenden Inzidenzen und Notbremse auslegt, wie es ihm passt, und nicht mehr bereit ist, bis hundert zu zählen, der rumeiert und sich zum Virologenschreck gemeistert hat, mich derart gängeln will.

Singlefeindliche Verordnung

Die Lockerungen im Sinne des Handels sollen mit einer unangemessenen Verschärfung im Privaten ausgeglichen werden. Da würde ich ja vielleicht sogar noch mitgehen. Nur trifft diese Verschärfung nicht alle gleich, sondern vor allem die Gruppe der Singles. Und was ist überhaupt eine Verordnung wert, wenn man nicht bestraft werden kann, falls man gegen sie verstößt? Dann sollte man sie doch eher eine Empfehlung nennen, denke ich. Denn wie soll die ­Verfolgung des Partner-ist-erlaubt-Gebots in der Praxis aussehen?

Kann mich mein Nachbar verpetzen, wenn aus meiner Wohnung keine typisch partnerschaftliche Geräuschkulisse etwa von sinnlosem Streit über Nichtigkeiten oder bestenfalls hingebungsvollem Beischlaf zu vernehmen ist, sondern deutlich vernehmbar nur freundschaftliches Geplauder?

Gibt es Kontrollen nach 21 Uhr, bei denen ich mit meinem besten Freund vor den Augen eines Ordnungshüters einen glaubwürdigen Zungenkuss austauschen müsste, um zu belegen: Der ist mein Partner?

Regeln, die nicht zu verstehen sind und deren Einhaltung nicht wirklich überprüfbar sind, führen zum Vertrauensverlust der Bevölkerung gegenüber dem Coronamanagement der Politik. Das predigen Experten schon seit Monaten. Aber was wissen die schon, scheint sich der Berliner Senat beim Aushecken seiner singlefeindlichen Verordnung gedacht zu haben.

Die Virologen warnen ja auch ständig davor, Schulen und Geschäfte ohne schlüssige Test­strategien zu öffnen. Denen hört man einfach auch nicht mehr zu. Der Ruf, die Kontaktsperre für Singles nach 21 Uhr zurückzunehmen, verhallt sicherlich auch ungehört.

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16 Kommentare

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  • Ich dachte die Ausgangssperre besagt auch, dass man in SEINEN EIGENEN vier Wänden bleiben soll. Übernachtungen wären dann doch auch verboten, oder nicht?

  • Mich wundert es nicht, daß sich keiner an die Regeln halten will, wenn unsinnige Vorgaben gemacht werden. Die Ausgangssperre gehört auch dazu und treibt die Leute nur in die noch gefährlicheren Innenräume!

  • Worum geht es???

  • das dilemma ist: stellste eine regel auf, hat irgendjemand was dagegen.



    derweil laufen die krankenhaeuser voll.



    die einzige loesung ist: totaler gesellschaftlicher shutdown wie in der ersten welle fuer 4-6 wochen, danach koennen wir weiterreden.



    alles andere ist nur noch gefasel.

    • @the real günni:

      Und das nun regelmäßig über Jahre hinweg? Darauf wird es hinauslaufen. Covid wird sich nicht auslöschen lassen, die lahme Impfkampagne wird niemals zum Abschluss kommen, bis eine Mutation den Schutz "durchbricht".

      Dieser Shutdown wird wohl nötig sein, ist aber keine Lösung.

  • Ich gründe 'ne WG und da wechseln dann halt extrem häufig die Mitbewohner.

    Und da man in Coronazeiten ja auch kaum Termine beim Meldeamt bekommt ist das kein Problem.

    • @Bolzkopf:

      Sehr guter Vorschlag. Man muss sich seine Nische suchen. Diesem Treiben kann man nur mit Kreativität begegnen.

  • Dachte erst, da müsste der Autor wohl etwas falsch verstanden haben. Dann habe ich mir die Berliner Regeln durchgelesen und festgestellt, dass es wirklich stimmt. Ein Lebenspartner dürfte im anderen Haushalt übernachten, ein Bruder etwa nicht. Das ist nicht nur absurd, das kann auch gefährlich werden, wenn es nicht nur um Fussballspiele geht. Etwa wenn ein Single aus gesundheitlichen Gründen nicht allein in seiner Wohnung bleiben kann, weil er Hilfe braucht. İch hoffe nur, dass man uns in Hessen mit derartig idiotischen Regeln nicht belästigt.

  • Wir empfehlen: Sex in der S-Bahn oder gleich im Büro. Da ist er wieder erlaubt.

  • Damit soll m.E. nicht Lockerungen für den Einzelhandel ausgeglichen werden, denn dort stecken sich nach RKI Angaben eher wenig Menschen an. Geht nicht rund die Hälfte der Infektionen auf Treffen im privaten Bereich zurück?



    Insofern bin ich auch sehr skeptisch gegenüber Zero COVID. Wenn 4-6 Wochen wirklich komplett Pause wäre also Zwangsurlaub, was glaubt ihr, was die Leute dann machen? Brav zu Hause in splendid isolation die Zeit absitzen und endlich Marcel Proust lesen? Oder sich, weil ihnen langweilig ist, dann noch mehr als jetzt schon treffen?

    • @Heide Gehr:

      Das würden sie evtl. versuchen, wenn es da keine 24/7 - Überwachung* z.B. mittels Drohnen gäbe. Dann gibt es den Bußgeldbescheid quasi in Echtzeit.

      *)Läßt sich sicher schnell einführen

  • 1G
    15833 (Profil gelöscht)

    Also beim Sex immer die Hunde Stellung. Die aerosole werden so nicht direkt ins Gesicht gehechelt.....

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Man wird Sex ohne Trauschein eh wieder verbieten. Diesmal aber nicht die Kirche.

  • Make love

    not lockdown!

  • "Der Ruf, die Kontaktsperre für Singles nach 21 Uhr zurückzunehmen, verhallt sicherlich auch ungehört."



    Sinnvoll wäre wohl ersteinmal abzuklären wie weit die serielle Monogamie als Infektionstreiber wirkt. Sollte sich herausstellen, dass der Shutdown von Tinder und Co. genügend Wirkung entfalten sollte um etwa den gebeutelten Kulturbetrieb wieder öffnen zu können wäre das doch eine Maßnahme über die man mal nachdenken könnte.

    • @Ingo Bernable:

      Geniale Satire!