piwik no script img

Neue Bauernpartei DLWHauptsache Subventionen für Bauern

Die „Deutsch|Land|Wirtschaft“ kämpft für billigen Agrardiesel. Sie schürt Angst vor Migranten, ist gegen Ukrainehilfe und unkritisch zur AfD.

Der Brandenburger Landwirt und DLW-Vorsitzende Benjamin Meise in seinem Agrarbetrieb im Juni 2022 Foto: André Wunstorf

Manche Landwirte in Deutschland träumen davon, was Bauern in den Niederlanden schon geschafft haben: Dort ist aus Bauernprotesten gegen mehr Umweltschutz die Partei BoerBurgerBeweging (BBB) entstanden. Seit Kurzem regiert sie das Land zusammen mit der rechtspopulistischen PVV von Geert Wilders.

Auch in Deutschland gab es diesen Winter Bauernproteste. Und auch daraus ist nun eine Partei entstanden: Schon ihr Name „Deutsch|Land|Wirtschaft“ (DLW) zeigt, wie wichtig für sie die Interessen der Agrarbranche sind. Die führenden Mitglieder sind Landwirte. Die Partei sammelt gerade 2.000 Unterschriften, damit sie bei der Landtagswahl in Brandenburg am 22. September antreten kann. Später will sie bundesweit kandidieren. Mehrere Medien haben über sie berichtet – allerdings ohne eine Analyse ihrer Forderungen und ihres Personals.

Doch die DLW schürt Angst vor Migranten, will Waffenlieferungen an die Ukraine stoppen und hält sich eine Zusammenarbeit mit der AfD offen. Ein Vorstandsmitglied – der Kampfsporttrainer Sören Michele – organisierte Demonstrationen gegen „das System“ sowie gegen Maßnahmen zum Schutz vor der Corona-Pandemie und bot mindestens einmal einem Reichsbürger-nahen Sänger eine Bühne.

Vizevorsitzender Thomas Essig ist durch falsche sowie populistische Behauptungen aufgefallen und war an einer Veranstaltung mit dem rechtsradikalen Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, Klimawandelleugnung und Verschwörungsmythen beteiligt. Das Programm der DLW fordert, die Subventionen für den Diesel von Traktoren zu erhalten, erwähnt aber Klimaschutz mit keinem Wort.

Ein späterer DLW-Vorständler bot einem Reichsbürger-nahen Sänger eine Bühne

In einem Video im offiziellen Facebook-Kanal der Partei sagt der sehr muskulöse, glatzköpfige Michele neben dem Logo mit dem Schriftzug DLW und einer Getreideähre zum Beispiel: „Durch unkontrollierte Zuwanderung ist auch unser Land nicht mehr sicher. … Das muss endlich aufhören.“ Tatsächlich gehörte Deutschland der Europäischen Statistikbehörde (Eurostat) zufolge 2021 beziehungsweise 2022 zu den EU-Staaten mit den niedrigsten Mord- und Raubraten pro Einwohner.

Kein Herz für die Ukraine

Im Programm der DLW heißt es: „Die irregulären Flüchtlingswellen aus Krisengebieten, insbesondere ab 2015, überfordern zu viele Bürger. Das öffentliche Leben scheint durch ‚Fremde‘ dominiert“. Laut Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung betrug der Anteil von Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit Ende 2022 im Schnitt 15 Prozent. In zahlreichen ostdeutschen Landkreisen waren es sogar weniger als 5 Prozent.

„Wir sind nicht fremdenfeindlich“, sagte der DLW-Vorsitzende Benjamin Meise der taz. Deutschland brauche Zuwanderung. „Aber wir glauben, dass der Integrationsbogen in Deutschland überspannt worden ist.“

Die von Russland angegriffene Ukraine will die Partei offenbar ihrem Schicksal überlassen. Jedenfalls lehnt die DLW „parteiergreifende Maßnahmen wie beispielsweise die Waffenlieferung in (potentielle) Kriegsgebiete ab.“ Dass das auch die Ukraine betrifft, bestätigte Meise der taz. „Ich sehe Russland nicht mehr als Aggressor als die Nato“, ergänzte er.

Kritiker dieser Position wenden ein, dass die Ukraine von Russland angegriffen wurde und ohne Waffen aus dem Westen von seinen Truppen unterdrückt würde. Das könnte auch eine Migrationswelle zum Beispiel nach Deutschland verursachen.

„Wir sind keine Politologen“

Gleich im zweiten Satz des Parteiprogramms steht, die DLW könne sich „eine Zusammenarbeit mit jedem vorstellen, mit dem wir uns in der Sache einig sind und der das Grundgesetz anerkennt.“ Zur AfD befragt sagte Meise der taz: „Ich bin da nicht bewandert genug, um das ausreichend beurteilen zu können, ob die denn das Grundgesetz beachten“. Ist das glaubwürdig, wo die AfD doch in Wahlumfragen in Brandenburg seit Monaten am besten abschneidet? „Wir sind keine Politologen“, antwortete Meise darauf.

Die AfD hat sich mehrmals zum Grundgesetz bekannt, aber ihre Programmatik und Äußerungen von führenden Politikern der Partei zielen etwa dem Deutschen Institut für Menschenrechte zufolge in Wirklichkeit darauf ab, die in Artikel 1 des Grundgesetzes verbriefte Garantie der gleichen Menschenwürde für alle abzuschaffen.

Führungspersonen der Partei haben demnach erkennen lassen, dass sie Gewalt als Mittel zur Durchsetzung der Ziele der AfD anstreben. Zudem hätten Politiker der Partei sich zum Nationalsozialismus bekannt. Mehrere Verfassungsschutzämter haben die AfD insgesamt oder einzelne Landesverbände als gesichert rechtsex­trem – also verfassungsfeindlich – oder zumindest als Verdachtsfall eingestuft.

Während drei der vier DLW-Vorstandsmitglieder – übrigens alles Männer – aus der Landwirtschaft oder zumindest Agrarverbänden stammen, steht Michele für das Bündnis mit anderen Gruppen der Gesellschaft. Auf der DLW-Internetseite firmiert er als „Selbstständig, Qualitätsmanager, Kampfsporttrainer“. Schon lange vor den Bauernprotesten organisierte Michele in Brandenburg Proteste gegen Maßnahmen zum Schutz vor der Corona-Pandemie.

Im Dezember 2022 veranstaltete Michele der Märkischen Oderzeitung (MOZ) zufolge in Fürstenwalde eine Kundgebung mit Plakaten wie „Sperrt diese Regierung endlich weg!“. Dort habe auch ein Musiker gesungen, der laut Tagesspiegel ein paar Monate früher bei einer Veranstaltung in Berlin mit Reichsbürgern aufgetreten war.

Auf einer von Micheles Demos im Januar 2024 beschimpfte ein Politiker der Querdenker-Partei „dieBasis“ der MOZ zufolge Teile der Regierung als „Parlamentsidioten“. Auf dieser Demonstration war der spätere DLW-Chef Meise einer der Hauptredner. Immer wieder propagierte Michele: „Das System ist am Ende.“ Dabei blieb offen, welches „System“ – etwa die liberale Demokratie – gemeint war.

Ex-Minister Trittin als „grünen Sack“ bezeichnet

Vizeparteichef Essig behauptete in einem Video im Juli: „Es sind ja nur noch 15 Millionen Menschen, die Steuern bezahlen“. Laut Statistischem Bundesamt waren aber 2020 42,7 Millionen Menschen in Deutschland einkommenssteuerpflichtig. Eigentlich jeder zahlt zusätzlich Mehrwertsteuer.

Den ehemaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin beleidigte Essig in einem anderen Video im Juni als „grünen Sack“. Auf seine „Alimente“ als Ex-Minister müsse er keine Steuern zahlen. Aber ein Sprecher des zuständigen Bundesinnenministeriums teilte der taz mit: „Die Ruhegehälter von ehemaligen Mitgliedern der Bundesregierung sind einkommenssteuerpflichtig.“

Prominent im DLW-Programm ist Kritik an der Agrarpolitik. „Öffentliche Leistungen werden seit Jahren bei steigenden Anforderungen gekürzt“, bemängelt die Partei. Landwirte würden „gegängelt als Sündenbock der Nation“.

Kein Wort zum Klimaschutz

Kein Wort allerdings findet sich in dem Programm darüber, dass die Landwirtschaft einer der Hauptverursacher des Artensterbens ist, und was die DLW dagegen unternehmen will. Auch der Klimawandel wird nicht einmal erwähnt. Die Agrarbranche verursacht inklusive der Emissionen aus Böden und Maschinen laut Umweltbundesamt 13 Prozent der Treib­hausgase hierzulande.

Außer dem Festhalten an der Agrardieselsubvention enthält das Programm kaum konkrete Forderungen in der Landwirtschaftspolitik. Die DLW spricht sich aber gegen „die politische Festsetzung von Mindestwerten für den ökologischen Landbau“ aus. Das sei insbesondere wegen des bei Bio „nötigen Pflügens und der damit verbundenen negativen Wirkung auf die Bodenbiologie kontraproduktiv“.

Der Bundesverband Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) weist jedoch darauf hin, dass keinesfalls alle Biobetriebe pflügten und dass für die Bodengesundheit nicht allein die Frage „Pflug ja oder nein“ entscheidend sei. Der Ökobauernverband Bioland teilte der taz mit: „Dass der Ökolandbau dem Bodenleben schadet, ist nicht belegt – im Gegenteil.“

Eine Überblicksstudie des bundeseigenen Thünen-Agrarforschungsinstituts zeige, „dass die Biomasse von Regenwurmpopulationen unter ökologischer Bewirtschaftung 93 Prozent höher ist als unter anderen Bewirtschaftungsformen.“ Die Artenvielfalt sei höher.

Essig und Michele reagierten bis Redaktionsschluss nicht auf Bitten der taz um Stellungnahme. An ihrer Stelle antwortete Meise unter anderem, alle Menschen würden sich ständig entwickeln: „Sollte es während der Mitgliedschaft zu unrechtlichem und parteischädigendem Verhalten kommen, so werden wir uns hiermit auseinandersetzen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ich muss es einfach einmal sagen, aber ich bin einfach sehr froh, dass die taz Dingen auf den Grund geht und nachhakt und nicht einfach nur dpa-Meldungen reproduziert oder schlimmer gar mit Populismus garniert. Maurin, Schipkowski, Litschko und Co. klemmen sich hinter die Themen! Etwas schade, dass herr Kreutzfeld nicht mehr bei der taz am Start ist.

  • Am liebsten wäre mir, wenn die Medien gar nicht über die Partei berichten, damit sie für immer ein kleines Licht bleibt. Bei der AfDummheit sieht man leider, wie sehr die Medien diese nach oben getragen haben.

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @Rudi Hamm:

      Da mehrere Medien bereits (unkritisch) über die DLW berichtet hatten, war es wichtig, die Partei in der taz kritisch zu analysieren.

  • In der deutschen Landwirtschaft geht nichts ohne Arbeitskräfte aus dem Ausland.



    Diese „Landwirte“ sollten mal nach GB schauen, dort können viele Felder nicht mehr abgeerntet werden weil (billigste) Helfer aus dem Ausland fehlen.



    Klar, das es Landwirte gibt die ohne Gehilfen auskommen, diese DLW entwickelt sich selbst zu Fremden im eigenen Land.

    • @Tino Winkler:

      Aktuell ist auf WELT online ein Artikel darüber zu lesen, dass GB derzeit die höchste Einwanderung seit 75 Jahren verzeichnet. 610.000 Menschen sind im Jahr 2023 dorthin gezogen, hauptsächlich aus Indien.



      Das ist insbesondere so interessant, weil doch GB nach allgemeinem Dafürhalten durch den Brexit im Abgrund liegt und aus dem letzten Loch pfeift.

      Aber vielleicht haben die Expats die es viel lieber dorthin statt ins beste Deutschland aller Zeiten zieht, ja noch nicht mitbekommen...?

      • @Kinds Kopp:

        "Das ist insbesondere so interessant, weil doch GB nach allgemeinem Dafürhalten durch den Brexit im Abgrund liegt und aus dem letzten Loch pfeift."

        Vielleicht erklärt sich die Diskrepanz, die Sie hier anscheinend vernehmen damit, dass "Abgrund" relativ zu Lebensverhältnissen in Indien und Abgrund relativ zu Lebensverhältnissen in UK verschiedene Abgründe sind? Im Bezug auf Lebensverhältnisse ist das erreichbare "Besser" immer relativ evaluiert zu dem aktuellen "Schlecht/er" und nicht zu dem paradiesischen aber nicht erreichbaren "Besten".

  • Nachdem in Berlin der Mietadel alimentiert wird,...

    • @eicke81:

      "Nachdem in Berlin der Mietadel alimentiert wird,..."

      Na, fehlt da nichr irgendwie das Ende des Satzes?

      Darf jeder nach Belieben was einsetzen? Ich wäre für "ist die Mark nur noch fuchzig Pfennig wert!"

      Oder "... ist Osmose ein gerichteter Fluss von Teilchen durch eine semipermeable Membran."

  • Wusste gar nicht, dass Fremdenhass wichtig für die Landwirtschaft ist. Nachdem Ausländer als Erntehelfer benutzt worden sind, sollen sie wohl wieder verschwinden und den Eindruck von reindeutschen Agrarprodukten vermitteln

    • @Paul Anther:

      Richtig, genau dieser Eindruck entstand bei den gesamten Bauernprotesten Anfang dieses Jahres.



      Was wollen die eigentlich, wofür demonstrieren die derart wehement, und was haben diese Positionen mit der Landwirtschaft zu tun? Geht die Kritik nicht eher gegen die EU-Politik, für die die eigenen Interessenvertreter selber gesorgt haben.



      Das konnte seitens der Protestierenden nicht genannt werden.



      Vorgetragener Konsens war: "Schafft die Ampelregierung ab, notfalls auch gewalttätig, egeal ob diese demokratisch legitimiert ist oder nicht, egal", das hat aber nichts mit der Landwirtschaft zu tun, sondern ist ein rein politisches Ziel, also als reiner politischer Aufstand eines geringen Bevölkerungsteil zu bewerten, der demokratische Prozesse nicht respektiert.



      Und:



      "Subventioniert uns und nur unsere auf Massenproduktion setzende Landwirtschaft weiter so massiv, wie bisher"



      Und:



      "Qualitativ guter Anbau, Bioanbau, soll bitte nicht gefördert werden"

      Dafür standen zudem die Landwirtschaftsfunktionäre bereits immer. Dass die Landwirte nicht bereit sind ohne diese Förderung v.a. durch die EU auszukommen, aber gleichzeitig für die Abschaffung der EU zu plädieren ist widersprüchlich!

  • ".... Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung betrug der Anteil von Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit Ende 2022 im Schnitt 15 Prozent."

    Was als Argument gegen eine Überfremdung gedacht ist, liest sich in dem erwähnten Bericht weiter mit "[in] Großstädten und Grenzregionen [..] mehr als jeder vierte Einwohner keine deutsche Staatsangehörigkeit". Also 25-30%, plus Menschen mit D Staatsangehörigkeit, aber mit Migrationshintergrund.

    Ab wann gäbe es denn eine Überfremdung?



    Und, gibt es andere Länder in denen der Anteil, zumindest örtlich, auch so hoch ist?

    • @fly:

      Menschen mit Deutscher Staatsangehörigkeit sind per Definition schon mal keine Fremden. Wer damit fremdelt (da-dum), ist entweder Rassist oder Kulturchauvinist.

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @fly:

      Die DLW versteht sich v.a. als Sprachrohr der Bevölkerung auf dem Land, sie kommt aus Ostdeutschland (Brandenburg). Deshalb sind die genannten Durchschnitte für den Bund und die Beispiele aus dem Osten hier am interessantesten.

      • @Jost Maurin:

        Deswegen ist gerade der Vergleich mit migrationsgetriebenen Großstädten interessant

    • @fly:

      Warum muss man eigentlich so sehr auf der Herkunft der Menschen herumreiten? Ist es nicht viel wichtiger, was Menschen tun, wie sie sich einbringen? Mir ist ein reflektierter, empathischer Mensch aus welchem Herkunftsland auch immer jedenfalls lieber als ein "bio"deutscher Anhänger der Rechten.

  • Danke für die fundierte Recherche! Genau diese Argumente braucht es, um "deren" Zahlen etwas entgegenzusetzen.