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Neue Anklage gegen TrumpDemokratie bereits beschädigt

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Ja, die Anklage gegen Trump ist wichtig. Doch ihm und seinen Anhängern weltweit ist es längst gelungen, die staatlichen Institutionen auszuhöhlen.

Bedingungslose Solidarität mit Trump: Anhänger vor seinem Wohnsitz in Mar-A-Lago in Florida im Juni 2023 Foto: Evan Vucci/ap

E s ist die dritte Anklage gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump – und die bedeutsamste. Nicht nur, weil eine Verurteilung wegen verschiedener Verschwörungen ein höheres Strafmaß nach sich ziehen würde als die steuerliche Verschleierung einer Schweigegeldzahlung, die ihm in New York vorgeworfen wird, oder die illegale Mitnahme geheimer Dokumente, wegen der ihn Sonderermittler Jack Smith bereits im Juni angeklagt hat.

Die neue Klage ordnet Trumps Versuche strafrechtlich ein, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom November 2020 auf den Kopf zu stellen, bis hin zum gewaltsamen Sturm seiner Anhänger aufs Kapitol am 6. Januar 2021.

Damit zielt sie auf den Kern des Trumpismus und seiner weltweiten Nachahmer*innen: Die Aushöhlung und Zerstörung der Demokratie von innen, aus der Position der Macht heraus.

Antisemitische Verschwörungslügen bilden den Nährboden

Denn es war nicht das Irrlichtern eines pathologisch schlechten Verlierers, das Trump dazu brachte, schon Monate vor dem Wahltermin Betrugsvorwürfe und Misstrauen gegen das Briefwahlverfahren zu säen. Trump folgte vielmehr jenem Drehbuch, das sein damaliger Chefstratege Steve Bannon 2017 öffentlich dargelegt hatte: Das Ziel der Zerstörung – Bannon nannte es „Dekonstruktion“ – der staatlichen Institutionen, um aus den Trümmern etwas anderes aufzubauen.

Um das im Licht und mit Hilfe der Öffentlichkeit zu erreichen, braucht es Wut und Misstrauen auf das bestehende System – dem dient das Gerede vom elitengesteuerten „Deep State“, womöglich noch angereichert durch recycelte uralte antisemitische Verschwörungsmythen von kinderbluttrinkenden Liberalen, wie es QAnon verbreitet.

Damit wird der Zerstörer zum Befreier, Regeln und Gesetze zu Unterdrückungsinstrumenten, Richter und Staatsanwälte zu deren Erfüllungsgehilfen. Genau das ist der Diskurs, den Trump während seiner gesamten Präsidentschaft genährt hat. Wann immer ein Gericht einen offenkundig rechtswidrigen Präsidialerlass als eben solchen stoppte, nutzte Trump das zur Delegitimierung der Justiz.

Die Ereignisse rund um die Wahlen 2020 waren der Höhepunkt jenes Versuchs der „Dekonstruktion“ – und es hat gar nicht so viel gefehlt, um damit erfolgreich zu sein.

Das Misstrauen hat Trump bereits in den Köpfen verankert

Der Kongress hat in zwei Impeachmentverfahren bereits versucht, das Geschehen strafrechtlich aufzuarbeiten, aber das blieb in der politischen Sphäre, und Trumps Erfolg bei der Unterwerfung der Republikanischen Partei verhinderte eine Verurteilung. Deshalb ist es unerlässlich, dass sich jetzt echte Strafkammern mit Trump befassen.

Klar ist aber auch, dass Trump und seine Hel­fers­hel­fe­r*in­nen es längst geschafft haben, das oben beschriebene Misstrauen so tief in den Köpfen seiner An­hän­ge­r*in­nen zu verankern, dass selbst diese Anklage ihn kaum Zustimmung kosten wird, womöglich im Gegenteil.

Damit haben Bannon – der zwar später geschasst wurde, dessen Programm aber weiterlebte – und Trump ein Politikmodell geschaffen, das inzwischen weltweit von rechtsextremen Parteien kopiert wird. Die ethnisch-nationalistisch-autoritäre Revolution, die sie anstreben, ist nicht mit den demokratischen Verfassungen in Einklang zu bringen, in deren Regeln sie Wahlerfolge erzielen und an die Macht gelangen. Also müssen, solange die Macht nicht absolut ist, jene Korrektive diskreditiert werden, die sich dem entgegenstellen.

Was Trump über den Sonderermittler Jack Smith sagt, klingt nicht zufällig kaum anders als die Äußerungen führender AfD-Politiker*innen über Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang. Kein Zufall, dass der frisch gekürte AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, Selfies von sich mit Steve Bannon verbreitet.

Das ist durchsichtig, aber leider ziemlich effektiv. Und die Antwort darauf wird nicht nur bei der Justiz liegen können – gefragt ist sie trotzdem.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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8 Kommentare

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  • "Doch ihm und seinen Anhängern weltweit ist es längst gelungen, die staatlichen Institutionen auszuhöhlen."

    Ja, aber nicht erst seit gestern oder so. Sondern schon lange vor 2020, denn sonst wäre der Januar-Mob nie zusammengekommen. "El sueño de la razón produce monstruos".

  • Trump ist ein showman, war lange Zeit beim Fernsehen in Unterhaltungsshows tätig. Wer ihm eine Bühne bietet, ist selber Schuld.

  • Voraussetzung für die Verbreitung der rechtspopulistischen / rechtsextremistischen Lügen von Trump, AfD & Co ist eine "alternative Realität". In den USA haben FOX-News (und andere) da seit langem gründlich vorgearbeitet, weshalb Trump die Wahl 2016 gewinnen konnte. In GB beherrscht Murdoch die Medien, weshalb der Brexit gelang.



    Die Konsequenz daraus für D kann nur sein, dass man die deutschen Varianten von Fox-News genauestens beobachtet, und deren Hass in der Öffentlichkeit diskutiert. Von Pi-News und Compact bis hin zu "Tichys Einblick".

    • @Kaboom:

      Wenn ein stellvertretender bayerischer Ministerpräsident behauptet, für die Mehrheit zu sprechen und "die Demokratie gegen die Politiker in Berlin, die den Arsch offen haben, zurückzuholen" dann ist das dieselbe Logik.

      • @Carl Schubert:

        Einerseits sicher richtig, andererseits ist in Bayern Wahlkampf und da werden traditionell die Regeln von Kultur, Zivilisation und Anstand temporär außer Kraft gesetzt.

    • @Kaboom:

      Und die bittere Erkenntnis der letzten Jahre ist, dass es zur Schaffung dieser Alternativen Realität gar keiner quasimonopolistischer Medienkonzerne mehr bedarf. Zwar zündeln und desinformieren Blöd&Co nach Kräften mit, doch die "kreativsten" und entscheidenden Impulse, die die Massen aufhetzen, kommen längst von den digitalen Stammtischen. Da haben wir uns in den 90ern aber schön geirrt, das Internet als basisdemokratisch aufklärerisches Medium zu feiern . .

      • @dites-mois:

        Facebook, Twitter --- ehm ... "X" & Co. verdienen an den Beiträgen am meisten, die die meiste Aufregung verursachen. Insofern ist davon auszugehen, dass die entsprechenden Konzerne ein Interesse daran haben, die Lügenkampagnen der diversen Paralleluniversen zu transportieren.



        Und solange es ausreichend Leute in der Politik gibt, die das Recht auf Faktenfreiheit unterstützen, wird sich daran nichts ändern.



        Musk, Zuckerberg & Co. können mit rechtsradikalen Regierungen wunderbar leben. So wie das die oberen 0.01% immer konnten.

        • @Kaboom:

          "Musk, Zuckerberg & Co. können mit rechtsradikalen Regierungen wunderbar leben. So wie das die oberen 0.01% immer konnten."



          Die 1 dürfen sie getrost um drei Stellen nach links verschieben... - und selbst das dürfte noch deutlich zu niedrig angesetzt sein.



          Ich denke das der Anteil derer, die mit rechtsradikalen Regierung in Deutschland ganz gut leben könnten - sei es direkt gewollt oder nur toleriert - locker mittlerweile bei 10-20% liegen dürfte, Tendenz steigend.