piwik no script img

Neuausrichtung nach InsolvenzMehr Erlebnis bei Galeria 2.0

Insolvenz, Entlassungen, Schuldenschnitt: Der Warenhauskonzern stellt sein Konzept für einen Neustart von Galeria Karstadt Kaufhof vor.

Schaufensterpuppen warten auf die Zukunft des Warenhauses Foto: Sven Hoppe/dpa

Berlin taz | Der Versuch, Optimismus zu verbreiten, wirkte nicht sehr überzeugend. Gerade war bekannt geworden, dass Galeria-Karstadt-Kaufhof 52 Filialen schließen und über 5.000 Mitarbeitenden kündigen wolle. Da teilte der Warenhauskonzern am Montagabend per Pressemitteilung mit, er werde „sein Filialnetz neu ausrichten“. Am Ende ein fast mantraartiges Statement von Konzernchef Miguel Müllenbach: „Das Warenhaus in Deutschland hat damit eine Zukunft.“

Für die Mit­ar­bei­te­r:in­nen und Gläu­bi­ge­r:in­nen des Konzerns dürften solche Formulierungen eher bedrohlich als hoffnungsvoll wirken. Mittlerweile ist es die dritte Insolvenz für den Warenhauskonzern. Jedes Mal wurde ein Überleben des Konzerns mit Entlassungen, Lohnverzicht und Schuldenschnitten teuer erkauft.

Dass Müllenbach nun wieder die „Zukunft des Warenhauses“ beschwört, dürfte vor allem an die Gläu­bi­ge­r:in­nen gerichtet sein, die am 27. März über den Sanierungsplan abstimmen. Es gilt als wahrscheinlich, dass auch der deutsche Staat, der dem Konzern kurz nach Abschluss des letzten Insolvenzverfahrens vor zwei Jahren 680 Millionen Euro lieh, komplett auf seine Forderungen verzichten muss.

Der radikale Kahlschlag ist dabei nur ein Teil des Plans, mit dem der Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz den mittlerweile letzten Warenhauskonzern Deutschlands wieder in die Gewinnzone führen soll. Neben der Schließung von über einem Drittel der Filialen, intensivem Personalabbau und einer Verkleinerung der Verkaufsflächen soll vor allem das neue Konzept „Galeria 2.0“ wieder Kundschaft in die Warenhäuser bringen.

Auf dem Papier klingen die Maßnahmen vielversprechend: dezentralere Organisation, regionales Angebot, Fokussierung des Angebotes, Stärkung des Erlebnischarakters der Filialen und eine engere Verzahnung zwischen Online und stationärem Angebot. Grundsätzlich sei das Konzept sinnvoll, sagt Einzelhandelsexperte Andreas ­Hesser, Professor für Marketing an der Hochschule Koblenz. „Es geht darum, relevante Kundenbedürfnisse besser zu bedienen als ihre Wettbewerber“.

Die Ursache für die Krise des Konzerns liegt auch im harten Sparkurs

Am Beispiel des Sportgeschäfts erklärt Hesser, wie das gelingen könnte: Lauf- und Fahrstrecken vor Ort und eine kompetente Beratung seien da der richtige Ansatz. Davon sei derzeit aber nicht viel zu sehen, sagt Hesser: „Im Vordergrund steht immer noch der transaktionistische Einkauf, dafür brauche ich kein Warenhaus in der Innenstadt“.

Auch von den Beschäftigten höre sie immer wieder Zweifel, ob die Sanierung dieses Mal die erhoffte Wende bringt, sagt Verdi-Gewerkschaftsfunktionärin Conny Weißbach. Das Konzept sei nicht neu, man hätte es nur schon vor 10 Jahren umsetzten sollen. Schon bei den letzten beiden Insolvenzen wurde trotz vollmundiger Ankündigungen kaum investiert.

Dabei wird Galeria 2.0 ohne Millionen Investitionen und verstärkte personelle Ausstattungen der Filialen nicht umsetzbar sein – ein Widerspruch zu den angekündigten Massenentlassungen, bei denen auch die Belegschaft in den erhaltenen Filialen weiter reduziert werden soll. „Wenn ich ein Einkaufserlebnis haben will, brauch ich Personal“, fasst es Weißbach zusammen.

Die Ursache für die Krise des Konzerns liegt auch in dem harten Sparkurs der vergangenen Sanierungen, denen kaum Investitionen folgten, obwohl Galeria die Coronapandemie und den Ukrainekrieg als Gründe vorschiebt. Besonders Nicolas Berggruen, der 2009 Karstadt übernahm, ließ das Unternehmen ausbluten. 2014 verschenkte Bergruen Karstadt an René Benkos Signa, der den Warenhauskonzern 2019 mit dem Konkurrenten Galeria Kaufhof fusionierte.

Leerstehende Filialen könnten für soziale Angebote genutzt werden

Schon damals befürchteten Kritiker:innen, dass Immobilienunternehmer Benko vor allem an den gut gelegenen Kaufhausimmobilien interessiert sei und nicht an dem Erhalt des Warenhausgeschäfts. Doch eine Pleite Galerias würde auch die Immobiliensparte Signas vor massive Probleme stellen. Bisher sind nämlich ausschließlich die Filialen von der Schließung betroffen, bei denen Signa kein Immobilieneigentümer ist.

In vielen Bestandsfilialen hingegen ist Galeria Mieter beim eigenen Mutterkonzern. Fielen diese alle auf einmal weg, wäre es schwer für Signa angesichts der Größe der Filialen Nachmieter zu finden. Der Ausfall würde sich nicht nur in den Einnahmen bemerkbar machen, sondern hätte empfindliche Auswirkungen auf die Bewertungen der Immobilien, auf deren Grundlage Signa Kredite aufnimmt. Signa hat also auch ein langfristiges Interesse daran, dass das Konzept Galeria 2.0 Erfolg hat.

Für die Beschäftigten und Kun­d:in­nen zahlreicher von der Schließung bedrohten Filialen in kleineren und mittelgroßen Städten wie Cottbus, Rostock oder Bremen ist dies allerdings nur ein schwacher Trost. Doch abseits des Warenhauskonzepts gibt es bereits Ideen, die bald leerstehenden Immobilien umzunutzen. „Shoppingmalls zu Sorgezentren“, lautet der Titel einer Kampagne der Berliner Politikerin und Stadtforscherin Katalin Gennburg, die für die Linksfraktion im Ab­geordnetenhaus sitzt.

„Wir könnten in den Immobilien bewusst soziale Angebote bündeln und damit in der Nachbarschaft einen Anker schaffen“, erklärt Gennburg die Idee. Einkaufsmöglichkeiten und Arbeitsplätze sollen dabei erhalten bleiben, dazu käme noch soziale Infrastruktur, beispielsweise Rollstuhl-Sport, Tagestreffs und Mieter:innenberatung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Das Modell "Kaufhaus" stirbt.



    Weil immer mehr Menschen online einkaufen. Weil sie es ohne Begründung zurück senden können, was bei "Kaufhaus" nicht geht. Weil sie nicht fahren müssen, keinen Parkplatz in der Innenstadt suchen, sondern bequem von der Couch zuschlagen können.



    Meist bekommen sie es dann sogar "Prime next day" an die Haustüre geliefert.

    Ich bedaure dies sehr, kaufe lieber noch in Fachgeschäften, genieße gute Beratung und zahle dafür auch freiwillig etwas mehr. Doch mehr und mehr muss auch ich im Internet bestellen, weil es diese Fachgeschäfte im Umkreis von 20km gar nicht mehr gibt.



    In 10 Jahren wird es keine "Kaufhäuser" in der Innenstadt mehr geben, aber große Shopping-Center im Grünen, weil die Mieten in den Innenstädten unbezahlbar werden. Wie in den USA eben

    • @Rudi Hamm:

      Nein, das Modell Kaufhaus stirbt nicht, es ist schon längst tot. Und vielleicht sollte man nochmal kräftig drauf hauen, damit es nicht ein weiteres mal als untoter Wiedergänger mit Millionen gepäppelt wird.

      Nach der letzten wiederbelebungsaktion wurde unser lokaler Kaufhof erstmal groß renoviert - vermutlich nennt man das "Konzept". Jetzt ist es ein sauberer, gut ausgeleuchteter Ort der Stille. Kein Schwein hält sich da auf; falls die Stadtbibliothek noch einen ruhigen Lesesaal braucht, hätte ich da eine Idee.

      Während der Renovierung wurde z.B. ein alter aufgemöbelter VW-Bus T1 im Schaufenster drapiert. Was soll das? 10m2 Verkaufsfläche dauerhaft mit einem teuren Deko-Gegenstand zu blockieren. Zweite Auffälligkeit sind große rote Plakate "70% Rabatt", vermutlich auf alles außer Tiernahrung. Man muss keine Ahnung von Einzelhandel haben, um 70% Preisnachlass als absolut tödlich für einen Händler zu verstehen. Packt das Zeug in einen Karton, schreibt "zum Mitnehmen" drauf und stellt es außen vor die Tür. Gleiches Ergebnis, geht aber schneller.

    • @Rudi Hamm:

      Ja Beratung ist schon wichtig und wird sicher von den Leuten am Besten geleistet die unmittelbares Interesse an einem Verkauf haben. Ohne die Beratung meines Versicherungsvertreter etwa wäre ich nie selbst drauf gekommen wie dringend mir eine Brandschutzpolice für die Betonarmierung am Grund der Regenwasserzisterne fehlte, was da alles hätte passieren können. Top Beratung eben, kann den Mann nur empfehlen.