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Neiddebatte und BürgergeldWer soll da noch arbeiten?

Mit dem Bürgergeld soll es mehr Grundsicherung geben. Arbeitgeber empören sich. Unsere Freiheit wird schließlich auch auf dem Arbeitsamt verteidigt.

Die Neider der Reichen erblassen – ein Symbolbild Foto: Jan Tepass/imageBROKER/imago

D as Wort „Neiddebatte“ fällt in Deutschland oft, aber zu Recht. Zum Beispiel wenn es um die Hochzeit von Finanzminister Christian Lindner (FDP) geht, die Menschen in Krisenzeiten als unangemessen pompös kritisierten. Oder wenn diese Menschen vorher schon die Erbschaftssteuer als zu lasch bemängelt haben. Vom niederen Gefühl des Neides zeugt auch, wenn Menschen kritisieren, dass Energieunternehmen ohne Zutun von kriegsbedingten Preissteigerungen profitieren. Sollen die Neider ihr scheiß Gas doch selbst besorgen!

Natürlich hängt der gesellschaftliche Frieden in diesem Land auch davon ab, dass der Finanzminister bei einer Inflationsrate von 7,5 Prozent mit Protz heiraten darf; dass manche Kinder in Reichtum, andere in Armut geboren werden; dass Unternehmen nicht nur Arbeitnehmer:innen, sondern auch die Not­situation von Menschen ausbeuten dürfen. ­Unsere Freiheit wird eben nicht nur in der Ukraine, sondern auch auf Sylt verteidigt.

Und auf dem Arbeitsamt! Ab 2023 soll es 502 statt wie bisher 449 Euro Grundsicherung geben. Das beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch mit dem Bürgergeld. Leis­tungs­emp­fän­ge­r:in­nen sollen in den ersten sechs Monaten – außer bei Meldeversäumnissen – nicht mehr sanktioniert werden. Danach sind Kürzungen von 30 Prozent erlaubt. Ein bisschen Vermögen und eine größere Wohnung sind in den ersten beiden Jahren auch erlaubt. Wer soll da noch arbeiten gehen?

Unerschütterlicher Glaubenssatz

Was für ein Zivilisationsbruch, der von den zu längst überwunden geglaubten sozialen Irrungen regredierenden Sozialdemokraten vorangetriebenen wurde. Wäre er schon tot, würde sich Altkanzler Schröder im Grab umdrehen. „Es ist kein Zeichen von Fairness und Respekt gegenüber den arbeitenden Menschen“, kritisierte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger das geplante Bürgergeld ganz selbstlos. Und Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, sagte: „Es sorgt für Demotivation bei denjenigen, die mit einem geringen Gehalt regulär arbeiten.“

Der Ärger der Vertreter derer, die ihr Geld mit Anderearbeitenlassen verdienen, ist verständlich: Dem Volk fehlt bald nicht mehr nur das Gas zum Heizen und die Butter auf dem Brot, sondern auch die Motivation zur Arbeit. Ein Schelm, wer in ihren Einlassungen Neid auf 53 Euro mehr Grundsicherung erkennt. Während auch Unionspolitiker als parlamentarische Restvernunft nörgeln, verteidigen SPD und Grüne das Unglaubliche entschuldigend.

Bürgergeld klinge doch nur besser als Hartz IV, der Fuffi gleiche höchstens die Inflation aus. Und wenn das Bürgergeld so nah an die Löhne komme, könnten die Anderearbeitenlasser doch vernünftige Löhne zahlen, lamentieren Gutmenschen. Warum sollten sie? Den Wert einer Gesellschaft erkennt man schließlich daran, wie sie mit ihren Reichen umgeht. Diesen Glaubenssatz kann in Deutschland selbst die engagierteste Krisenpolitik nicht erschüttern.

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Volkan Ağar
Redakteur taz2
Kolumnist (Postprolet) und Redakteur im Ressort taz2: Gesellschaft & Medien. Bei der taz seit 2016. Schreibt über Soziales, Randständiges und Abgründiges.
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36 Kommentare

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  • Wichtig wäre die Eingliederungshilfe für Unternehmer, bei Brschätigungsaufnahme eines Arbeitslosen in ihrem Unternehmen , endlich einmal zuerhöhnen,, sonst steigen noch die Personalkosten ...

  • Vulkan Agar, sehr schöner Text, vielen Dank.



    Und sehr treffend formuliert.

  • So lange es eine "ArbeitsERSATZleistung" gibt, wird es dauerhaft und nachvollziehbarerweise die Neiddebatte geben. Die einzige sinnvolle Antwort:

    Grundeinkommen.

    Da man es unabhängig von Arbeit bekommt, lohnt es sich immer einer Arbeit nachzugehen. Neid-Problem gelöst.

  • Sehe ich das richtig, dass ich einfach ein bisschen arbeiten muss, sagen wir mal 3 Monate, um danach wieder in den Genuss von 2 Jahren Schonfrist beim Bürgergeld (Vermögen, Wohnung) kommen zu können? Kann ich das dann beliebig oft wiederholen? 3 Monate arbeiten, 2 Jahre Bürgergeld, 3 Monate arbeiten, 2 Jahre Bürgergeld, usw.?

  • der fuffi mehr ...

    macht den kohl nicht fett.

    zwei jahre in der alten bude:



    wohin auch sonst?



    schlichtbuden gibt es so gut wie nicht.

    wenn die erstmal gebaut sind, geht das große umziehen los.

    der name bürgergeld.



    nicht mehr wie, einmal über die tafel gewischt und hartz4 kosmetisch ersetzt.

    was fehlt im lande?



    u.a. kapitalerträge höher zu besteuern, als lohnarbeit.



    - europäisch der steuervermeidungsindutrie die rote karte zeigen.

  • Ich frage mich wirklich, wofür manche das ganze Geld benötigen. Ich bekomme ca. über 330 Rente + Wohngeld (150). Ich habe keine Grundsicherung (wäre insgesamt ca. 120) beantragt noch gehe ich zur Tafel. Und trotzdem lebe ich nicht schlecht und kann mir ab und zu einen kleinen Urlaub leisten.

    • @Warum_Nur:

      Dann können Sie sehr wirtschaften. Das ist nur wenigen in die Wiege gelegt.

      Oder Sie gönnen sich kaum mal was Schönes.

      Oder beides.

      • @Diogeno:

        ...oder " Warun-Nur " lebt in Indonesien- da kommt mann mit 500 Euro auf Kosten der dortigen Bevölkerung gut durch den Tag...

  • taz: "Leis­tungs­emp­fän­ge­r:in­nen sollen in den ersten sechs Monaten – außer bei Meldeversäumnissen – nicht mehr sanktioniert werden. Danach sind Kürzungen von 30 Prozent erlaubt."

    Wie soll man es denn auch sonst schaffen, dass Deutschland weiterhin der 'Exportweltmeister von Europa' bleibt? Die "Vermittlungsvorschläge" der Jobcenter beruhen nämlich auf § 10 SGB II und mit diesem Paragraphen kann man sogar aus einem arbeitslosen Ingenieur einen Hilfsarbeiter machen, wenn es dem klimaschädlichen Wirtschaftswachstum "nützlich" erscheint. Gibt es eigentlich noch eine weitere Behörde in Deutschland, wo der Bürger auch einen "Knebelvertrag" (Eingliederungsvereinbarung (EGV)) unterschreiben muss - der seine bürgerlichen Rechte einschränkt - oder hat man nur den Jobcentern dieses 'Sonderrecht' eingeräumt? Mit der EGV, die der Arbeitslose unterschreiben muss, kann man nämlich geschickt das Grundgesetz umgehen und aus "Bürgern mit Rechten" so etwas wie "Leibeigene" machen.Bei einem Jobcenter handelt es sich doch 'angeblich' um eine Behörde, die der Aufsicht des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) untersteht, und damit ist doch ein "Vertrag" mit den eigenen Bürgern gar nicht nötig, besonders wenn die Jobcenter als echte Behörden agieren möchten. Aber mit diesem "Vertrag" kann man das Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG - Einschränkung von Grundrechten durch ein Gesetz)aushebeln. Mal eine Frage: Würde eine echte Behörde in einem demokratischen Sozialstaat so etwas machen?

    Die Arbeitgeber wollten das Hartz-IV-Sanktionssystem auf jeden Fall behalten, weil Hartz IV sich nämlich seit Jahren als gutes Zwangsmittel bewährt hat, um Betroffene in den Billiglohn zu treiben. Und wie es jetzt ausschaut haben die Arbeitgeber das ja auch erreicht, denn Hartz IV bekommt nur einen neuen Namen. Aus dem Schokoriegel Raider (Hartz IV) wurde Twix (Bürgergeld), aber der Inhalt der Zutaten (Bevormundung, mickriger Regelsatz und Sanktionen) hat sich trotzdem nicht geändert.

    • @Ricky-13:

      "Führsorgliche Belagerung" (Detlef Scheele) :

      If the Postman always rings twice - dann ist es nicht der Postbote, sondern ihr persönlicher Coach vom Jobcenter.

      Die Politik wird die Lenkungshoheit über das Geschehen nicht aufgeben. Natürlich sind die Sanktionen nicht weg. Auch die "subtileren" Möglichkeiten des "Reiz-Reaktion-Schemas" "Fördern&Fordern fallen nicht weg. Der Verein "Bürgergeld - Verein für soziales Leben e. V.:

      *Zur Verbreiterung ihres Förderspektrums ist es der Agentur für Arbeit oder einem durch diese



      beauftragten Dritten nunmehr möglich eine ganzheitliche Betreuung, genannt Coaching, durchführen. Das Coaching hat das Ziel eines grundlegenden Aufbaus der Beschäftigungsfähigkeit von erwerbsfähigen Bürgergeldbeziehern, die aufgrund von komplexen Problemlagen eine besondere Marktferne aufweisen. Das Coaching kann auch aufsuchend oder beschäftigungsbegleitend erfolgen.*

      Und:

      *Ziel des neuen Verfahrens im Rahmen des Anspruchs auf Bürgergeld ist es, ein Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Verwaltung herzustellen.

      Dazu dienen die beiden folgenden Verfahrensschritte, (..)

      Es soll die Möglichkeiten der Menschen in den Mittelpunkt stellen, also deren Stärken und Entwicklungsbedarfe. Diese werden durch ein Kompetenzfeststellungsverfahren ermittelt. Sogenannte Soft Skills werden dadurch zertifizierbar.*

      Die Teilhabevereinbarung halt die Angebote und Maßnahme fest, die mittels des Kompetenzfeststellungsverfahrens ermittelt worden sind. Sie gilt für 6 Monate. Danach kann sie ergänzt und an die neue Situation angepasst werden.



      In der Teilhabevereinbarung werden auch die Mitwirkungspflichten des Bürgergeld-Beziehers festgehalten.*

      www.buerger-geld.org/

      Ich will das Bürgergeld nicht schlechter oder besser reden. Man wird aber sehr genau darauf achten müssen, wie die eben genannten Steuerungsmöglchikeiten ausgestaltet und umgesetzt werden.

      Der Hartz IV-Teufel steckt in den Details des Bürgergeldes und kann weiterhin spitze Hörner haben.

    • @Ricky-13:

      Danke für den außerordentlich wichtigen Kommentar. Es ist wirklich wichtig diese Frage zu stellen. Warum darf das Jobcenter (sittenwidrige) Knebelverträge nutzen (Eingliederungsvereinbarung), wo es doch eigentlich um finanzielle Leistungen zur Sicherung der Existenz geht.

      Aus Hartz IV wurde nun Hartz V und die Grünen sollten sich schämen, dass sie dieses "Armutszeugnis" abermals (nach 2004) durchgewunken haben.

      Die Grünen können nicht "Sozial". Auch wenn die Parteimitglieder sich dieser Illusion hingeben. Von der ehemals "Sozialen Partei Deutschlands" (SPD) war ja nix anderes zu erwarten. Die sind seit Schröder Genosse der Bosse (und Menschenschlächter).

      Und die FDP? Ja die macht natürlich Reichenpolitik wie eh und je. Bis der ganze Planet vollkommen geplündert, der letzte Arbeitssklave restlos ausgebeutet ist.

      • @Goldi:

        Cui bono? (lateinisch für "Wem zum Vorteil?") fragte der Römer, wenn er es mit einem Gesetz oder mit Regierungsmaßnahmen zu tun hatte. Heute ist 'cui bono' ein geflügeltes Wort, mit dem die Frage nach dem Nutznießer bestimmter Ereignisse oder Handlungen gestellt wird. "Wem zum Vorteil?" oder "Wem nutzt es?" kann man auch fragen, wenn man sich einmal § 10 SGB II oder diesen sogenannten "Vertrag" anschaut, den die Bundesagentur für Arbeit (BA) den harmlosen Namen ‘Eingliederungsvereinbarung’ gegeben hat, damit der naive Bürger nicht mitbekommt, dass Arbeitslose in einer staatlichen Behörde einen Knebelvertrag unterschreiben müssen, der in Verbindung mit dem Sozialgesetzbuch II deren Grundrechte aushebelt - ich erwähnte ja schon den Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG, den die JC-"Behörde" dann nicht beachten muss. Nun ja, "wem es nutzt" ist klar, denn die Hartz-Reform gibt es seit 2003 und die Ausweitung des Niedriglohnsektors wird immer noch betrieben, damit die deutsche Wirtschaft innerhalb Europas ihre Stellung als Exportweltmeister halten kann; was die übrigen europäischen Länder natürlich wirtschaftlich extrem unter Druck setzt. Und damit dieser "Erfolg" von Hartz IV auch ja nicht abbricht, hat man jetzt einfach Hartz IV in Bürgergeld "umetikettiert" und den Regelsatz nur so weit erhöht, damit man den Freibetrag für die Einkommenssteuerzahler auch nicht sonderlich erhöhen muss, denn so spart man auch an den Einkommenssteuerzahlern viele Milliarden Euro. Prof. Dr. Sell (Professor für Volkswirtschaftslehre) sagte schon vor Jahren: "Das scheint der zentrale Grund zu sein, warum die Politik eine Anhebung der Hartz IV Sätze scheut wie der Teufel das Weihwasser".







        Millionen Hartz IV Empfänger/Bürgergeldempfänger sollten ihr Leben aber dennoch positiv sehen, denn sie sorgen dafür, dass 100.000 BA/Jobcenter-"Beamte" nicht arbeitslos werden und der oberste Chef der Bundesagentur für Arbeit auch weiterhin sein Jahresgehalt von 300.000 Euro vom Steuerzahler bekommt.

  • Der Diskussionsbeitrag Dulgers ist wohl auch als Teil einer Neiddebatte zu verstehen.

    Wer ein Freiwilliges soziales Jahr macht, erhält einen Stundenlohn von höchstens rund 2,60 €. Höchstens 423,- € monatlich für eine 40-Stunden-Woche. Viele bekommen nur unter 400,- €.

    Private Arbeitsgeber neiden das dem Staat, wo sie doch Mindestlohn zahlen müssen.

  • Naja, die Berechnungen sind schon recht real. 2.500 € brutto reichen für kaum mehr als das Bürgergeld plus Minijob, insbesondere weil an diesem ja noch viele Vergünstigungen hängen, die man als Gehaltsempfänger nicht hat. Die Motivation großer Bevölkerungsgruppen auf Arbeiten gehen wird damit nicht gesteigert. Und wenn jetzt das unberührbare Inlandsvermögen auf 60.000 erhöht wird und das Auslandsvermögen gar nicht mehr geprüft wird, kann man sich doch schon ausmalen, was passiert.



    Und in 5 Jahren haben wir dann Wahlergebnisse wie in Italien, Frankreich, Schweden oder Dänemark. Grüne sind dort alle nicht (mehr) an der Macht.

  • Es sollten eben auch die niedrigen Löhne deutlich erhöht werden. Denn Menschen mit Mindestlohn und etwas darüber fallen im Rentenalter wieder in die Grundsicherung, und in der Erwerbszeit sorgen sie für die Gewinne der mokierten Arbeitgeber. Über die leistungslosen Vermögenszuwächse der Grunstücksbesitzer regt sich interessanterweise niemand auf.

  • wiki.unionbusting....tle=Prominent_GmbH



    Dieser "Arbeitgeberpräses" Dulger hat noch ganz andere Gründe hier zu kritisieren - das gehört auch dazu!

  • Ulkigerweise hat unser Zeitungsausträger - TAZ dabei - seinen Abgang verkündet, da sich da Herumlatschen nicht mehr rechnen wird.

  • Sehr geehrter Herr Agar,

    Sie avancieren zu einem meiner liebsten Kolumnisten. So wahr und ehrlich und sarkastisch...

  • Lieber Herr Dulger,

    als arbeitender Mensch fordere ich von Empfängern des Bürgergeldes keine Fairness und Respekt ein. Fairness und Respekt von Seiten der Arbeitgeber, ja doch, das wäre durchaus wünschenswert.

  • Eine Neidgesellschaft, die Habenichtsen das Schwarze unter den Nägeln nicht gönnt und Reiche verhätschelt. Haben die sich alles hart erarbeitet?

  • @DIETER JOACHIM SCHÄFER

    "wenn jemand wie Lindner unbedingt mit Pomp usw. heiraten will und das selbst bezahlt: ok, kein Problem ..."

    Ja wenn. Und was auch immer "selbst" hier heisst.

    • @tomás zerolo:

      Das "armselige Gehalt", das Christian Lindner (FDP) vom Steuerzahler seit Jahren bekommt (zuerst jahrelang eine schäbige Abgeordnetenentschädigung von 10.000 € und jetzt als Finanzminister auch nur lächerliche 15.000 € im Monat) reicht für Lindner nun aber wirklich nicht aus. Aus dem Grund musste er sich ja auch noch Nebentätigkeiten suchen, damit das Geld für ihn dann auch endlich mal zum Leben reicht und er von den paar Groschen 'Zuverdienst' sich wenigstens auf der ärmlichen Nordseeinsel Sylt eine Hochzeit leisten konnte. ***In der 19. Legislaturperiode (Stand August 2020) erhielt Christian Lindner (FDP) mindestens 424.500 Euro aus Nebentätigkeiten und damit gehört Lindner zu den Mitgliedern des Bundestags mit den höchsten Nebeneinkünften. [Quelle: Abgeordnetenwatch]***. Ist es nicht erbärmlich, dass unsere Volksvertreter sich schon Nebentätigkeiten suchen müssen, damit das Geld endlich mal zum Leben ausreicht, während Hartz IV/Bürgergeldempfänger kaum noch wissen wo sie ihr ganzes Geld noch verprassen sollen und dem Staat nur frech auf der Tasche liegen?

      ***Christian Lindner - Nebeneinkünfte (abgeordnetenwatch)*** www.abgeordnetenwa.../nebentaetigkeiten

  • Problem in Deutschland aus meiner Sicht: die Löhne für relativ einfache, aber anstrengende Tätigkeiten sind viel zu niedrig, es macht keinen Sinn, sich dafür die Gesundheit kaputt zu machen (unergonomische Arbeitsplätze/Werkzeuge usw.) wenn man vom Jobcenter zwar ein bisserl weniger bekommt, dafür genug Zeit hat, sich "irgendwie" etwas dazu zu verdienen.

    Eine Haushaltshilfe ("Putzfrau") sollte doch min. 20,- €/h wert sein (siehe Löhne in der Schweiz), ob eine Sachbearbeiterin in einem "Bürgerbüro" (früher hiess das mal Gemeinde- bzw. Stadtverwaltung) ihr Geld wert ist: da habe ich ehrlich Zweifel: in diesem Job sitzt man einfach im Warmen oder Home-Office, hat nichts zu entscheiden/verantworten (das macht die Software...) und seit Corona hat man auch "Security" usw. falls ein "Kunde" mal frech wird...

    PS: was "unergonomische" Arbeitsplätze angeht: da habe ich in den letzten Jahren bei meiner Partnerin, die als Musikerin dank Corona plötzlich in andere Welten geworfen wurde, so einiges gesehen - ich war/bin seit Jahrzehnten an Normen wie ISO 9001 und die entspr. Zertifizierungen gewöhnt, "dank Corona" musste ich feststellen, dass inzwischen weder die Logistik-Branche noch die mittelständische Industrie sich um diese Vorgaben/Vorschriften kümmert... Bei meinem letzten Auftrag in der Logistik-Branche (2009, DHL) sah das noch ganz anders aus, war sogar eher ein Hindernis (aber ein verständliches...)

    PPS: wenn jemand wie Lindner unbedingt mit Pomp usw. heiraten will und das selbst bezahlt: ok, kein Problem - nur schlechter Stil. Wenn allerdings irgendwelche Anteile der Kosten plötzlich "berufsbedingt" sind usw., dann wird es kritisch. Aber generell: egal, wie man zu diesen Personen steht, mit ihrem eigenem Geld dürfen und sollen sie machen, was sie wollen - solange es niemand anderem schadet.

  • "Es sorgt für Demotivation bei denjenigen, die mit einem geringen Gehalt regulär arbeiten.“'

    Da muss ein Missverständnis vorliegen. Für demotivation dürfte doch wohl das geringe Gehalt sorgen. Unglaublich, wer mit welchen verkürzten Dummheiten man hier bis an die Spitze der Unternehmensverbände gelangen kann.



    Gerade das Handwerk hat sich selbst über viele Jahre mit unverschämten Minilöhnen (teilweise 7 Euro im Osten), schlechten Arbeitsbedingungen ("Wir haben diesen tollen Auftrag, die nächsten 6 Wochenende müsst ihr leider arbeiten."), zuwenig Urlaub, mangelnder Alterstauglichkeit usw. dauerhaft einen schlechten Ruf eingebrockt.

    • @Kabelbrand Höllenfeuer:

      "Unglaublich, wer mit welchen verkürzten Dummheiten man hier bis an die Spitze der Unternehmensverbände gelangen kann".



      Genau wegen verkürzter Dummheiten gelangt man an die Spitze der Verbände.

  • Wichtig ist, dass kein Bezieher von HartzIV/Bürgergeld in diesem Winter frieden muss. Alle Mehrkosten werden von der zuständigen Kommune übernommen.

    • @casio:

      Es werden "angemessene" Kosten für Heizung übernommen. Wenn die Nebnkosten durch die Decke gehen, werden viele Empfänger die zulässigen Mietgrenzen überschreiten und ihre Wohnung verlieren.



      Hauptproblem dürfte allerdings der Strom werden, im Regelsatz sind nur 36 Euro für Strom + Wohnungsinstandhaltung vorgesehen.

      • @Kabelbrand Höllenfeuer:

        Bitte keine Panik verbreiten. Nach der neuen Regelung verliert in den ersten zwei Jahren die Wohnung - egal ob Penthouse oder Einliegerwohnung. Bürgergeldempfänger sind vor Räumung - auch bei Mehrkosten - geschützt. Das neue Bürgergeld sichert dies ab.

  • Da geht es nicht mal so sehr um 50 € mehr oder weniger im Monat, sondern um die ganzen Bonis, die mit dem Bürgergeld einhergehen. 6 Monate Sanktionsfreiheit, 2 Jahre garantierte Mietübernahme von Wohnungen, die ausserhalb der qm² oder Miethöhen-Grenze liegen, 3 Jahre Weiterbildungszeit die mit 150 € pro Monat honoriert wird. Schonvermögen in Höhe von 60 000 € pro Person, Vermögenswerte im Ausland dürfen erst gar nicht berücksichtigt werden. Zum Vergleich : Das Schonvermögen der Grundsicherung beträgt 5000 €, und da prüft man vorher den Zahlungsverkehr der letzten 5 Jahre auf "versteckte" Ungereimtheiten.



    Das alles Zusammen ergibt ein Paket, was viele Geringverdiener, vor allem diejenigen die Frau und Kind daheim haben, ermutigen wird statt einer Vollzeit-Arbeit lieber Bürgergeld zu beantragen.

    • @SeppW:

      Etwas "spitz" formuliert: Das Bürgergeld ist ein Geld für alle Bürger. Da kommen auch die Bürger "Arbeitgeber" nicht zu kurz.

      Die bekommen auch ihre "Boni".

      Künftig werden berufsqualifizierende Maßnahmen nicht mehr zwei, sondern drei Jahre dauern können. Einfach weil man den Erwerbslosen mehr Zeit zugestehen will, Berufsabschlüsse nachzuholen.

      Für die Arbeitgeber bedeutet das, dass sie von dieser - aus Steuermitteln finanzierten - Leistung profitieren. Die Zahl der von denen angebotenen AusbildungsPLÄTZE stagniert, bzw. sinkt seit über einem Jahrzehnt.

      Die dürfen jetzt umso mehr, die Ausbildung der "schwierigen Fälle" für eine künftige Facharbeiterschaft, die den Arbeitgebern ja so sehr fehlt, dem Staat überlassen. Und kriegen sie dann Ausbildungskostenlos.

      Ein schöner Boni.

      Aber pssst. Davon spricht man bei den Arbeitgeberverbänden nicht so gern.

    • @SeppW:

      Das soll jetzt kritisch darauf hinweisen, dass das Bürgergeld nicht den bereits ganz Armen zugutekommt, oder wie ist der Kommentar zu verstehen?



      Ist es dem erstrebenswert, die noch nicht ganz Armen abstürzen zu lassen? Das ist auch eine seltsame Art von Neid.



      Und welches Weltbild blinkt denn da noch hervor: "Geringverdiener, die Frau und Kind zu Hause haben"? Klassische Versorgerehe heute noch als Normalfall?!

      • @blutorange:

        "Und welches Weltbild blinkt denn da noch hervor: "Geringverdiener, die Frau und Kind zu Hause haben"? Klassische Versorgerehe heute noch als Normalfall?!"

        Laut Statista ist eine Versorgerehe mit einem Einkommen (Mann arbeitet, Frau bleibt zu Hause) die am häufigsten im Land anzutreffende Erwerbskonstellation, dicht gefolgt von Vollzeit Mann / Teilzeit Frau.

    • @SeppW:

      Vielen Dank für diesen vernünftigen Kommentar.



      Adressat des Bürgergelds sind nur zum kleinen Teil die Armen, die einen Inflationsausgleich durch die Erhöhung des Regelsatzes erhalten. Der eigentliche Adressat ist die Mittelschicht, deren Abstiegssorgen gemildert werden. Auch eine "Brücke zur Rente" ist nun wieder möglich, wenn der Arbeitsgeber mitspielt. Abfindung in Höhe des Schonvermögens, Häuschen abbezahlt.. 24 Monate ALG I, dann zwei Jahre Bürgergeld und ab in den wohlverdienten Ruhestand. Ob dies die notleidende Klientel von Herrn Agar ist?

      • @weaver:

        Ich würde niemanden raten, dass von Ihnen angedachte „Modell“ in Anspruch zu nehmen. Frühverrentungen erfolgen, auch gegenwärtig, in großer Zahl auf Drängen des Arbeitgebers, um ältere Arbeitskräfte auszusortieren.



        Ihr Modell bedeutet zwei Jahre Alg. 1-Bezug, Versicherungsleistung. In der Zeit wird ein Rentenanspruch erworben. In den zwei Jahren „Bürgergeld“ wird soweit ich die vom Kabinett beschlossene Gesetzesvorlage kenne, kein Rentenanspruch erworben werden. Genauso wie bisher auch nicht.



        Ebenso konnte ich nichts dazu finden, dass die bisherige Regelung für „Hartz IV-Bezieher“ aufgehoben wird, mit dem vollendeten dreiundsechzigsten Lebensjahr in die vorgezogene Rente gehen zu müssen. Da wird sich nichts ändern.



        Die von mit den von Ihnen genannten vier Jahren, müssen also als vor dem neunundfünfzigsten Lebensjahr angesetzt werden. Damit verlieren sie sechs Jahre. Zwei Jahre von dreindsechzig bis fünfundsechzig. Dazu zwei Jahre ohne Rentenanspruch zu erwerben. Und zwei Jahre mit geminderten Rentenansprüchen.



        Bevor davon die letzten zwei Jahre im Bürgergeld auslaufen, müssen sie mit dem Schonvermögen klug umgehen. Denn das wird danach „angerechnet“. Denn sie müssten dann allein daraus ihren Lebensunterhalt bestreiten. Im Bürgergeld bzw. vorher können sie, wenn denn die Abfindung so hoch ist, die in die Altersvorsorge stecken. Falls es da Möglichkeiten gibt. Im Bürgergeld sollen alle Versicherungen, die der Altersvorsorge dienen, nicht mehr beim Schonvermögen angerechnet werden. Gegenwärtig ist das komplizierter. Das ist o.k. und legal aber zum Lebensunterhalt im gleichwohl knappen Bürgergeld haben die das Geld nicht mehr. Gut, dann gibt es die Nebenverdienstmöglichkeiten.



        Nur sollte man sich auf eine mit so vielen Ungewissheiten behaftete Zeit einlassen?



        Die Arbeitgeber werden sich über solche Möglichkeiten freuen. Da steckt ein „Boni“ für die Arbeitgeber drin. Es ist ja ein Bürgergeld. Alle Bürger sollen was davon haben. Da merkt man auf.

        • @Moon:

          Vielen Dank für die Infos. Hier scheint sich jemand wirklich auszukennen.



          Es ist jedoch zu befürchten (oder zu hoffen, je nach Standpunkt), dass durch das Bürgergeld ein Paradigmen-Wechsel stattgefunden hat und die Vorgabe "Nachrangigkeit" immer weiter aufgeweicht wird.



          Selbst bei Hartz 4 wurden bereits Ausnahmen von der Zwangsverrentung mit 63 gemacht, wenn die "Rente für besonders langfristig Versicherte" nur wenige Monate später angetreten werden konnte.

    • 0G
      06455 (Profil gelöscht)
      @SeppW:

      Das sind wirklich seltsame Regeln.