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Nazi-Pamphlet und Bayerische LandesregierungSöder hält vorerst an Aiwanger fest

Wegen des Nazi-Flugblatts fordert Bayerns Ministerpräsident Markus Söder von Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger Antworten auf 25 Fragen.

Markus Söder auf der Pressekonferenz: Das Problem Aiwanger wird erst mal vertagt Foto: Matthias Balk/picture alliance

München dpa | Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erhöht in der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt den Druck auf seinen Stellvertreter Hubert Aiwanger. Der Freie-Wähler-Chef solle einen Katalog mit 25 Fragen schriftlich beantworten, sagte Söder nach Beratungen im Koalitionsausschuss am Dienstag in München. Aiwanger habe zugesagt, die Fragen zu beantworten.

Erst danach könne man den Fall abschließend bewerten, sagte Söder. Eine Entlassung aus dem Amt des Wirtschaftsministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten wäre zum jetzigen Zeitpunkt „ein Übermaß“, so der CSU-Chef. Eine Frist zur Beantwortung der Fragen nannte er zunächst nicht.

Söder hatte am Dienstag eine Sondersitzung des Gremiums einberufen, Aiwanger sollte dort persönlich Stellung nehmen zu den Vorwürfen. Der 52-Jährige hatte am Samstagabend schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten in den 1980er Jahren ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die Süddeutsche Zeitung berichtet hatte.

Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien „ein oder wenige Exemplare“ in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf gestand Aiwangers älterer Bruder ein, das Pamphlet geschrieben zu haben. Später sagte er, er glaube, dass sein Bruder Hubert die Fluglätter wieder habe einsammeln wollen. Söder reichen diese Erklärungen aber bislang nicht aus.

In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Die CSU hatte bislang stets erklärt, die Koalition mit den Freien Wählern nach der Wahl fortsetzen zu wollen. Alle Umfragen hatten bis zuletzt auch fast keinen Zweifel daran gelassen, dass dies möglich sein wird – wobei die Freien Wähler zuletzt bei 11 bis 14 Prozent lagen. Die CSU regiert im Freistaat seit 2018 zusammen mit den Freien Wählern.

Die Landtags-CSU wollte die Koalition auch am Dienstag grundsätzlich fortsetzen. Ein schwarz-grünes Bündnis wurde bei Online-Beratungen des erweiterten CSU-Fraktionsvorstandes am Dienstagfrüh ausgeschlossen, wie die Deutsche Presse-Agentur von Teilnehmern erfuhr. Allerdings gab es in der Runde demnach ebenfalls den Ruf nach weiterer Aufklärung.

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15 Kommentare

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  • "Allerdings gab es in der Runde demnach ebenfalls den Ruf nach weiterer Aufklärung."



    /



    Wenn bislang hier keiner log:



    Kein Problem der Katalog.



    Und was dann noch besser ist,



    Aiwanger braucht keine Frist.



    Der gewohnt ist freie Rede,



    Antwortet hier 'stante pede'.



    Bin gespannt, was er zu sagen



    Hat zu diesen 'Söder-Fragen',



    Ob er macht hier 'reinen Tisch',



    Oder oberflächlich 'wisch'.



    Sicher für Söder es wäre



    Schöner ohne die Affäre.



    Das alles ist nicht zum Lachen



    Oder schale Witze machen:



    Im Bierzelt bei Fest-Geplänkel



    Hau'n sie sich nicht auf die Schenkel,



    Denn bei Antisemitismus



    Ist's mit guter Laune Schluss.



    Hoffentlich Gesamt-Union



    Bleibt contra in harschem Ton



    Zu des Pamphlets Position,



    Gute Stimmen gab es schon.



    Für Freistaat ist von Interesse,



    Dass der Wäh_ler 's nicht vergesse!



    Urnengang ist bald in Bayern -



    Ob Aiwanger wird dann feiern?

  • Man kann das mutmaßliche Flugblatt im Internet Googeln, der Inhalt ist menschenverachtend, faschistoid und verachtet ALLE Opfer der Gestapo und der NS-Konzentrationslager zutiefst. Explizit antisemitisch ist er nicht. Sicher hätte der Inhalt schon vor 35 Jahren den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Da der Umstand aber so lange zurück liegt und die Beschuldigten zudem Minderjährig waren ist die Sache rechtlich nicht mehr relevant. In diesem Sinn kann Herr Söder vielleicht die Koalition kündigen, Aiwanger irgendeines Amtes entheben oder aus dem Parlament schmeißen kann er gegen dessen Willen nicht. Der Mann wird wohl schon erkannt haben, dass er politisch ruiniert ist und gehen muss. Und die CSU wird weiter mit den freien Wählern koalieren, eben ohne Aiwanger. Dass die SZ den uralt Skandal so kurz vor der Wahl unter Verweis auf einen anonymen Zeugen publiziert zeugt nicht von Unabhängigkeit, Respekt, Fairness oder sonderlich demokratischer Gesinnung. Einer so renommierten überregionalen Tageszeitung eigentlich unwürdig. Wie auch immer, etwas scheint was dran zu sein an der Geschichte und wäre ich in der Verlegenheit, ich würde den Mann nicht mehr wählen.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Vielleicht machen die das so:



    de.wikipedia.org/wiki/Jeopardy!

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Oder so:

      "Der, die, das, wer, wie, was, wieso, weshalb, warum, wer nicht fragt, bleibt dumm"

      www.youtube.com/watch?v=2wk2Q3emUq8

      Interessieren würden mich die Fragen schon.

      25, das ist eine ganze Menge.

      • @Jim Hawkins:

        1. Was fühltest du dabei?



        2. Wie fühltest du dich danach?



        3. Wieso hast du das gedruckt und nicht per Hand geschrieben?



        4. Welche Tinte haste beim Drucken benutzt?



        5. Welche Maschine hast du benutzt?



        6. Wusste deine Mutter davon?



        7. Wusste dein Vater davon?



        8. Wieso meldete sich plötzlich dein Bruder?



        9. Wieso wusste ich nicht, dass du einen Bruder hast?



        10. Ist dein Bruder auch politisch aktiv?



        11. Meinst du, dein Bruder will für unsere Koalition arbeiten?



        12. Ist dein Bruder auch so klein wie du?



        13. Wie groß bist du eigentlich auf den cm genau?



        14. Was macht das in Fuß umgerechnet?



        15. Können wir öfter nebeneinander posieren? Komme mir dann immer so groß vor.



        16. Sollte ich zurück zum eigentlichen Thema?



        17. Wieso antwortest du nicht?



        18. Achso stimmt ja, du musst die Fragen erst lesen, stimmts?



        19. Haste vor sowas noch mal zu schreiben?



        20. Kannste mir dann vorher Bescheid geben?



        21. Wer sind in deinen Augen eigentlich Verräter?



        22. Was hältst du eigentlich von der Idee ab jetzt alle Treffen der Landesregierung bei mir zu Hause abzuhalten?



        23. Es wäre viel schöner, wenn sich die Anzahl der Fragen durch 5 teilen lässt, oder?



        24. Wie alt ist eigentlich dein Bruder?



        25. Bist du ebenfalls stolzer Besinder 2er Hunde?

        • @Karim Abidi:

          Vielen Dank dafür, dass Sie Licht ins Dunkel gebracht haben!

  • Fatale Entscheidung des bayerischen MP. Eine Entlassung Aiwangers wäre angemessen, kein „Übermaß“ gewesen. Eigentlich hätte Aiwanger von sich aus zurücktreten müssen, aber wahrscheinlich nicht zu erwarten in derlei Kreisen.



    Ein Land, welches ständig vorgibt, Antisemitismus auch strafrechtlich verfolgen zu wollen, macht sich im Ausland absolut unglaubwürdig.



    Ebenso, wer beständig tatsächlichen oder vermeintlichen linken und islamischen Antisemitismus anprangert, aber solche widerlichen Pamphlete als Jugendsünde abtut und nicht sehen will, dass hierzulande der Fisch vom Kopf her stinkt.

    • @Abdurchdiemitte:

      "Ebenso, wer beständig tatsächlichen oder vermeintlichen linken und islamischen Antisemitismus anprangert, aber solche widerlichen Pamphlete als Jugendsünde abtut und nicht sehen will, dass hierzulande der Fisch vom Kopf her stinkt."



      Tja, der Vorwurf des Antisemitismus ist halt nur so lange schön, wie er einem selbst nutzt um die politischen Feinde und andere Feindbilder zu diskreditieren oder um seine außenpolitischen Ansichten als alternativlos darzustellen. Konservative sind Meister wenns um Heuchelei geht

    • @Abdurchdiemitte:

      Und wie kommen Sie zu dem Schluss? Weil er vermutlich irgendwas gemacht hat. Gilt bei Ihnen der Grundsatz "Schuldig bis die Unschuld bewiesen ist? Nehmen wir an, der Vorwurf wird entkräftet, was dann? Genau wegen solchen voreiligen Schlüssen sollten Journalisten vorsichtig sein.

      • @DiMa:

        Meinen Sie nicht, dass die Causa Aiwanger anderswo nicht genau so kritisch beäugt wird wie seinerzeit der documenta-Skandal? Weil es sich nicht um Berlin handelt, sondern um die bayerische Provinz? Und es sich bloß um eine Jugendsünde handelte, längst verjährt und daher belanglos?



        War es verantwortungsloser Journalismus oder eine Kampagne von der SZ, diesen antisemitischen Skandal von vor 35 Jahren ausgerechnet jetzt ausgegraben zu haben, sechs Wochen vor der bayerischen Landtagswahl?



        Wann ist denn Ihrer Meinung nach der richtige Zeitpunkt, über den latenten Antisemitismus in der Mitte unserer Gesellschaft zu sprechen? Nur während der documenta oder wenn anlässlich von BDS-Demos auf deutschen Straßen antizionistische Parolen skandiert werden?

        • @Abdurchdiemitte:

          Beim documenta-Skandal war die Sache einfach klar und die Reaktionen des Künstlerkollektiv hatten das noch vertieft. In der Causa Aiwanger/SZ muss einfach aufgepasst werden, dass Vermutungen nicht zu Fakten werden. Das wäre recht einfach gewesen, indem man deutlich gemacht hätte, dass es sich derzeit nur um Vermutungungen handelt.

          Am Ende haben wir möglicherweise kein Problem mit Herrn Aiwanger, sondern mit der SZ.

          • @DiMa:

            Was denn für "Vermutungen"? Das Blatt liegt doch vor, die Recherchen sind eindeutig und dass Aiwanger damit zu tun hat, hat er eingeräumt.



            Zumal gestern rausgekommen ist, dass das in seinem Dorf alles ängst bekannt war und jeder von dem Flugblatt wusste (und dass von dem älterem Bruder nie die Rede war).



            www.t-online.de/re...latt-gewusst-.html

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    25. In Bayern gehen die Uhren anders.

  • Markus Söder. Ganz schwach. Statt dem Fragenkatalog wäre der blaue Brief bzw. die rote Karte die richtige Antwort gewesen. So müssen es die Wähler/innen tun.

  • Aiwanger laviert.



    Das Drama: die Frage ist nicht was Aiwanger im Alter von 16Jahren gemacht hat, sondern wie er heute damit umgeht.



    Es gibt ja wohl kaum jemand die/der als Teenager nicht irgendwelchen abstrusen Gedanken gefolgt ist. Zur damaligen Zeit, als "geläuterte ehemalige Nazis" noch mit markigen Sprüchen warben wie: rechts neben uns ist nur noch die Wand, das "blonde Fallbeil" unkommentiert von der durchrassten Gesellschaft faseln konnte,



    da war halt auch für einen sechzehn Jährigen ein antisemitischer Spruch in mancher Lehrerschaft durchaus nur eine Randnotiz. Leider scheint das halt auch für Aiwanger und sein Ministerpräsident heute noch der Fall.



    Damit umzugehen heisst halt auch die eigenen Untaten zuzugeben und als schlimmen Fehler klar im Detail zu verantworten. Ein Täter der die Tat zwar bedauert aber das Motiv unerwähnt intakt lässt, verwirkt die Überzeugung gereift respektive geläutert zu sein.



    Sein Ministerpräsident sollte mit ihm den Dienst quittieren und zwar schnell.