Nawalny will nach Russland zurück: In todernster Lage

Alexej Nawalny plant die Rückkehr nach Russland – obwohl ihm dort Haft droht. Politisches Märtyrertum aber zahlt sich in Russland nicht aus.

Alexej Nawalny gestikuliert mit Mikrofon in der Hand

Will weiter in der Heimat Oppositionsarbeit machen: Regimekritiker Alexej Nawalny Foto: dpa

Es ist Realsatire: Ausgerechnet mit der russischen Fluglinie Pobeda, was auf Deutsch „Sieg“ bedeutet, will der Kremlkritiker Alexej Nawalny am kommenden Sonntag in sein Heimatland zurückkehren. Fragt sich jedoch, wer am Ende über wen triumphiert. Denn Nawalny könnte nicht nur auf dem Moskauer Flughafen Wnukowo festgenommen werden, sondern gleich auch schnurstracks im Gefängnis landen.

Nichts anderes legt die jüngste Ankündigung der föderalen Behörde für Strafvollzug (FSIN) nahe, eine Bewährungsstrafe von Nawalny per Gerichtsbeschluss in eine mehrjährige Haft umwandeln zu lassen, da er gegen Auflagen verstoßen habe. Da sage mal jemand, in Russland herrsche keine Transparenz. Michail Gorbatschow, der Vater von Glasnost, lässt grüßen!

Leider gibt es wenig Anlass zu der Annahme, dass die Behörden ihrer Ankündigung im Falle Nawalnys, der seit Ende Dezember auf der landesweiten russischen Fahndungsliste steht, nicht auch Taten folgen lassen werden. Schließlich würde Präsident Wladimir Putin diesen Mann, dessen Namen er nicht in den Mund nimmt, am liebsten unter der Erde, zumindest jedoch nicht in Russland wissen.

Über Nawalnys Gründe, sich dennoch in die Höhle des Bären zu begeben, lässt sich nur mutmaßen. Unstrittig ist, dass Oppositionsarbeit aus dem Ausland, allen digitalen Möglichkeiten zum Trotz, mühselig ist. Und in Russland stehen im kommenden September Duma-Wahlen an. Diese Erfahrung macht übrigens gerade auch die belarussische Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja in ihrem litauischen Exil. Ihr ist, anders als Nawalny, ein Aufenthalt im Gefängnis bis jetzt glücklicherweise erspart geblieben.

Bei Nawalny kommt noch hinzu, dass er gerne den agent provocateur gibt, der Konfrontation nicht scheut. Doch Märtyrertum, ob auf dem Friedhof oder hinter Schloss und Riegel, bringt in Russland keine politische Dividende. Wie sonst wäre zu erklären, dass Nawalnys Zustimmungswerte nach den Enthüllungen über die mußmaßlichen Drahtzieher des Anschlages mit dem Gift Nowitschok Ende Dezember sogar noch ein wenig gesunken sind.

Sollte Nawalny am Wochende wirklich in Moskau auftauchen, wäre wenigstens klar, dass er nicht zu der Amtseinführung von US-Präsident Joe Biden eingeladen worden sei, schreibt ein Telegram-Nutzer. Über diesen schwarzen Humor könnte man sich fast amüsieren, doch das Lachen bleibt einem im Halse stecken. Denn für Nawalny ist die Lage todernst.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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