Naturschutz in Deutschland: Auch Wanstschrecken brauchen Wohnraum
Zwei Prozent der Fläche in Deutschland soll wild sein, das fordert die nationale Biodiversitätsstrategie. Gerade mal ein Drittel davon ist erreicht.
„Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass wir trotz der Bemühungen von Bund und Ländern sowie der Beiträge von Naturschutzorganisationen von der Umsetzung des Zwei-Prozent-Wildnis-Ziels in Deutschland noch weit entfernt sind“, sagt Heiko Schumacher, Leiter des Bereichs Biodiversität bei der Sielmann Stiftung, die selbst Wildnisflächen besitzt. Hochrechnungen der drei Naturschutzorganisationen zeigten, dass sich auf weiteren 1,67 Prozent der Landesfläche zusätzliche großflächige Wildnisgebiete etablieren ließen. Das in der nationalen Biodiversitätsstrategie von 2007 vorgegebene Ziel, dass 2 Prozent der Fläche in der Bundesrepublik naturbelassen sein sollen, wäre also erreichbar.
Auf Wildnisflächen – die im lange und dicht besiedelten Deutschland nie ganz unberührt sind – kann sich die Natur weitgehend ungesteuert entwickeln. Als Untergrenze für sogenannte großflächige Wildnisgebiete sehen Bund und Länder einen Umfang von 1.000 Hektar vor, bei Auen, Mooren, Küsten und Seen sind es 500 Hektar.
Diese Größenordnung sei sinnvoll, damit sich „natürliche Prozesse in ihren vielfältigen Ausprägungen wirksam entfalten können und Konflikte mit der angrenzenden Kulturlandschaft minimiert werden“, so die Sielmann Stiftung. Wildnis liefere einen wichtigen Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt, zum Klima- und Hochwasserschutz, zu Wissenschaft und Forschung sowie Bildung und Naturerleben.
Keine Wildnis, aber wichtiger Lebensraum
Ähnlich wichtig ist auch das Grüne Band entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze, das am 9. Dezember 1989 gegründet wurde und somit diese Woche 35. Geburtstag feiert. Auf 1.393 Kilometern reihen sich verschiedene Schutzgebiete aneinander und bilden den größten deutschen Biotopverbund.
„Das Grüne Band bietet halboffene Landschaften, die in unserer aufgeräumten Agrarlandschaft so häufig verloren gegangen sind“, sagt Melanie Kreutz, stellvertretende Leiterin des Nationalen Kompetenzzentrums Grünes Band. Die sogenannten Ökotone, also Übergänge von Lebensräumen, spielten dabei eine besondere Rolle, sie bilden ein kleinräumiges Mosaik aus kurz gehaltenen, aber nur selten gemähten Wiesen, aus Büschen und Waldrändern. „Auf intensiv genutzten Flächen liegt sechsmal jährlich gemähtes Grünland neben Fichtenforst“, so Kreutz, „damit kommen viele Arten nicht zurecht“.
Bodenbrüter wie etwa das Braunkehlchen benötigen Altgras-Fluren, in denen sie ungestört ihre Nester bauen können. Auch die eher immobile Wanstschrecke, eine Heuschrecke, braucht Wiesen, die nur selten gemäht werden und Raum für Verstecke bieten. Ohne menschliches Zutun kommt das Grüne Band aber nicht aus. „Diese Vielfalt können wir nur mit einer behutsamen Nutzung erhalten“, sagt Kreutz. Daher arbeitet der BUND mit Landwirten zusammen, die die Schutzgebiete mit Beweidung und Mahd offen halten.
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